Rötender Birkenpilz? Leccinum Oxydabile?

Begonnen von Michael Stüben, 29. September 2020, 20:40

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Michael Stüben

Hallo Christoph,

Puh, das hört sich ja wahnsinnig kompliziert an. leider habe ich davon absolut keine Ahnung. ???

Klassisch hört sich gut an. Dann schicke ich dir meinen vermeintlichen Oxydabile zusammen mit Shistophilum vorbei.

Ich versuche noch ein paar mehr Proben zu nehmen. Ich habe auch ein paar Exemplare gefunden, die vielleicht zum Moor-Birkenpilz passen könnten. Ich muss an der Stelle nochmal vorbeischauen. Aber der Verdacht ist noch relativ unsicher.

Ich warte dann solange, bis du aus dem Umzugsstress raus bist.

Liebe Grüße Michael

Christoph

Lieber Michael,

das Hauptproblem ist, dass die ITS-Region bei Leccinum nicht wirklich greift. Die wurde durch einen Mikrosatelliten zerschossen. Nimmt man den nicht verwendbaren Bereich raus, dann bleibt zu wenig übrig bzw. ein eher konservativer Teil der ITS, sodass Artunterscheidung nur bei recht weit entfernten Arten möglich ist.

Es sieht so aus, als müsste an einen Ansatz über mehrere Gene fahren - und das ist aufwendig. Da kann ich leider mangels Möglichkeiten nicht helfen. Die ITS wäre aber relatriv witzlos. Und die LSU alleine reicht nicht. Ich kann mir die Belege aber gerne klassisch anatomisch anschauen. Zusammen mit den Fotos kann ich gerne eine genauere Bestimmung versuchen.

Noch bin ich beim Auspacken vieler Umzugskartons. Bald bin ich aber wieder voll einsatzfähig - @Michael: ich gebe dann einefach Bescheid.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Michael Stüben

Hallo Bernd,

das wäre natürlich eine gute Idee. Leider habe ich selber nicht die Möglichkeit dafür.
Ich wollte mir erst die Meinung eines echten Experten einhohlen, um zu sehen, ob diese Merkmale vielleicht nicht doch anders zu erklären sind und man gar nicht auf die Genanalyse zurückgreifen muss.
Wenn Christoph Interesse hat und sich bei meinen Exemplaren nicht sicher ist, würde ich ihm gerne die Exemplare zuschicken und die Analyse machen lassen. Das wäre natürlich sehr spannend.

Liebe Grüße Michael

Bernd Miggel

Hallo Michael und Christoph,

mal ganz provokativ gefragt: wenn man so einen interessanten Fund hat und die Bestimmung vielleicht nicht ganz klar ist, warum lässt man dann nicht die Gensequenz bestimmen und macht einen Vergleich mit einer der Gendatenbanken (GenBank, Unite)?

Herzliche Grüße - Bernd

Michael Stüben

Auf den Bildern 1-8 ist das erste und größte Exemplar,
9-12 das ganz junge und nach ein paar Tagen nochmals fotografierte
und 13-17 mein neuester Fund von einer anderen Fundstelle zu sehen.

Also ich habe mir auch nochmal mehrere Bilder von Scabrum angeguckt und denke auch, dass meine beschriebenen Merkmale dazu passen können. Diese sind mir nur noch nie wirklich aufgefallen, da ich dieses Jahr zum ersten mal so genau hinschaue. Es ist teilweise ganz schön schwierig die Raufüße nur von außen ohne Querschnitt zu unterscheiden. Ich werde auch mal versuchen genauer auf den Hut und die Stielschuppen zu achten. Variicolor scheint mir noch am einfachsten hervorzustechen. Wober es da ja auch wieder, wie du beschrieben hast, besondere Formen geben kann...

