Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Pilzberater und PSV => Thema gestartet von: Christoph am 30. September 2021, 16:45

Titel: Warnung vor dem Verzehr der Riesenlorchel als möglicher Auslöser von ALS
Beitrag von: Christoph am 30. September 2021, 16:45
Servus beinand,

ALS (amyotrophic lateral sclerosis) ist eine grausame Erkrankung. Bekannt wurde diese Krankheit unter anderem durch Stephen Hawking, der an einer milden Ausprägung litt, die ihn dennoch erst fast vollständig und dann komplett lähmte. Angegriffen werden die Motoneuronen, die Neuronen der Schmerzleitung hingegen nicht. Das bedeutet, man wird gelähmt, weil Muskeln nicht mehr innerviert werden können, man ist aber in den gelähmten Bereichen nicht taub, sondern spürt alles von Jucken bis Schmerzen (z. B. durch Wundliegen).

Heuer kam ein Artikel heraus, der gehäufte Fälle von AMS in einem kleinen Dorf in Frankreich untersucht. Ich habe die Studie nicht komplett einsehen können, sondern nur das Abstract gelesen:
Lagrange E, Vernoux JP, Reis J, Palmer V, Camu W, Spencer PS (2021): An amyotrophic lateral sclerosis hot spot in the French Alps associated with genotoxic fungi. Journal of Neurological Sciences 427: 117558;  DOI:https://doi.org/10.1016/j.jns.2021.117558

ALS ist eine sehr seltene Krankheit. Es ist aber auffällig, dass in einem kleinen, französischen Bergdorf gleich 14 Fälle dieser Krankheit zwischen 1990 und 2018 aufgetreten sind. Die Studie schließt genetische Ursachen für ein erhöhtes Auftreten von ALS in dem Dorf jedoch aus. Bei der Suche nach Gemeinsamkeiten der Fälle wurde unter anderem der Gebrauch von Tabak gefunden. Da aber unter Rauchern das ALS-Risiko nicht erhöht ist, fällt dies als Auslöser weg. Eine weitere Gemeinsamkeit war eine hohe körperliche Fitness, was auch nicht als Risikofaktor für ALS gilt.
Weitere Recherchen ergab, dass die Betroffenen offenbar Riesenlorcheln als Speisepilze gesammelt und verzehrt haben. Die Analyse der erhobenen Daten ergab dies als möglichen, erklärenden Faktor, zumal wohl bei der Hälfte der Betroffenen die ersten Krankheitssymptome nach dem Verzehr von Gyromitra gigas auftraten. Die Autoren schließen daraus, dass pilzliche Genotoxine, also mutagene Inhaltsstoffe, für das Auslösen der ALS verantwortlich sind.

In Finnland werden Giftlorcheln (Gyromitra esculenta s.l.) ja immer noch von Vielen verzehrt. Ich wüsste jetzt nicht, dass Finnland eine erhöhte Rate an ALS-Fällen hat. Vielleicht betrifft dies dann wirklich nur die Riesenlorchel.

Man kann eh nur abraten, Kostversuche in der Gattung Gyromitra zu machen. Dieser Artikel bestätigt eigentlich nur, dass Gyromitra-Arten nichts im Kochtopf verloren haben. Vielleicht wird der Zusammenhang ALS mit Riesenlorcheln ja weiter erforscht, sodass man irgendwann näheres weiß (Bestätigung über Wirkursachen oder Entwarnung). Bis dahin sollte m.E. gelten: auch Rieselorcheln isst man nicht.

Liebe Grüße,
Christoph