Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Expertenforum Mykologie => Thema gestartet von: Christoph am 10. Januar 2018, 16:16

Titel: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 10. Januar 2018, 16:16
Hallo zusammen,

aufgrund eines Threads über eine erst vermeintliche, dann aber über "wirkliche" Gallerttränen in einem anderen Pilzforum (siehe hier: https://www.pilzforum.eu/board/thema-gallerttraene--39907) entstand die Idee, dass sich Interessierte an dieser doch teils stark vernachlässigten Gattung zusammenfinden könnten, um Kollektionen zu vergleichen, zu diskutieren bzw. sich allgemein auszutauschen.

Daher eröffne ich jetzt diesen Sammel-Thread und werde ihn mit einer ausführlichen Vorstellung von Dacrymyces macnabbii (Fund aus dem Bayerischen Wald) sowie einer Kurzvorstellung von Dacrymyces paraphysatus ergänzen (wurde bereits publiziert - Hahn & Karasch 2002).

Ich würde mich freuen, wenn hier auch von anderen Pilzbegeisterten Gallerttränen vorgestellt würden und/oder diskutiert würden.

Es gibt ja noch einige Probleme wie die Abgrenzung von Dacrymyces stillatus vs. D. minor oder von D. capitatus vs. D. lacrymalis (usw.).

Um eine Gallerträne zu bestimmen, braucht man neben makroskopischen Merkmalen (Farbton, Form und Größe der Fruchtkörper, Substrat als Hilfsmerkmal) vor allemMikromerkmale. Hierzu gehört die Frage, ob Schnallen vorhanden sind oder nicht, falls sie vorhanden sind, wie sie aussehen, dann natürlich Sporengröße, -form und Art der Septierung und - sehr wichtig - die Ausprägung von Dikaryophysen. Der Begriff lehnt sich an die Paraphysen der Ascomyzeten an. Nur sind Paraphysen monokaryotisch, während die Dikaryophysen ganz normal dikaryotisch sind, also eigentlich Zystiden sind. Sind die Zystiden aber fädig (eben einer Paraphyse ähnlich), hat sich bei den Gallertpilzen dieser Begriff Dikaryophyse etabliert.
Die Dikaryophysen können auch stark vezweigt werden und dann an Dendrohyphidien erinnern.
Manche Gallerttränen haben keine Dikaryophysen (oder sie sehen aus wie junge Basidien, die noch nicht gegabelt sind). Ebenfalls wichtig kann das Vorhandensein von Inkrustationen an den Tramahyphen sein, aber auch die Ausbildung und Form von Haaren an der sterilen Fruchtkörperunterseite sowie die zugehörigen Nebenfruchtformen (wenn vorhanden).
Man findet auch innerhalb der Gallerttränen immer wieder Parasiten wie Tremella spp. - inwieweit sich manche Arten auf Artniveau eingenischt haben, wäre interessant, untersucht zu werden.

Die Gattung Dacrymyces ist polyphyletisch, wird also irgendwann vermutlich aufgetrennt werden. Im Mikroskop unterscheiden sich manche Artengruppen auch sehr stark voneinander.

Was die Arbeit mit und an Dacrymyces erschwert, ist das Fehlen moderner, umfassender Überarbeitungen. Zudem scheinen einige Arten potentiell weltweit vorzukommen. Es reicht also nicht, mit alten, "Aphyllophorales-Schlüsseln" zu arbeiten, denn es können auch "Exoten" bei uns wachsen, die bislang übersehen wurden (wie z. B. Dacrymyces paraphysatus - aus Tahiti beschrieben und auch aus Neuseeland bekannt, kommt aber doch in Europa vor). 

So, jetzt schließe ich das Eröffnungsposting und fange mit Dacrymyces macnabbii um nächsten Beitrag an.

Liebe Grüße,
Christoph

Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 10. Januar 2018, 16:22
Dacrymyces macnabbii Reid, Trans. Br. mycol. Soc. 62(3): 456, 1974

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=16986;image)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=16988;image)
Dacrymyces macnabbii - Fund aus dem Nationalpark Bayerischer Wald

Fruchtkörper rasig, dicht gedrängt, jedoch nicht zusammenfließend, kissenförmig mit niedergedrückter Mitte, bis 1 mm Durchmesser erreichend, 0,5 mm dick werdend, punktförmig am Substrat angewachsen, schmutzig ockerbräunlich mit eingemischtem, blassem Gelbton. Getrocknet zu dünnen, sich kaum  vom Substrat abhebenden, braunen Flecken zusammenschrumpfend, Fruchtkörperrasen mehrere Zentimeter Ausdehnung erreichend.

Hyphensystem monomitisch, Hyphen im Fruchtkörperfleisch meist 1-2(-4) µm dick, nahe der sterilen, dem Substrat zugewandten Seite stellenweise angeschwollen, dann bis zu 10 µm breit und sehr dickwandig; Hyphen langzellig, sich häufig verzweigend, in gelartige Matrix eingebettet, dennoch zusätzlich häufig von auffälligen, eigenen Gelscheiden ummantelt, diese in Lauge aufquellend und nach längerer Verweildauer in KOH 5% oder NH4 verschwindend. Einige Hyphen sind zudem deutlich inkrustiert und erscheinen im Profil deutlich und erhaben punktiert. Schnallen in reifen Fruchtkörpern an allen Zellen auftretend, jedoch bei Sekundärsepten (diese z. B. an Basidien auftretend) fehlend. Schnallen sehr variabel geformt, von geschlossen mit deutlichem Schnallenbogen und gut erkennbarem Winkel über Lochschnallen (zwischen Bogen und Zelle am Septum mit kleinem Zwischenraum) bis hin zu Medaillonschallen, bei denen man kaum noch oder gar nicht mehr zwischen Schnallenbogen und Primärhyphe unterscheiden kann. Medaillonschnallen im gesamten Fruchtkörper auftretend, sehr auffallend, am häufigsten und stärksten ausgeprägt nahe der dem Substrat zugewandten Seite. Verzweigungen häufig aus den Schnallenbögen entspringend, wodurch Medaillonschnallen nicht immer klar als Schnalle kenntlich, insbesondere, wenn zusätzlich ein Sekundärseptum eingezogen wird.

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=16994;image)

Hymenium nur auf der dem Substrat abgewandten Seite vorhanden, in älteren Fruchtkörpern aus kollabierten, abgesporten Basidien, jungen, reifen Basidien und Probasidien sowie zahlreichen Dikaryophysen unterschiedlichen Alters aufgebaut, sich also laufend neu bildend, sodass kollabierte Basidien im Alter sehr häufig werden. Am Rand der dem Substrat abgewandten Seite nimmt die Zahl der Basidien ab und knorrige, dickwandige, den Dikaryophysen ähnliche Elemente dominieren, sodass das Hymenium kontinuierlich in die sterile Fruchtkörperuntersite übergeht. 

Dikaryophysen bis 50 x  3-4 µm, meist einzellig bzw. zusammen mit mehreren basalen Zellen eine zwei- bis dreizellige Einheit bildend und diese auf Höhe der Basidien entspringend und so diese gesamte Einheit bis 75 µm lang werdend; Endzellen dieser Einheit, also die Dikaryophysen im engeren Sinn basal meist etwas dickwandig, apikal dünnwandig, jung etwas gewunden zylindrisch, später apikal sich verzweigend, schließlich fast bäumchenartig verzweigt, selten auch mit vereinzelten Septen und Schnallen in den abzweigenden Ästchen.  Junge Dikaryophysen sind teils schwer von Probasidien zu unterscheiden, sind aber basal meist etwas dickwandig, ältere Dikaryophysen können in der Masse kollabierter Basidien untergehen und so leicht übersehen werden. Die Anzahl der Dikaryophysen variiert im selben Fruchtkörper zwischen vereinzelt eingestreut und zahlreich und auffallend.