Wenn die Gelbfärbung durch andere Umstände wie Bakterien etc. zu erklären ist, fällt diese Besonderheit ja quasi weg.
Das leicht rosa-rötliche Anlaufen nach dem Querschnitt scheint ja bei Scabrum auch vorzukommen. Meine Bilder geben diese Farbe auch relativ Farbecht her. Für eine besondere Art ist diese wohl wie du sagtest nicht stark genug ausgeprägt.
Das einzige was noch überblieb, wäre der blutrote Farbton in der Stielbasis. Da würde mich interessieren, ob dieses bei Scabrum auch so ausfallen kann.

Bei dem von mir getrockneten Exemplar, das auf den Bildern 13-17 zu sehen ist, tauchte auch noch ein deutlich zu sehender Rotton in der Stielbasis im Querschnitt auf, der direkt in der gelben Verfärbung ist. Vielleicht haben sie ja den gleichen Ursprung. Davon kann ich gerne auch noch Bilder machen.

Ansonsten sieht es wohl so aus, als hätte ich ganz einfach Scabrum vor mir gehabt und ich habe mich durch den etwas vagen Eintrag über L. Oxydabile iritieren lassen.

Auf jeden Fall sollte ich diesem leichten röten im Querschnitt wohl nicht mehr so viel Beachtung geben wie vorher.
Bei Melaneum muss ich auch nochmal genauer hinschauen. Ich habe lediglich Birkenpilze beobachtet, die teils einen deutlich dunkleren Hut haben als andere. Ich bin mir aber nicht sicher, inwiefern dies mit dem Sonnenlicht zu tun hat, dass die Hüte von Pilzen häufig heller oder dunkler erscheinen lässt.
Das beste Beispiel ist hier wohl der Fichtensteinpilz, bei dem die Hutfarbe je nach Standort auch von hell- bis dunkelbraun variieren kann.

Ich hoffe in meinem garten schießen noch ein paar schöne Exemplare hervor. Dann guck ich nochmal und mache ein paar Bilder.

Christoph

Servus Michael,

nur am Foto ist es natürlich schwierig... Die ersten beiden Fotos erinnern mich stark an Leccinum variicolor, v.a. wegen der kleinen Buckel auf dem Hut. L. variicolor ist gerne so uneben.
Lannoy & Estadès haben z. B. einen Leccinum variicolor fm. sphagnorum beschrieben, das einen einheitlich braunen Hut hat (und nicht dieses klassische Graue mit hellen Flecken) - bei dieser Form gibt es auch keine grünen Töne in der Stielbasis.
Wenn der geschnittene Stiel mit dem Gelb in der Stielbasis dazu gehört: dieses Gilben tritt bei allen möglichen Arten mal auf. Ich vermute einen Fremdbefall dahinter (Bakterien? Viren?)

Wenn du die Fotos beschriftest oder nummerierst (und dann die Nummern den Kollektionen zuordnest), fällt es leichter, zu einem bestimmten Foto etwas zu schreiben und man sieht, wo welche Kollektion beginnt bzw. aufhört.

Der zweite Pilz - ab Bild P1130849(?)  sieht sehr nach Leccinum scabrum aus. Ein zartes Rosaverfärben würde mich da nicht stören. Manche Autoren schmeißen ja auch Leccinum roseofractum und L. scabrum zusammen - dann wäre das Röten ohnehin so variabel, dass es als Merkmal alleine nichts taugt. Vielleicht hat er auch mehr gerötet, als ich meine, auf dem Foto sehen zu können.

Oder es ist auch ein Leccinum variicolor fm. sphagnorum - aber dafür sehe ich die Huthaut nicht gut genug. Man müsste mikroskopieren, um die Art richtig einzusortieren - bei L. scabrum wären die Zellen der HDS-Hyphen immer langgestreckt, bei L. variicolor s.l. mit vielen bis zumindest immer wieder mal eingestreuten, kurzen, breiten Zellen (Zylindrozysten). Wenn das Röten klarer und deutlicher war, als es mein Computerbildschrim anzeigt, wäre auch das eine Option (und wenn es die gleiche Kollektion wie der erste Pilz ist, dann eh).

