Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Expertenforum Mykologie => Thema gestartet von: Christoph am 7. Dezember 2011, 19:08

Titel: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Christoph am 7. Dezember 2011, 19:08
Hallo zusammen,

ich habe neulich einen Vortrag bei der NHG Nürnberg gehalten, in dem es u.A. um die hellen stinkenden Ritterlinge (Unverschämter, Lästiger, Strohblasser Ritterling und Konsorten) ging. Ich habe daraus mal eben einen rein makroskopischen Hilfsschlüssel der häufigsten Arten ausgearbeitet, den ich hier vorstellen möchte.

Die Mikromerkmale, insbesondere Schnallenhäufigkeit und - verteilung, sind natürlich nach Möglichkeit nachzuprüfen. Es dürfte auch noch lange nicht das letzte Wort in dieser Formgruppe gesprochen worden sein (weitere Taxa?). Gerne wird hier nur grob bestimmt, da sich alle so ähnlich sehen. Es gibt aber - wie ich finde - gute Unterscheidungsmöglichkeiten. Wichtig ist übrigens der Geschmack (mild bleibend oder nach längerem Kauen scharf werdend) - meine ich jedenfalls. es würde mich freuen, wenn mehr Leute dieses Merkmal überprüfen würden. Falls es nicht konstant ist, muss ich den Schlüssel natürlich hier nachbessern.
Bezüglich der Geruchsangaben: allen genannten Arten ist ein gewisser, gasartiger Zusatzgeruch eigen (mal mehr, mal weniger deutlich); daher wird dies bei Geruchsangaben, die z.B. Blütengeruch angeben, immer automatisch mit unangenehmer Gaskomponente angenommen und nicht eigens erwähnt!

So, genug der Worte, hier ist der Schlüssel:


Makroskopischer Hilfsschlüssel zu weißlichen, ,,stinkenden" Ritterlingen


1 Geschmack mild – auch nach längerem Kauen nicht scharf werdend, aber mitunter unangenehm (z.B. kohlartig) werdend .................................................. 2
1* Geschmack nach längerem Kauen scharf oder bitter-scharf werdend ......................... 5

2 Lamellen dicht stehend; Fruchtkörper auf Druck kräftig gilbend ...................... Tricholoma sulphurescens
2* Lamellen entfernt stehend, Fruchtkörper nicht gilbend ................................ 3

3 relativ schmächtige Art des Nadelwaldes; Hut gerne hellbräunliche Töne annehmend, immer mit kleinem, breiten Buckel oder kegelförmig...................................... Tricholoma inamoenum
(Anmerk.: diese Art ist sehr einfach anatomisch bestimmbar, da sie auffallend große und zudem dickwandige Sporen aufweist (10-12 x 6-7,5 µm)) Geruch erst nach falschem Jasmin, später nach Leuchtgas; Geschmack mild, kohlartig, in montanen Nadelwälder unter Fichte häufig
Bem.: Es soll auch eine kleinsporige Sippe aus dem Nadelwald geben – daher immer mikroskopieren, wenn möglich!

3* kräftigere Arten des Laubwaldes; Hut ohne zentralem Buckel und eher flach ausgebreitet, nicht kegelförmig ................................ 4

4 Fruchtkörper zumindest nach längerem Liegen grauend, schmutzig verfärbend (Geschmack dann allerdings scharf, aber vielleicht durch zu kurzes Kauen nicht bemerkt oder – was in der Literatur erwähnt wird, ausnahmsweise nur bitter, nicht scharf) ........................................... 6
4* Fruchtkörper auch nach langem Liegen nicht grauend ...................................... Tricholoma lascivum
Geruch nach falschem Jasmin oder auch nach Orangenblüten, nicht ausgesprochen leuchtgasasrtig; Geschmack mild bis mehlig-bitterlich; Laubwald, gern bei Buchen (wenn Hutrand gerippt und Lamellen dichter stehend – vgl. bei Tricholoma pseudoalbum)