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=16992;image)

Probasidien bis 75 x 4 (-5) µm, mit Basalschnalle, sich durch ältere, kollabierte Basidien und durch Dikaryophysen schlängelnd, daher häufig verbogen, gekniet oder etwas wellig und so schwer von jungen Dikaryophysen zu unterscheiden, jedoch dünnwandig.

Basidien dacrymycetoid, d.h. stimmgabelförmig verzweigt, mit Basalschnalle, bis 75 x 3-4(5) µm (im Verzeigungsbereich breiter), vor der Sporenreife mit abgerundeten Enden der beiden Apikaläste, schließlich durch Bildung von Sterigmata spitz endend, beim Aussprossen der Sporen häufig schnallenlose Sekundärsepten bildend (sowohl im Basalbereich als auch in den beiden Ästen), im basalen Bereich teils mit kurzem Seitenauswuchs; Basidien nach Sporenabwurf bald kollabierend, hierbei zunächst die Apikaläste, schließlich auch der obere Bereich, dann der basale Bereich der Basidie zusammenfallend; durch die vielen kollabierten Basidien sind die Basidienbasen nicht immer leicht darzustellen.

Sporen (n = 32) 10-11,8-14(-15) x 3-3,5-4(-4,5) µm, Q = 2,8-3,4-4,0; Sporen meist gekrümmt, oft bananenartig, d.h. apikales Ende meist eher gestreckt und am Vorderende, also am Ende mit dem deutlich sichtbaren, breiten Apiculus, stärker gekrümmt, jedoch auch angedeutet S-förmige Sporen mit leichter zentraler Einschnürung auftretend; Sporen farblos, oft hyalin, aber auch mit ölig erscheinendem, opaquem Plasma gefüllte Sporen auftretend, bei denen auftretende Vakuolen deutlich erkennbar sind; Sporen ohne oder mit mehreren, winzigen Öltröpfchen. Septen wurden nicht beobachtet.

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=16990;image)

Sterile Unterseite aus bizarr gewundenen und verzweigten, teils sehr dickwandigen Elementen aufgebaut; diese Abschlussschicht erinnert an die im Hymenium auftretenden Dikaryophysen und geht am Fruchtkörperrand auch in das Hymenium fließend über. Hyphen nahe der sterilen Unterseite teils mit dickwandigen Anschwellungen und hier die größte Häufigkeit von extrem ausgeprägten Medaillonschnallen.

Ökologie: Auf dem Holz von am Boden liegenden oder bodennah tot ansitzenden Ästen von Pinus sylvestris und Pinus mugo subsp. rotunda (Wuchsform ähnlich der subsp. mugo) in einem Spirkenhochmoor.

Diskussion:

1. Abgrenzung zu ähnlichen bzw. nahestehenden Arten

Aufgrund der unseptierten, schmalen Sporen und der auffälligen Medaillonschnallen ist Dacrymyces macnabbii leicht zu bestimmen. Insbesondere die Medaillonschnallen sind ein Alleinstellungsmerkmal. Reid (1974: 456) merkt entsprechend an: ,,It is of interest to note that this would seem to bet he first report of the occurence of loop-like clamp-connexions in the Dacrymycetaceae." Auch die Fruchtkörperform passt zur Originalbeschreibung, allein die Farbgebung der hier vorgestellten Kollektionen entspricht nicht den Angaben den Originalbeschreibung: ,,Sporophores 0.5-1.0 mm diam, gregarious, but discrete, as small, gelatinous, light yellow, rather thick, flat discoid bodies." (Reid 1974: 456).

Göttel (1983: 173) bestätigt die Fruchtkörperform, erwähnt aber leider nicht die Farbgebung ihrer Kollektionen (Substrat Kiefer): ,,Die Fruchtkörper flachen mit zunehmendem Alter ab [...]. Besonders bei dichten Vorkommen ist sehr häufig eine zentrale Eindellung im Hymenium festzustellen [...], die zuerst eine leicht schüsselförmige und letztlich die von Reid (1974) beschriebene discoide Form hervorruft."

Bei den hier vorgestellten Funden handelt es sich allerdings um sehr reife Fruchtkörper, was beispielsweise an der großen Zahl kollabierter Basidien erkennbar ist. Junge Stadien wurden folglich nicht beobachtet. Kołodziejczyk (2006) stellt in dem polnischen Internetforum ,,Bio-Forum" eine noch reifere Kollektion vor, die ebenfalls braune Fruchtkörper zeigt, bezüglich der Mikromerkmale ebenfalls den Angaben bei Reid (1974) sowie den hier vorgestellten Kollektionen entspricht. Auch hier war das Substrat Kiefer.

Dacrymyces tortus (Willd.) Fr. zeigt typischerweise Brauntöne und entwickelt auch in der Mitte vertiefte, discoide Fruchtkörper. Zudem können bei dieser Art nach Reid (1974) – sub nomine Dacrymyces punctiformis Neuhoff – Kollektionen mit unseptierten Sporen auftreten. Reid (1974) unterscheidet sie von Dacrymyces macnabbii anhand unverzweigter Dikaryophysen sowie der banalen Schnallen (Medaillonschnallen fehlen) und diskutiert wohl aufgrund dieser zentralen Unterschiede die Abgrenzung beider Arten voneinander nicht. Göttel (1983) zeigt hingegen, dass auch bei Dacrymyces tortus verzweigte Dikaryophysen auftreten. Dies ist aber nur bei sehr ausgereiften Fruchtkörpern der Fall, wenn die Basidien durch Dikaryophysen ersetzt werden. Krieglsteiner (2000) übernimmt trotzdem in seinem Bestimmungsschlüssel der Gattung Dacrymyces die nicht oder sehr wenig verzweigten Dikaryophysen.
Als Unterschiede bleiben die bei Dacrymyces tortus meist regelmäßig auftretenden septierten Sporen und die Makroskopie wie z. B. im Alter zusammenfließende Fruchtkörper übrig. Da es sich auch um eine Nadelbaumart handelt, ist auch kein ökologischer Unterschied wirklich greifbar. Die Abgrenzung ist folglich nicht einfach. Die untersuchten Fruchtkörper sind zwar reif, aber nicht überreif, da sowohl die Fruchtkörperkonsistenz nicht flüssig-weich ist und zwar kollabierte Basidien auftreten, jedoch noch immer junge Probasidien nachreifen. Auch sind keine alten, bereits auskeimenden Sporen beobachtet worden, die nach Göttel (1983) dann bis zu dreifach septiert und deutlich vergrößert wären. Es ist daher anzunehmen, dass die Dikaryophysen noch nicht deutlich apikal verzweigt wären, würde es sich hier um Dacrymyces tortus handeln. Göttel (1983) bemerkt zudem, dass bei Dacrymyces tortus die sterilen Elemente der dem Substrat zugewandten Fruchtkörperseite gleichmäßig dick wären und nur selten Schnallen tragen. Da die hier vorgestellten Kollektionen die typischen, deutlichen Medaillonschnallen aufweisen, die Sporen unseptiert sind die sterilen Elemente der Furchtkörperunterseite knorrig und variabel in der Dicke sind, wird in der Vielzahl der Merkmale Dacrymyces tortus ausgeschlossen.

