Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Plattform für Pilzfreunde => Thema gestartet von: Wolfi am 5. März 2021, 13:23

Titel: Schiefer Schillerporling??
Beitrag von: Wolfi am 5. März 2021, 13:23
Servus zusammen,

ich bin neu hier und poste hier einfach mal, in der Hoffnung mir kann jemand weiterhelfen.
Beim Spazierengehen bin ich an einer toten Birke (könnte auch Pappel sein) auf etwas gestoßen, dass mich sehr an Inonotus obliquus erinnert.
Den Pilz kenne ich bisher nur aus der Literatur und habe noch nie ein Sklerotium in der Natur gesehen.
Ein kleines Stück ließ sich relativ leicht lösen und die Knolle erschien mir recht brüchig.
Wucherungen an Birken sind mir bekannt, also hätte ich dies demnach auch als Absterbeerscheinung in Betracht gezogen.
Für eine nähere Untersuchung fehlt mir leider die Laborausrüstung.
Es wäre schön wenn jemand weiß um was es sich hier handelt.
Danke schonmal und ein schönes Wochenende.
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=2097.0;attach=27426;image)
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=2097.0;attach=27428;image)
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=2097.0;attach=27430;image)
Titel: Re: Schiefer Schillerporling??
Beitrag von: Christoph am 5. März 2021, 13:33
Lieber Wolfi,

herzlich willkommen hier im Forum. Deine Fotos sind sehr schön und zeigen einen ganz typischen Tschaga, also die asexuelle Form des Schiefen Scillerporlings.
Man sieht gut die schwarze, wie verkohlt wirkende, zerklüftete Oberfläche und in der Tiefe ein ockerbräunliches bis rostbräunliches Fleisch.
Also: ganz typisch.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Schiefer Schillerporling??
Beitrag von: Wolfi am 6. März 2021, 13:57
Danke Christoph!

Ich verstehe noch nicht unter welchen Bedingungen sich die asexuelle Form ausbildet und ob am gleichen Wirt dazu noch das sporenproduzierende Hymenium zu finden ist.
Die dunkle Knolle ist ja eine Dauerform des Tschaga, deshalb würde mich auch interessieren ob man unter günstigen Bedingungen (z.B. im Herbst) die Bildung von sporentragenden Fruchtkörpern auf oder um das Sklerotium beobachten kann.
Danke nochmals.

Gruß Wolfi
Titel: Re: Schiefer Schillerporling??
Beitrag von: abeja am 6. März 2021, 21:31
Hallo Wolfi,
so genau wusste ich es auch noch nicht (... weil es fast immer nur um den Fund und die Weiterverarbeitung des Chaga geht), aber ich habe es gerade an zwei verschiedenen Orten nachgelesen.

Ein noch lebender Baum wird über nicht verheilte Wunden (die bis zum Kernholz reichen) durch die Sporen befallen. Es entsteht nach Jahren dieses geschwürartige Gebilde (Chaga) - immer noch am lebenden Baum. Diese imperfekte (asexuelle) Form wächst sehr langsam und zerstört das Kernholz (Weißfäule), schließlich stirbt der Baum nach mehreren Jahren ab.
Erst danach, 2-12 Jahre nach Absterben, bildet der Pilz im morschen Holz (zwischen Borke und Splintholz) einen krustenartigen Pilz mit Poren, in denen dann die Sporen für die sexuelle Vermehrung entstehen.

Man wird also keinen Porenpilz sich auf oder direkt neben dem "Geschwür" entwickeln sehen. Allerhöchstens, wenn der Baum schon tot ist - und trotzdem (noch) Chaga daran ist (falls es das gibt) - dann könnte sich unterhalb ablösender Rinde plötzlich der Porenpilz zeigen.

Hieraus "zusammengestrickt":
https://www.biothemen.de/Heilpflanzen/vitalpilze/chaga.html
ZitatEr beginnt sein Wachstum an lebenden Wirtsbäumen, vor allem an Birken. Der Wachstumszyklus des Chaga ist sehr interessant. Aus der Borke des befallenen Baumes kommt nach Jahren ein krebsartig aussehendes Gebilde zum Vorschein (Bild ganz oben). Es ist hart und unförmig, außen schwarz und spröde und innen braun und krümelig. Es ist die imperfekte Form [1] des Pilzes und fungiert als mehrjähriges Überdauerungsorgan, auch genannt Sklerotium [2]. Das Sklerotium wächst sehr langsam, dafür jahrelang und tötet dabei den Baum schließlich ab. Diese imperfekte Form ist steril beziehungsweise asexuell. Die Größe des Chaga Sklerotiums kann 10 bis 30 cm Durchmesser erreichen. Es kann bis zu 5 Kilogramm schwer werden. Im morschen Stamm wächst schließlich, ausgebreitet unter der Rinde, die Fruchtschicht. Diese perfekte Form bildet die sexuellen Sporen zur Fortpflanzung. Die Fruchtschicht ist einjährig und erscheint schließlich in Form sogenannter Stemmleisten, welche die tote Rinde durchbrechen. Aus den schief-stehenden Poren (Schiefer Schillerporling) entlässt der Fruchtkörper des Chaga schließlich seine Sporen, dann stirbt der Pilz ab. Diese generative Form [3] von Chaga ist in unseren Wäldern selten, weil kranke und tote Bäume meist ausgeräumt werden.

https://www.researchgate.net/publication/323428315_Chaga_Inonotus_obliquus_a_Future_Potential_Medicinal_Fungus_in_Oncology_A_Chemical_Study_and_a_Comparison_of_the_Cytotoxicity_Against_Human_Lung_Adenocarcinoma_Cells_A549_and_Human_Bronchial_Epithelia#pf3
ZitatThe fungal infestation results from a contamination of the duramen of the host trees by basidiospores via unhealed injuries, which have left this matrix uncovered. The asexual form grows as long as the tree lives and causes a fibrous white rot of the central cylinder of the tree, degrading the cellulose, hemicellulose, and lignin. The sexual form (fruiting body)
appears between the bark and the sapwood as a yellowish crust turning brown 2 to 12 years after the death of the host
tree.41,42 It shows oblique and elongated pores upholstered by a hymenium with bi- to tetrasporic basidium without basal
loop. It is this sexual form that releases elliptic to globular, smooth, yellowish basidiospores measuring from 8 to 10 µm
× 5 to 7.5 µm ensuring the dissemination of the fungus.43

FG, abeja