5(1*) Fruchtkörper zumindest nach längerem Liegen grauend, schmutzig verfärbend; Hutrand nicht oder nur angedeutet gerippt; Lamellen entfernt stehend ......................................... 6
5* Fruchtkörper auch nach langem Liegen nicht grauend; Hutrand meist deutlich gerippt, Lamellen dicht stehend ............................................................................ Tricholoma pseudoalbum (= Tr. stiparophyllum ss. auct.)
Geruch sehr stark, nach Insektiziden (Lindan), etwas süßlich, gemischt mit Staub und Erde; typisch und häufig bei Birke und/oder Eiche, nach Literatur auch an anderen Laubbäumen

6 Fruchtkörper schmächtig, Lamellen auffallend entfernt stehend und Hut gern mit hellbräunlichen Tönen (also ähnlich wie Tr. inamoenum, aber nicht so deutlich gebuckelt); Fruchtkörper auf Druck rasch dunkel grauockerlich fleckend; Geruch nach Holunder; Laubwald .......... Tricholoma album var. thalliophilum
6* Fruchtkörper kräftig, Lamellen mittel-entfernt, Hut mehr weiß, gerne aber Hutmitte mit blass bräunlichen Tönen; Fruchtkörper erst nach langem Liegen grauend (z.B. gut bei Pilzausstellungen am zweiten/dritten tag zu erkennen); Geruch mehr obstartig, mit Mehlkomponente, angeschnitten nach Hyazinthen; Laubwald ................................ Tricholoma album var. album

Die Formatierung ist hier im Forum nicht einfach - ich hoffe, man kann den Schlüssel dennoch lesen (hängt auch von der Bildschirmauflösung ab, wie umgebrochen wird...)
Liebe Grüße und viel Spaß mit dem Schlüssel
Christoph
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: UdoA am 7. Dezember 2011, 19:28
Danke Christoph!

Ich habe mir den mal gleich auf meine Festplatte gezogen und werde ihn bei Gelegenheit testen.

Beste Grüße Udo
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Christoph am 8. Dezember 2011, 00:25
Bitte sehr, immer gerne!

Natürlich ist jetzt nicht mehr die beste Zeit für Ritterlinge (von den Erdritterlingen vielleicht mal abgesehen). Falls Du nächstes Jahr den Schlüssel verwendest, wäre ich über Rückmeldung natürlich dankbar.

LG
Christoph
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: UdoA am 8. Dezember 2011, 09:36
Hallo Christoph,

ich werde es versuchen  ;)

LG Udo
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Gernot am 8. Dezember 2011, 17:12
Hallo Christoph,

vielen Dank für den Schlüssel! Die weißen Ritterliche können einem schon Kopfzerbrechen bereiten, so unterschiedlich sind die Darstellungen in der Literatur.
Ich hab in einem Kalkbuchenwald mit einzelnen Waldkiefern mal zahlreiche Fruchtkörper eines auffälligen Stinkritterlings gefunden, die ich bis heute nicht einordnen kann. Der Geruch war äußerst intensiv und unangenehm (da konnte ich keine fruchtige Komponente erkennen, irgendwie war's eine Mischung aus Leuchtgas und Schweiß). Die Fruchtkörper haben sowohl orange gefleckt als auch deutlich gegraut. Am ehesten hat mich die Art an T. sulfurescens erinnert, aber die riecht ja nicht so intensiv. Ist dir etwas Ähnliches schon mal über den Weg gelaufen? Gekostet hab ich leider nicht.

Schöne Grüße
Gernot
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Christoph am 8. Dezember 2011, 17:33
Servus Gernot,

schade, dass Du nicht reingebissen hast! Was spricht denn außer dem Geruch gegen Tricholoma album var. thalliophilum? Der braune Hut passt auch ganz gut, die Lamellen stehen auch relativ auseinander. Das Grauen spricht dafür. Das Ockerflecken ginge für dieses Taxon auch in Ordnung, wobei ich wegen der Gelbkomponente Tr. sulphurescens anatomisch vergleichen würde (müsste aber deutlicher gelb werden und hätte u.A. dicht stehende Lamellen).