Auch Dacrymyces enatus (Berk. & Curt.) Massee zeigt typischerweise braune Farbtöne bezüglich seiner ebenfalls sehr kleinen Fruchtkörper (vergl. Reid 1974, Kennedy 1958), unterscheidet sich aber durch seine zusammenfließenden Fruchtkörper, die banale Ausprägung der Schnallen (keine Medaillonschnallen), durch meist einfach septierte und kürzere Sporen sowie durch Vorkommen an Laubholz.

(Die Literaturliste ergänze ich bei Gelegenheit)

Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 10. Januar 2018, 16:30
Servus beinand,

und nun noch ein paar Bemerkungen zu Dacrymyces paraphysatus. Peter Karasch hat diese Gallertträne an einem Viburnum-Ast gefunden - ich habe sie dann bearbeitet und bestimmt. Gemeinsam haben wir den Fund in der Z. Mykol. publiziert. Der Artikel ist frei verfügbar: https://www.dgfm-ev.de/publikationen/artikelsuche/dacrymyces-paraphysatus-bislang-nur-aus-tahiti-und-neuseeland-bekannt-erstmals-in-europa-nachgewiesen/download

Kurz zuvor und wurde diese Gallertträne auch in den Benelux-Staaten gefunden, sodass wir mit "erstmals in Europa" doch nicht recht hatten.

Man kann D. paraphysatus im Mikroskop gut anhand der doch sehr langen Sporen, der Schnallen und der auffallenden Dikaryophysen leicht erkennen. Seit 2002 gab es meines Wissens keine weiteren Funde mehr. Nur wer schaut sich Gallerttränen schon genauer an?!

Hier noch drei der Mikrozeichnungen, die in der Publikation sind, zur Schnellansicht - genaueres: siehe Artikel...

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=16996;image)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=16998;image)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17000;image)

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallertränen
Beitrag von: Beorn am 11. Januar 2018, 19:54
Hallo, Christoph!

Ui, das sind beachtlich schöne Präsentationen!
Da muss ich mich schon richtig strecken, um ein paar Dokus annähernd auf einem ähnlichen Stand zusammenzubasteln.

Wenn die Gattung ja ohnehin polyphyletisch ist, kann ich immerhin mal ein paar Bildchen von Ditiola peziziformis hier lassen.
Diese "nicht - Gallertträne" ist in meiner gegend gar nicht mal selten, sitzt meist an mittelstark zersetzten, noch +/- berindeten Stämmen von Rotbuche in den Wäldern um Mannheim herum. Interessant ist ja dabei, daß sich das Habitat von dem "normalen" Verbreitungsbild so unterscheidet.
Also dem typischen auftreten an Nadelholz in eher winterkalten Berggegenden.

Manchmal ist man da ja rasch etwas skeptisch, ob es dann auch wirklich alles eine Art ist, aber andererseits sind vielleicht viele Pilze auch gar nicht so streng an eine bestimmte Ökologie gebunden...


LG, Pablo.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallertränen
Beitrag von: Gernot am 11. Januar 2018, 22:04
Servus,

ich muss zugeben, die gallertigen Tränen schaue ich mir viel zu selten an... Meistens schmeiße ich sie frustriert weg, weil ich sie im eingetrockneten Zustand auf den ersten Blick für Orbilien halte. :-X Eine interessante, von Christoph in der Diskussion bei D. macnabbii bereits erwähnte Art kann ich aber dennoch zeigen: Dacrymyces enatus. Ich hab diesen äußerlich für Dacrymyces eher untypischen Pilz bisher zweimal gefunden, einmal (abgebildete Kollektion) auf der Unterseite eines liegenden, entrindeten Astes von Alnus incana in einem Erlenbruch am Rande eines kleinen Moorbereiches, und einmal in einem natürlichen Fichten-Tannen-Buchenwald auf einem entrindeten Fagus-Ast. Letztere Aufsammlung war von Tremella obscura befallen – diese hab ich schon einmal in diesem Forum gezeigt (http://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,182.msg1659.html#msg1659) (kaum zu glauben, dass das schon neun Jahre her ist...).

Mikroskopisch ist D. enatus anhand der Schnallen, der erst spät einfach septierten Sporen und vor allem der verzweigten Dikaryophysen charakterisiert (siehe Mikrofotos).


Dacrymyces enatus

(https://i.imgur.com/zfcgW52.jpg)

(https://i.imgur.com/zySk0xD.jpg)

(https://i.imgur.com/zrIydqb.jpg)

(https://i.imgur.com/m6eGCWt.jpg)

(https://i.imgur.com/TsAfKll.jpg)

(https://i.imgur.com/UqotmqW.jpg)

(https://i.imgur.com/zA5e8Lj.jpg)

Schöne Grüße
Gernot
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 11. Januar 2018, 22:33
Servus Gernot,

das ist ja eine Bilderbuchkollektion. Die Fruchtkörperfarbe, das Zusammenfließen, an Laubholz... Danke für das schöne Portrait! Ich finde, D. enatus hat einen recht hohen Wiedererkennungswert - und dank der schönen Dikaryophysen (neben den anderen Merkmalen) ist die Art ja auch anatomisch gut erkennbar.

Und ja, die Zeit vergeht - ich erinnere mich an die Tremella-obscura-Anfrage. Es gibt ja mehrere, an Dacrymyces parasitierende Tremellen wie z. B. Tremella giraffa, Tr. penetrans, Tr. occultifuroidea und Tr. obscura. Ich denke aber immer noch, dass du damals Tremella obscura s.str. hattest.

Das ist auch etwas, was ich eigentlich gerne an Gallerttränen habe - man findet immer wieder mal andere, interessante Pilze, so auch Occultifer internus.

Lieber Pablo,

da ich weniger im warmen Lagen, sondern eher in höheren Lagen unterwegs bin, kenne ich Ditiola peziziformis selber nur von Tanne. Mich wundert es auch, wenn eine Art eine so zweigeteilte Verbreitung / Ökologie aufweist. Das allein reicht aber natürlich nicht für eine Trennung. Aber es kann natürlich gut sein, dass man Differentialmerkmale findet, wenn man danach sucht.

Witzig ist, dass Ditiola pezizizformis im Stammbaum von Shirouzu et al. (2012): Taxonomic study of the Japanese Dacrymycetes. Persoonia 23: 16–34 zusammen mit Dacrymyces variisporus (wächst ja auch an Tanne) clustert. Allerdings ist das nicht statistisch unterstützt. Die Gattungsgrenzen und -zuordnungen passen jedenfalls ohnehin noch nicht, wenn man die phylogenetischen Bäume betrachtet. Da ist die Publikation von Shirouzu et al. (2012) wirklich sehr spannend.

Liebe Grüße euch beiden  :),
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Beorn am 13. Januar 2018, 11:23
Hallo, Gernot & Christoph!

Eine Dacrymyces "cf" enatus hatte ich auch mal gefunden, wenn ich mir deine wunderbare Dokumentation so angucke, Gernot, kann ich das "cf" bei meiner wohl sogar streichen.
Die Darstellung meines Fundes ist bei weitem nicht so gelungen, aber ich stelle ihn trotzdem hier mal dazu.
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17030;image)
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17032;image)
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17034;image)
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17036;image)
Gefunden am 30.12.2015 in Norditalien; an den Hängen über dem Westufer des Lago Maggiore auf ca. 400-500 mNN; nähe Sant. Agatha / Cannobio; in einem Einschnitt (relativ bodenfeucht), ehemals bebautes (terrassiertes), längst aber von der Natur zurückerobertes Gelände, mit Baumbestand vorwiegend aus Esskastanien, Birken, Ahorn; Grundgestein Granit (sauer) an einem feucht liegenden, recht stark zersetzten Laubholz - Aststück.