Wenn es in Richtung L. scabrum gehen wollte und wenn man sehr stark spalten möchte, dann wäre mir das Verfärben für Leccinum roseofractum viel zu schwach (zumal der nach dem Röten etwas grau verfärbt). Für Leccinum pulchrum passt die Hutfarbe nicht (und es fehlen die hellen Flecken). Leccinum rigidipes hätte auch helle Ausblassungen am Hut.

Der letzte sieht für mich auch wie L. scabrum aus, nur recht dunkel. Leccinum melaneum hätte neben den schwarzen Stielschuppen auch zumindest am unteren Stiel eine dunkelgraue Grundfärbung. Auch hier sehe ich die Fleischverfärbung als "dezent" an.

Leccinum oxydabile wiederum ist als Art bis heute nicht geklärt. Der Typus ist zwar mittlerweile greifbar (ist in St. Petersburg) - ich weiß aber nicht, ob es möglich ist, eine Sequenz herauszuholen. Ich weiß auch nicht, wie gut der Typus erhalten ist, um klassisch zu klären, was es sein könnte. Singer hat seine Interpretation von Leccinum oxydabile im Lauf der Zeit verändert, bis gar nicht mehr klar war, was er meinte. Daher ist der Name, solange nicht am Typus was handfestestes, greifbares an Merkmalen gefunden wurde, als nomen dubium nicht weiter zu verwenden. Daher haben z. B. auch Lannoy & Estadès den Namen nicht aufgegriffen.

Liebe Grüße,
Christoph

Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Michael Stüben

#1
Hallo liebe Pilzgemeinde,
Ich habe heute einen weiteren Raufußröhrling, bei dem ich eure Hilfe brauche.
Nachdem ich letztens ja schon in "Plattform für Pilzfreunde" einen Raufuß vorgestellt habe, bei dem es sich um Leccinum Shistophilum handelte, habe ich hier erneut insgesamt 4 Exemplare von zwei verschiedenen Fundorten im selben Gebiet, die ich euch vorstellen möchte, da die Merkmale auf keine mir bekannte Art passen.

Gefunden habe ich diese im Heide/Moorgebiet.
Die erste Fundstelle war auf einem flachen Damm zwischen zwei Teichen. Dort standen in nächster Nähe Pappeln und Birken. Ein paar Meter weiter auch Eichen und Fichten.
Die Pilze standen sehr nahe am Wasser.
Hier fand ich diese Art zum ersten mal in Form von 2 Exemplaren, die ich in verschiedenen Altersstufen dokumentiert habe. Eines davon erst in ganz jungem Stadium, welches ich habe stehen lassen, um es ein paar Tage später erneut zu fotografieren.

Das andere Exemplar war schon ziemlich groß ca. 25 cm Höhe mit einem Hutdurchmesser von ca. 15 cm.
Für seine Größe fand ich es ungewöhnlich Stämmig und fest, wie eine Rotkappe, nicht wie ein Birkenpilz.

Auf den Fotos fiel mir erst später auf, dass bei den Verletzungen am Stiel eine Rötung auftrat. Beim Querschnitt gab es auch nach längerer Zeit nur eine leichte rötliche Verfärbung.
Die Stielbasis jedoch hatte außen und im Querschnitt einen deutlichen Gelbton, den ich sehr ungewöhnlich fand.

Die zweite Fundstelle war an einer weniger feuchten Stelle bei Kiefern, Birken und Eichen. Dieses mal waren KEINE Pappeln vorhanden.
Dort standen 2 Exemplare, von denen ich eines entnommen habe (28.09.2020). Das andere ist noch vor Ort. Beim ersten konnte ich von außen eine starke Rötung feststellen, die fast schon an Blut erinnerte.
Beim Querschnitt war ebenfalls ein deutliches Gelb in der Basis zu sehen.
Nach einiger Zeit verfärbte sich der Querschnitt schmutzig rötlich.
Dieses Exemplar trockne ich jetzt für späteren Nachweiß.

Ich bin gespannt, ob ihr Ideen habt, welche Art es sein könnte oder ob ich sogar mit dem Rötenden Birkenpilz (Leccinum Oxydabile) richtig liege.