Liebe Grüße
Christoph
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Gernot am 8. Dezember 2011, 18:43
Servus Christoph,

danke für deine Meinung! Zu T. album var. thalli(o)philum (was ist denn die korrekte Schreibweise?): Ich dachte immer, dass sich diese Varietät von der var. album nur durch unterschiedliche chemische Reaktionen unterscheidet. Gibt es Literatur zu var. thalli(o)philum, die auch makroskopische Unterschide behandelt? Von der Beschreibung in deinem Schlüssel her passt das aber schon recht gut.

Schöne Grüße
Gernot
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Christoph am 8. Dezember 2011, 20:23
Servus Gernot,

ups - mein Fehler! Hatte das o unterschlagen... Im Tricholoma-Schlüssel von Marcel Bon wird auf die makroskopischen Unterschiede hingewiesen (ich habe mich darauf gestützt, da ich diese Varietät noch nicht in Händen hatte). Ein bisserl steht auch hier: http://projet.aulnaies.free.fr/Florules/TRICHOLOMATALES.pdf (ohnehin eine interessante Quelle) - dort wird auch erwähnt, dass diese Varietät auf neutralen Böden wachsen soll (Tr. album ss.str. auf saurem Boden). Ich bin gespannt, welches Artkonzept sich auf Dauer durchsetzen wird.

LG
Christoph
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Gernot am 9. Dezember 2011, 07:38
Servus Christoph,

danke nochmals. Ich werde die Fundstelle im Auge behalten und bei erneutem Erscheinen der Pilze mal ins sie hineinbeißen (wobei das nicht besonders leicht fällt, bei dem unangenehmen Geruch). Diese Arbeiten von Alain Gerault sind wirklich sehr interessant und umfangreich!

Schöne Grüße
Gernot
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Christoph am 9. Dezember 2011, 13:45
Hi Gernot,

keine Sorge, ich beiße seit längerem in jeden weißen Stinkritterling hinein. Der Geschmack ist nicht so tragisch... Geht problemlos. ^^

LG
Christoph
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: bwergen am 26. Dezember 2011, 02:03
Zitat von: Christoph am  8. Dezember 2011, 17:33
Das Grauen spricht dafür.

Das Grauen naht :D

Christoph, ich hab mir den Schlüssel ebenfalls in ein Dokument gepackt und werd das nächstes Jahr testen, denn mir sind in den letzten Jahren zahlreiche weiße "Stinkritterlinge" über den Weg gelaufen und es ist lästig zu sehen, dass die Literatur da mehr verwirrt als den aufklärt.

Ich glaube, ich hab den Ritterling von Gernot dieses Jahr auch gesehen, der sah auch so aus und hat ganz gewaltig geduftet, nach was auch immer. Werd ihn im nächsten Jahr hier reinstellen, falls er nochmal auftaucht.

lg björn
Titel: Re: Makroskopischer Schlüssel zu den "weißen", stinkenden Ritterlingen
Beitrag von: Christoph am 21. Januar 2012, 23:12
Servus Björn...

Zitates ist lästig zu sehen, dass die Literatur da mehr verwirrt als den aufklärt.

Ganz genau das ist das Problem. Wenn sich die verschiedenen Autoren mal einig würden, wäre es wohl einfacher. Aber das geht natürlich nicht so schnell, da ja vermutlich nicht alle Arten sauber typisiert sind.

Ich bin gespannt auf (bzw. wäre dankbar für) Ergebnisberichte, was den Schlüssel angeht, da er ja auch nur ein Versuch ist (und sich auch auf Literaturinfos stützt - neben eigener Felderfahrung, die aber nicht für einen wirklich eigenen Schlüssel reicht).

LG
Christoph