Also auch wieder ein wenig anders, als die von Gernot beschriebenen Habitate.

Interessant übrigens auch in dem Zusammenhang mit der Ökologie von "Ditiola" peziziformis: Es gibt in der (klimatisch submetiterran geprägten) Oberrheinebene einige Vorkommen von Phlebia centrifuga. Alle Kollektionen dieser Art von mir und einigen Pilzkollegen sind neueren Datums, vorwiegend an Laubholz, aber einzelne Aufsammlungen auch an Kiefer. Morphologisch sind die nicht von Phlebia centrifuga aus "typischen" Habitaten zu unterscheiden. Da wären vielleicht noch ein paar Sequenzen interessant, auch wenn die vermutlich auch nichts anderes ergeben werden.

Das wäre also ein Fall aus einem ganz anderen Gebiet, der sich analog zu den Ditiola peziziformis - Kollektoinen verhält.


LG, Pablo.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 13. Januar 2018, 21:43
Servus Pablo,

ja, sieht sehr gut aus als Dacrymyces enatus.  :)

Liebe Grüße,
Christoph

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Liebe Dacrymyces-Freunde,

in dem Artenkomplex rund um Dycrymyces stillatus ist die Bestimmung teils sehr schwierig, wie ich finde. Hier ist immer noch viel zu tun.

Ich habe heute beim Gassigehen eine Gallertträne an einem Grauerlenast (Alnus incana, finalfaul - zwar noch berindet, aber das Holz ist so weich, dass man es mit zwei Fingern ohne Kraftaufwand plattdrücken kann) gefunden, die ich gleich mal vorstellen möchte. Sie tendiert zwar zum Zusammenfließen, aber erst sehr alt. Sie ist jeweils an einem Punkt am Substrat angewachsen, aber nicht gestielt.

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17064;image)
Dacrymyces cf. minor - Fruchtkörper bereits etwas angetrocknet

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17066;image)
Dacrymyces cf. minor - Fruchtkörper wieder aufgequollen

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17068;image)
Dacrymyces cf. minor - Fruchtkörper wieder aufgequollen; der große Fruchtkörper knapp rechts der Mitte ist von Tulasnella cf. thelephorea befallen

Die Hyphen haben keine Schnallen. Die Tramahyphen haben einen Durchmesser von ca. 2,5-4 µm, die Septen erscheinen etwas eingeschnürt – es handelt sich also um Primärsepten, die sich gebildet haben, bevor die Zellen der Hyphen sich ein bisserl aufgebläht haben. Die Hyphen sind glatt, ohne Inkrustationen oder anderweitige Auflagerungen, etwas dickwandig bis dünnwandig erscheinend, aber auch dann offensichtlich steif, wenig biegsam.

Die Haare an der sterilen Unterseite der Fruchtkörper sind auch nur etwas dickwandig, deren Endzellen meist keulenförmig (wie Basidiolen von ,,normalen" Basidiomyzeten) – jung sind sie auch banal zylindrisch, später aber eben keulenförmig.

Die Sporen sind reif dreifach septiert (je eine Spore, die bereits Konidien auskeimte, war vierfach respektive zweifach septiert). Die Septen waren meist verdickt, aber nur bis ca. 0,5 µm, gut sichtbar als dickes Septum, aber nicht so extrem, wie ich es von Dacrymyces stillatus s.str. kenne. Manchmal drücken große Vakuolen das Zellplasma so an die Septen, dass diese dadurch sehr dick erscheinen. Da muss man aufpassen... Die Sporenmaße wiederum ergaben (10-)11,5-13,2-14,5(-15,25) x (4,25-)4,75-5,1-5,75 µm; Q = (2,0-)2,2-2,60-3,0

Die Basidien sind ganz normal gabelig ausgeprägt; ich habe auch keinerlei Sekundärsepten gesehen. Die Epibasidien werden ziemlich lang (mindestens bis 50 µm), was aber auch normal ist.

Dikaryophysen fehlen bzw. ich habe keine gesehen.

Arthrokonidien: nicht gesehen (keine Anamorphe)

Hier meine Mikroskop-Notizen (Maße mal 0,95, mein Messokular ist nicht 1 : 1 kalibriert)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17058;image)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17060;image)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17062;image)

Zusammengefasst:
Sporen reif dreifach septiert (nur selten sogar bis 4-fach), Septen etwas verdickt (dicker, als ich sie von Dacrymyces capitatus kenne, aber weniger massiv, als bei typischer Dacrymyces stillatus.
Keine Schnallen, keine Dikaryophysen.

In den alten Fruchtkörpern steckt übrigens eine Tulasnella, die dort sehr massiv wird. Sie hat auffällige Schnallen und die Basidien entwickeln sich in Büscheln. Leider habe ich keine Sporen derselben gefunden – sie ist noch etwas zu jung. Nach Roberts & Piatek (2004): Heterobasidiomyecets of the families Oliveoniaceae and Tulasnellaceae from Poland. Polish Botanical Journal 49(1): 45–54 müsste es Tulasnella thelephorea sein, da es nur wenige Arten mit Schnallen gibt. Mir wäre es aber lieber, wenn sich das durch passende Sporenmaße bestätigen ließe. (P.S.: ich habe später Sporen gefunden - es passt - auch in Einklang mit Roberts (1994) - siehe nächster Beitrag in diesem Thread)

Zurück zur hier vorgestellten Kollektion. An Dacrymyces stillatus s.str. glaube ich nicht.

Im Vergleich – ich kenne Dacrymyces stillatus s.str. deutlich breitsporiger. Kollektion CH01/2013 von einem liegenden Fichtenast (als Beispiel): (10,5-)14,25-15-17 x 5,75-6,5-7,5 µm; Q = 1,8-2,26-2,8; die Sporensepten sind bis 2 µm dick. Bei dieser Kollektion hatte ich auch Dikaryophysen gefunden – sie entsprechen denen auf der Abb. 20b auf S. 93 in der Doktorarbeit von Göttel (1983):

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17070;image)
Abb. 20b aus Göttel (1983: 93) - sorry für die schlechte Scan-Qualität

Göttel (1983) nennt diese Strukturen allerdings nicht Dikaryophysen.

Jedenfalls ist das für mich Dacrymyces stillatus s.str. - im Gegensatz zu meiner heutigen Kollektion.

Was bleibt als Alternativen?

Dacrymyces capitatus hätte größere Sporen und die kenne ich nur dünnwandig.

Dacrymyces minor würde hinsichtlich der verdickten Sporenwände passen. Was die Sporenmaße angeht, widersprechen sich die Literaturstellen etwas bis sehr deutlich (was in der Gruppe immer wieder auffällt):

Kennedy (1958) gibt an: 8-15 x 3-4(-6) µm

McNabb (1973) gibt an: 8-14(-15,5) x 3,5-5(-6) µm

Reid (1978) gibt an: 10,2-13,75(-16) x 4-4,5(-5) µm – er gibt auch das bilden eines vierten (bis fünten) Septums bei überreifen Sporen an

Göttlein (1983) gibt an: 13-15 x 5-7 µm

Shirouzu et al. (2009) geben an: 12,5-18 x 5-9,5 µm (kein Tippfehler!)

Dacrymyces minor wird also entweder als schmalsporige Art interpretiert (Kennedy, McNabb, Reid) oder als ziemlich bis deutlich breitsporig (Göttlein, Shirouzu et al.). Die japanische Interpretation dürfte allerdings wohl kaum das Gleiche sein. Dacrymyces minor wurden von Peck aus den USA beschrieben und Kennedy hat den Typus von Peck studiert (bzw. hat die Art lectotypisiert). Insofern ist eine schmalsporige Interpretation das, was dem Originalkonzept entspricht.

Bleibt Dacrymyces lacrymalis als Möglichkeit. Abgesehen davon, dass hier die Fruchtkörper größer, dreidimensionaler und schon bald (und nicht erst ganz alt, wenn sie von Parasiten befallen werden) gyrös werden, passt hier auch die Verdickung der Sporensepten nicht – wobei ich hier kaum Eigenerfahrung habe. Die Interpretation von Dacrymyces lacrymalis fällt mir schwer.

Ich würde meine Dacrymyces daher erstmal als Dacrymyces cf. minor bezeichnen.

Viel zu oft habe ich nach der ersten Sichtung (Sporen dreifach septiert, keine Schnallen), die aufgesammelte Gallertträne wieder ,,entsorgt". Jetzt werde ich das ganz sicher nicht mehr tun.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 14. Januar 2018, 02:37
Servus beinand,

ich habe lange gesucht, aber dann doch noch Sporen der Tulasnella gefunden. Es sind zwar nur wenige gewesen, aber die Form und Größe passen zu Tulasnella thelephorea.

Ich komme auf 6,5-8,5 x 3,75-4,75 µm (jeweils auf ein Viertel Mikrometer gerundet).

Roberts (1994): Globose and ellipsoid-spored Tulasnella species from Devon and Surrey, with a key to the genus in Europe. Mycol. Res. 98 (12): 1431-1452 zeigt, dass die Sporenmaße ziemlich variieren können, hat aber bei seinen eigenen Aufsammlungen meist kleinere Maße als beim Lectotypus.
Dieser hat Sporen von 6-9 x 4-6 µm, seine eigenen Kollektionen schwanken von (3,5-)5-6,5 x (3-)3,5-4 µm als Extrem und (6-)6,5-8,5(-9,5) x (3,5)4-5,5(-6,5) µm.
Da passen meine Maße ganz gut mit rein, finde ich.

Tulasnella thelephorea kommt zwar meist in "normalen" Corticioiden vor, Roberts (1994) gibt aber explizit an, dass sie auch in Dacrymyces (stillatus) vorkommt.

Es gibt zwar eine ganze Reihe von Tulasnella-Arten mit Schnallen, aber die wenigsten von ihnen wachsen im Hymenium von Gallertpilzen. Die Ökologie und die Sporenform passen sehr gut auf T. thelephorea.

Roberts (1994) gibt etwas schmalere Epibasidien an (die dafür bei ihm sehr lang auswachsen können), aber hier war die Tulasnella auch noch sehr jung. Die "Knubbel", die am dicksten waren, waren noch nicht ausgewachsen.

Bei Pilze-Deutschland (http://www.pilze-deutschland.de/organismen/tulasnella-thelephorea-juel-juel-1914) sind viele Funde in Nordbayern, Thüringen und Sachsen eingetragen. Man findet sie immer wieder,  wenn man Cortis anschaut. Wie häufig sie aber in Dacrymyces vorkommt, weiß ich allerdings nicht  ;)

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Beorn am 1. Februar 2018, 17:03
Servus!

Einen habe ich noch aus meinem Archiv ausgegraben, in Ermangelung von interessanten Frischfunden.
Die Fruchtkörper fanden sich am 07.02.2016 in einer kleinen Fichtenschonung (umgeben von Kiefern-Mischwald) in der nördlichen Oberrheinebene nahe Walldorf.
Substrat sind noch berindete, aber liegende und teils schon im Moos des Bodens eingewachsene Fichtenzweige. Die Fruchtkörper sind recht groß mit an die 10mm Durchmesser, dabei relativ stark gewunden und gefaltet.

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17334;image)
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17336;image)
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17338;image)

Leider nicht wirklich toll dokumentiert, ein paar Details hätte ich mir im Nachhinein gerne noch näher angesehen, aber leider habe ich kein Exsikat angelegt, heißt also zuwarten und nochmal finden.
abgelegt hatte ich die als "Dacrymyces lacrymalis", wobei es das eventuell aber nicht wirklich trifft. Daß es sich mit der Gruppe aber noch recht vage verhält, was die Abgrenzung einzelner Arten betrifft, wurde ja schon angedeutet.


LG; Pablo.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 1. Februar 2018, 18:06
Servus Pablo,

du hast im Fruchtkörper nirgends Reste von Arthrosporen gefunden? Die Septen sehen für mich gar nicht sooo dünn aus. Wobei ja die dünn septierten auch mal etwas dickere Septen haben können.
Wie sehen denn die Hyphenende am sterilen Fruchtkörperrand aus? Ich würde wetten, dass sie relativ kurz septiert sind. Ich habe hier aus der Dissertation von Gabriele Göttel die Abbildung eingefügt:

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17346;image)
Abb. 25d (S. 98) aus Göttel (1983) - sterile Oberfläche von Dacr. stillatus

Dacrymyces stillatus wird gerne so gewunden, wenn alt. Das Zusammenfließen passiert nicht immer so deutlich. Wobei ich aber ja nicht sagen kann, wie dick die Septen wirklich waren. Die sind bei Dacr. stillatus ja teils sehr dick - sie müssen es aber nicht sein. Es gibt immer wieder mal Kollektionen mit nur leicht verdickten Septen. Die Sporenmaße passen ja gut zu Dacr. stillatus. Für Dacr. lacrymalis sind sie mir zu groß (was meine Interpretation der Art angeht, die MacNabb folgt).

Auf alle Fälle eine interessante Kollektion. Hast du davon einen Beleg gemacht? Falls ja, kann ich mir den gerne mal live ansehen und nachmikroskopieren.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Beorn am 2. Februar 2018, 17:11
Hallo, Christoph!

Nein, leider habe ich von dem Fund nichts aufgehoben. So was würde ich ganz gerne mal wieder finden, aber in letzter Zeit zeigten sich mir nur einigermaßen typische D. stillatus.
Diese hier kam mir jedenfalls sonderbar vor, und im Nachhinein ärgert mich das schon, nur diese Bilder zu haben. Den Fruchtkörperrand hatte ich nicht mikroskopiert, auch sonstige auffällige Objekte (Athrosporen zB) hatte ich weder notiert noch abgebildet. Schade, ich fürchte, solange ich das nicht im Gebiet wiederfinden kann, wird es wohl nicht einzuordnen sein.

Die Septen der Sporen fand ich schon deutlich dünner als sonst bei D. stillatus gesehen, aber wenn da die Septen auch mal ziemlich dünn sein können und die Fruchtkörper auch in die Richtung variieren können, dann kann das schon gut sein.


LG, Pablo.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 20. März 2018, 22:39
Servus beinand,

heute war ich kurz in Rothschwaig (http://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1552.0.html), um zu schauen, wie es dort im Moment ausschaut. Und es sieht da sehr zapfig-kalt aus mit viel Schnee. Stellenweise war der Schnee weggetaut und da sind dann nasse Ästchen und weiteres Holzsubstrat freiliegend. Und siehe da, bei der Stippvisite fand ich eine Dacrymyces an Laubholz (vermutlich Eiche, noch nicht geprüft):

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17770;image)
Das Foto habe ich in meinem Arbeitszimmer auf einem Tisch geknipst - hatte in Rothschwaig keine Kamera dabei

Obwohl ein Fruchtkörper deutlich reif aussah, habe ich aber keine Sporen gefunden. Interessanterweise war das gesamte Hymenium kollabiert und kaputt, während gerade junge Probasidien beginnen, ein neues Hymenium zu bilden und in die Schicht der kollabierten Basidien hineinzuwachsen. Manche waren bereits gegabelt, sodass es kein Parasit ist, der am Werk ist (ich hatte ehrlich gesagt im Gelände mit der Lupe in der Hand auf Parasiten in dem glasigen Fruchtkörper gehofft).

Die Gallerträne hatte (mal wieder) keine Schnallen, Dikaryophysen waren nicht erkennbar, es gab auch keine Nebenfruchtform und die Hyphen im Fruchtkörperinneren waren sehr dickwand8ig. Insgesamt also eine ganz typische Dacrymyces spec.  :D

Jedenfalls sind starke Wechselfröste offensichtlich nicht der Gallertränen Freund. Ich werde noch ein bisserl auf wärmere Zeiten warten müssen. Der Winter kam sehr spät, dafür bleibt er dann länger (oder so ähnlich)...

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 8. April 2018, 23:12
Servus beinand,

Boris Zurinsky hat in Erlangen-Tennenlohe an einer toten Kiefer Unmengen eines dacrymycetoiden Pilzes gefunden. Auffallend ist der sehr deutlich ausgeprägte und teils außen weißliche Stiel. Leider waren die Fruchtkörper trotz Nachreifung im Kühlschrank ohne Sporen (die Basidien begannen gerade, sich zu gabeln).

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17910;image)

Anhand des Substrats und der Makroskopie müsste es sich um Ditiola radicata hanedeln. Es war auch auffällig, dass sich die Hyphen im Hut bereits auflösten, sodass der Hut quasi hohl war und nur von einer gallertigen Flüssigkeit gefüllt war.

Boris wird den Stamm weiter beobachten und hoffentlich reife Fruchtkörper ernten. So ist die Bestimmung natürlich wackelig, zumal ich die Art (wenn sie es denn ist) vorher selbst noch nie gesehen habe und nur aus der Literatur kenne...

Liebe Grüße,
Christoph

Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Beorn am 16. April 2018, 19:51
Hallo, Christoph!

Kann man da eine Guepiniopsis ausschließen?
Sofern man denn die beiden Gattungen (Ditiola / Guepiniopsis) überhaupt sauber trennen kann...

So eine gewisse Ähnlichkeit haben die mit Guepiniopsis bucccina (und die anderen Arten der Gattung kenne ich nicht), wenn auch wohl etwas weniger "behaart" an der Außenseite für so junge Fruchtkörper (ist aber schwer zu erkennen) und der Hauptpunkt dürfte dann die Form sein, weil Guepiniopsis buccina (andere Arten der Gattung auch?) schon jung apikal eingedrückt sind? Also mit Vertiefung, wie auf dem folgenden Bild?


LG; Pablo.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 16. April 2018, 21:29
Servus Pablo,

die Gattungskonzepte sind im Moment eh unklar. Man muss da entweder alles in eine große Gattung schmeißen oder aber einige kleine Gattungen definieren. Dann wird Dacrymyces s.str. recht klein und sehr übersichtlich. Letzten Endes ist das ja allgemein Trend...

Genau wie du selbst anmerkst, spricht bei dem fränkischen Pilz die Form und die weiße Außenseite gegen Guepiniopsis. Ditiola passt da besser - statt becherartig konkav ist der Fruchtkörper konvex-kopfig. Es war auch auffällig, dass das Köpfchen bereits begann, hohl zu werden. Die Hyphen lösen sich dort im Fleisch auf und bilden dann nur noch eine Gelmasse. Schneidet man den Fruchtkörper auf, fließt die Gelmasse aus und es bleibt ein Hohlraum. Ich hab das nur blöderweise nicht fotografiert.

Liebe Grüße,
Christoph

Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Rudi am 16. April 2018, 22:14
Hallo Christoph und Pablo,

Hier hab ich auch eine fränkische Guepiniopsis buccina (vom letzten Jahr), ein Pfifferlingsbecher...
der war recht zäh- kaugummiartig

LG Rudi
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Beorn am 18. April 2018, 16:56
Hallo!

Um ein Haar... Das sind ja wirkliche Pfifferlingsdoppelgänger, Rudi!  :o
So man denn bedenkt, daß man ja alles mit allem verwechseln kann.

Jedenfalls habe ich den bisher mit solchen Leisten noch nicht gesehen.

Gut nochmal drauf einzugehen, wie sich da die Unterschiede herausarbeiten lassen, denn von "Ditiola" kenne ich ja nur die häufige peziziformis (s.u.). Und was nachher in welche Gattung kommt, daß muss vorerst ja nicht unser Problem sein.


LG, Pablo.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 1. Mai 2018, 17:36
Servus beinand,

ich möchte noch einen Artikel empfehlen:

Takashi Shirouzu, Dai Hirose, Franz Oberwinkler, Norihiro Shimomura, Nitaro Maekawa & Seiji Tokumasu (2013): Combined molecular and morphological data for improving phylogenetic hypothesis in Dacrymycetes, Mycologia, 105:5, 1110-1125, DOI: 10.3852/12-147

Hier ein paar wenige Teilaspekte dieses Papers:

"Ditiola" radicata bildet zusammen mit Dacrymyces capitatus und Dacrymyces lacrymalis einen eigenen Clade, wobei Dacrymyces capitatus die Schwesterart ist. Und Ditiola peziziformis hat nichts mit "Ditiola" radicata zu tun. Der weiße Farbton an der Außenseite ist folglich kein Kriterium für Monophylie.

Dacrymyces stillatus und Dacrymyces minor sind demzufolge interessanterweise Geschwisterarten, die aber innerhalb der Gallertränen s.l. entfernt von der anatomisch auch ähnlichen Dacrymyces-capitatus-Gruppe stehen. Das "bestätigt" zumindest meine Probleme, zwischen beiden sauber trennen zu können (abgesehen von der Nebenfruchtform).

Dacrymyces punctiformis gehört wiederum nicht zu Dacrymyces, sondern in eine andere Familie, und zwar den Cerinomycetaceae.

Dacrymyces unisporus fällt aus den Dacrymycetales raus und erhält eine eigene Ordnung. Alles fließt... das System ist noch alles andere als stabil.

Der Stammbaum basiert auf einer Multigenanalyse: D1D2, 18S, ITS und rpb2.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Beorn am 8. Mai 2018, 19:41
Hallo, Christoph!

Danke für das Update, aber sowas in der Art war ja absehbar. Zumindest die "Gallerttränen" machen ja so oder so keine homogenen Eindruck. Ob's nun morphologisch schlüssiger wird... Mal gucken.  :)


LG; Pablo.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Trino am 1. März 2019, 10:22
Ein sehr interessanter Artikel danke Christoph, und übrigens seid 120 Tagen nichts mehr hier geschrieben? Sind uns die Gallerttränen aus gegangen ;-) ?

Gut ich hätte jetzt auch eine Dacrymyces die als D. stillatus bestimmt worden ist (In FB von B. Wergen), die möchte ich hier auch noch vorstellen, ich entschuldige mich schon mal das die Dokumentation womöglich lückenhaft ist aber ich habe mich mit Gallerttränen nie wirklich beschäftigt.

Der Fund ist von 16.02.2019 aus der Ohligser Heide, Oberseite eine Kiefern Stamm.

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20198)

Keine Schnallen und keine Dikaryophysen gesehen.

Basidien

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20200)

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20204;image)

Sporen, die Septen sind verdickt, und die Maße passend.

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20202;image)

Ich werde mich ein bisschen mehr mit den Tränen beschäftigen dem nächst vorausgesetzt ich finde welche.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 4. März 2019, 02:27
Lieber Mario,

erstmal herzlich willkommen hier bei uns im BMG-Forum!

120 Tage... ja, das wird (leider) bei manchen Threads immer wieder mal passieren. Hier liegt es, was mich betrifft, an dem extrem trockenen Jahr 2018, weshalb ich in der Hauptsaison keine Gallerttränen gefunden / untersucht habe. Und im Winter hatte ich leider keine Zeit *grummel*.
Was aber der Vorteil dieser Sammelthreads ist: man kann sie jederzeit reaktivieren und aktualisieren. Über den Index (https://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1531.0.html) findet man die Threads auch schnell wieder, wenn sie zu weit runtergerutscht sind.

Was Dacrymyces stillatus s.str. angeht, schwimme ich - ganz ehrlich gesagt - ohne Nebenfruchtform. Fehlt die komplett, muss man immer auf Dacrymyces minor achten. Ich folge da primär der Dissertation von Göttel, die Dacrymyces minor auch mit dicken Wänden kennt.
Ich meine, Dacrymyces stillatus ohne Nebenfruchtform an den kurzzelligen, dickwandigen, sterilen Elementen im Hymenium zu erkennen:
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17070;image)

Am sterilen Fruchtkörperrand müssten diese Strukturen zu sehen sein:

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=17346;image)

- also kurz septierte Haare an der Außenseite.

Das Problem ist, dass diese schnallenlosen Gallerttränen ziemlich merkmalsarm sind. Und die Dicke der Sporensepten schwankt offenbar sehr. Daher kann ich rein vom den Fotos ausgehend die Bestimmung nicht bestätigen. Es empfiehlt sich, typische Dacrymyces stillatus mit Nebenfruchtform zu sammeln, um dort nochmal die definitiv richtig bestimmte Probe als Abgleich anzusehen. Ich finde dann immer wieder diese sterilen Elemente im Hymenium. Allerdings ist meine Probenzahl auch nicht sehr hoch, weshalb ich die Variabilität auch nicht abschätzen kann.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Trino am 16. März 2019, 18:36
Hallo zusammen,

hier habe ich eine gestielte Gallertträne die ich vorsichtig als D. capitatus bestimmt habe. Der Fund ist von Heute 16.03.2019 aus einen Buchen mischwald, das Substrat war ein Entrindeter Ast, Buche oder Hasel.

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20274;image)

Die Fruchtkörper sind sehr Jung daher hatte ich Probleme überhaupt reife Sporen zu finden. Auch habe ich beim ersten Fruchtkörper nicht mal reife Basidien finden können.

Schnallen gab es keine und meiner Meinung nach auch keine Dikaryophysen und wenn überhaupt dann sahen die aus wie längere Basidien (Ich denke aber es waren keine). Aufgefallen ist mir das die Hyphen teilweise Behaart (Fein stackelig) sind.

Die Sporen sind etwas klein, wobei möglicherweise daran liegen kann das die noch nicht ganz reif sind, jedenfalls sind die meistens unseptiert oder einmal septiert. Natürlich gab es auch ein paar die 3 fach septiert sind, die Septen sind sehr dünn fast unscheinbar.

So hier erstmal ein paar Bilder.

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20276;image)

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20278;image)

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=20280;image)

Übrigens in der Schlüssel was ich habe steht Basis mit dickwandige Hyphen ist es immer noch aktuell? Oder hat sich da auch wieder was geändert.

Gruß Mario
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 17. März 2019, 15:19
Lieber Mario,

sind die Sporenmaße verlässlich oder noch zu klein, weil die Fruchtkörper so jung sind?
Dass der Pilz in die Dacrymyces-capitatus-Ecke gehört, ist klar. Nur ist die Abgrenzung zu Dacrymyces lacrymalis nicht so klar. Ich kenne Dacrymyces capitatus größersporig, während D. lacrymalis kleine Sporen haben soll (dafür aber nicht gestielt).

Was dieses "Spines" an den Hyphen angeht - das ist mir schon mehrfach aufgefallen, ich kann aber nicht sagen, ob das bei allen vorkommen kann oder etwas aussagt. Es ist aber völlig richtig und sehr gut, auf solche Details zu achten.

Das ganze Dacrymyces-stillatus-Aggregat gehört sauber aufgearbeitet - inklusive Genetik.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Trino am 17. März 2019, 15:58
Hallo Christoph,

das die Sporen etwas klein sind liegt daran das die Fruchtkörper noch jung sind, würde ich das mal so sagen. Ich habe hier noch was stehen mal sehen ob die weiter reifen.
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Trino am 21. März 2019, 19:51
Hallo Christoph,

Zitat von: Trino am 17. März 2019, 15:58

das die Sporen etwas klein sind liegt daran das die Fruchtkörper noch jung sind, würde ich das mal so sagen.

Puste Kuchen die Sporen sind, so klein und ich meine auch das jetzt sogar Dikaryophysen aufgetaucht sind, siehe Bilder.

Es hat zwar ein paar Tage gedauert aber die Fruchtkörper sind doch noch zur Reife gekommen, die Sporen sind definitiv mit 3 Septen gewesen, ich halte die immer noch für dünnwandig, was meinst du dazu? Mit meine Schlüssel komme ich jetzt nicht mehr weiter.

Liebe Grüße
Mario
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 21. März 2019, 20:10
Servus Mario,

interessant, wenn die Sporen wirklich so klein sind. Die unauffälligen, unverzweigten Dikaryophysen passen allerdings gut - dann die schnallenlosen Septen...

Kurz gesagt - es ist sicher etwas aus dem unübersichtlichen Dacrymyces-capitatus-lacrymalis-Aggregat. Hier hat aber so gut wie jeder Autor eine andere Artauffassung, was zu widersprüchlichen Aussagen hinsichtlich der Sporenmaße führt.

Ich kann dir gerne Dacrymyces-Literatur zusammenstellen, damit du selbst, wenn du magst, dir die unterschiedlichen Auffassungen anschauen / nachlesen kannst. Am liebsten folge ich der Dissertation von Göttel, da sie am ausführlichsten beschreibt und ein Artkonzept im mitteleuropäischen Sinn fährt. Sie hat aber nur eine kleine Auswahl an Arten untersucht. Jedenfalls ist deine Aufsammlung nicht Dacrymyces capitatus ss. Göttel.

Spannend, aber einen Namen kann ich im Moment leider nicht nennen. ;-) Danke für die Dokumentation dieser Kollektion. Bitte unbedingt einen Beleg machen! Vielleicht tut sich ja demnächst was und es kommt möglicherweise eine moderne Bearbeitung raus (es wird momentan an Dacrymyces in Europa geforscht).

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Trino am 21. März 2019, 22:01
Soll ich Sie einfach Trocknen? Schnell, langsam? Literatur ist immer willkommen, ich denke ich werde mir hin und wieder Dacrymyces mit nehmen und untersuchen.

Liebe Grüße
Mario
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 21. März 2019, 22:04
Servus Mario,

genau, einfach trocknen. Man findet die Fruchtkörper später wieder - man kann den Beleg auch wieder in Wasser einweichen. Du kannst den Ast einfach trocknen lassen. Ist die Dacrymyces weggetrocknet, dann lege ich den Ast meist doch noch auf den Dörrex, damit keine Restfeuchtigkeit mehr enthalten ist. Die Gallertträne selbst ist an Austrocknung ja angepasst, weshalb man sie erstmal auch so trocknen kann.

Schick mir einfach als PN hier oder im Parallelforum deine Mailadresse. Dann schicke ich dir die Literatur.

Ist ja gar nicht nötig, du hast sie ja im Profil stehen ;-)

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Felli am 16. Juni 2020, 00:37
Servus,
Ich hätte da etwas das mit einer Gallertträne zu tun hat. ;)
Auf einem Fichtenstumpf wuchsen diese Gesellen.

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=25746;image)

Als erste legte ich die Gelbe unters Mikro, und wie sollte es anders sein - total unreif, aber mit schnallenlosen Hyphen und den typischen Basidien möglicher Weise D. stillatus.
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=25748;image)

Als nächste kam die Blasse daneben dran.

Hier fand ich ausser diesen Konidien
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=25752;image)

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=25754;image)
mit Kresylblau angefärbt
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=25756;image)

auch  Tremella-Basidien und Asci.
In Kongorot
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=25750;image)

Leider waren sehr wenige Strukturen vorhanden die auf die Art des Fruchtkörper´s schliessen lässt.

Nun habe ich zwei Probleme. Diese beziehen sich auf die Basidien und Asci.
1. Sind die hellen Fruchtkörper nun Dacrymyces oder Tremella?
- wenn es Dacrymyces -Fruchtkörper sind, wären sie mit 2 Parasiten befallen.
Einmal mit Helicogonium und zum Zweiten mit einer Tremella cf. obscura oder so was.
2. Sind die Hellen eine Tremella -Art, wären Diese mit dem Helicogonium befallen.

Nun die Hauptfrage:
Wie kann ich eine strukturlose Dacrymyces von einer Tremella unterscheiden
wenn man die Basidien nicht kennen würde bzw. nicht da wären?
Wäre wichtig um den Helocogonium zu benennen.

Hoffe ihr könnt mir helfen

Grüße
Felli
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 20. Juni 2020, 13:24
Lieber Felli,

Gallerttränen sind recht häufig von Tremellen befallen und sind dann oft auch so milchig-blass. Es kann auch sein, dass die Gallertträne keine eigenen Sporen bildet, sondern nur die Tremella (z. B. Tremella obscura, wie du ja auch schreibst).
Im Fall von Dacrymycees stillatus s.l. ist es recht einfach, denn Tremella obscura hat Schnallen, Dacrymycees stillatus s.str. keine Schnallen.
Eine sorgsame Analyse sollte daher eindeutig zeigen, ob die Basidien und die Fruchtkörpermasse von einer oder zweei Arten stammt. Ich würde vermuten, dass es eigentlich eine Gallertträne ist, die von der Tremella befallen ist. Dass dann eine dritte Art als Hyperparasit dazu kommt, ist a super spannend.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Jonny70 am 30. Mai 2021, 12:52
Hallo zusammen,

letzte Woche Habe ich einen Laubholzast, ich meine es war Esche mit Propolis_farinosa darauf gefunden.
Nachdem ich das Ästchen zum Befeuchten hingelegt hatte, sind nach ein paar Tagen kleine weiße bis ockerfarbene Flecken entstanden.
Beim Mikroskpoiren haben sich "Stimmgabelbasidien" gezeigt. Ich denke mal Richtung "Dacrymyces"
Beschreibung: Heller Belag  mit ca. 0,2 -1mm großen zusammenwachsenden Einzelfruchtkörper.
Basidiosporen unseptiert. Sporen[95% • 13 • QPr • v • Kongo H2O] = (10,9)11 - 12,4 - 13,8 x 4 - 4,9 - 5,9 µm  Qm = 2,5.
Schnallen an den Septen.

Nach dem Schlüssel von Göttel lande ich bei Dacrymyces_enatus, die Beschreibung pass meiner Meinung ganz gut, leider kann ich die Mikrozeichnungen nicht nachprüfen, da bei meinem nicht so guten Scan der Arbeit, ausgerechnet die Seiten um 208 bis 211 sind kaum zu lesen. :(
Was ist eure Meinung dazu?
Im Anhang ein paar Bilder dazu.
Vielen Dank ein schönes Wochenende und herzliche Grüße
Dirk
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Christoph am 31. Mai 2021, 00:21
Servus Dirk,

es gibt nicht viele Arten, die in Frage kommen. Du hast Schnallen und du hast Dikaryophysen (sieht man auf den Fotos).

Dacrymyces paraphysatus hat deutlich größere und dickwandigere Sporen mit drei Septen, fällt also schonmal raus.
Dacrymyces macnabbii hat offene Medallonschnallen und wächst an Nadelholz und fällt auch raus (siehe Anfang des Threads)
Dacrymyces tortus/punctiformis wächst auch an Nadelholz und hat schmalere, längere Sporen, fällt also raus

Für Dacrymyces enatus sind die Dikaryophysen, die ich meine zu sehen, schon sehr gewunden und recht weit untern schon mit kurzen Seitenästen auftretend:

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=28176;image)

Ich habe hier mal drei markiert - mit Pfeil und Haken: so sollte es sein. Die ganz links blau umrandete liegt einzeln im Präparat - vielleicht interpretiere ich sie falsch, sieht aber nach einer klar in der Mitte verzweigten Dikaryophyse aus. Die dritte, die nicht komplett umrandet ist, ist auch nicht nur apikal etwas verzweigt, sondern schon auf Höhe von 2/3 der Länge, was mich jetzt nicht so stören würde.

Typischerweise ist Dacrymyces enatus ocker bis ockerbraun gefärbt, woran man sie gut makroskopisch erkennen kann. Gernot und Pablo haben jeweils eine Kollektion mit Makro- und Mikrobildern in diesem Thread hier vorgestellt. Vergleich mal damit.

Ich kann makroskopisch also nichts dazu sagen - weiß, dann ocker klingt zumindest nach ocker, weiß nach noch viel zu jung.
Ob die Sporenmaße beim Nachreifen schon stimmen, ist die Frage. Die Literatur widerspricht sich in der Größe - Reid  (1974) – A monograph of the British Dacrymycetales – gibt sie mit 9,75-11 x 3,5-3,75 µm deutlich kleiner an als Göttel oder andere Arbeiten.

Mir fällt keine andere, passende Art ein. Insofern widerspreche ich nicht. Ist halt noch sehr jung und nachgereift... Ich würde an deiner Stelle aber nochmal speziell nach Dikaryophysen im Hymenium suchen und die "sammeln" (Fotocollage), um zu sehen, wie sie typischerweise aussehen. Vielleicht hat ja auch das Nachreifen bei dehr hoher Luftfeuchtigkeit zu mehr Knorrigkeit geführt oder ich habe die wenigen am Foto nicht richtig interpretiert.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen
Beitrag von: Jonny70 am 31. Mai 2021, 21:28
Hallo Christoph,

vielen Dank für deine rasche und ausführliche Antwort.
Ich habe eben noch mal nachmikroskopiert und ich hoffe ein paar brauchbare Dikaryophysen gefunden zu haben. Die Bilder füge ich auch an.
(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=28220)

(https://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1652.0;attach=28222)

Die Mikroaufnahmen von Gernot und Pablo gleichen den von mir schon sehr, leider habe ich die klassichen wie von Gernot gezeigten Dikaryophysen nicht ablichten können. Ich könnte mir auch vorstellen, dass manche Enden auch dreifach gegabelt sein könnten.

Was nicht passt ist die Farbe. die wachsen bei mir auch nicht weiter und es kommen auch keine weiteren hinzu.
Ich werde aber trotzdem den Fund als Dycrymyces_enatus ablegen.

Nochmals danke für deine Unterstützung.

Herzliche Grüße

Dirk