Der Schwarzblauende Röhrling - krebserregend und arsenhaltig!

Begonnen von Christoph, 12. Juni 2019, 01:55

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batman

Christoph,
nix für ungut, aber:
Der als "sicher" berechneten Frischmenge von 90 g pro Jahr (auch das ist nicht ganz korrekt, Bräuer et al. haben nicht von As auf DMA korrigiert, aber das nur nebenbei) liegt ein Sicherheitsfaktor von 10.000 zugrunde. Will heißen, für eine 10 %ige Erhöhung des Krebsrisikos benötigt es einen jährlichen Konsum von 900 kg C. pulverulentus. Tatsächlich sind es wegen des Bräuerschen Rechenfehlers nur ca. 420 kg.
Damit soll nichts beschönigt werden, ich würde auch empfehlen, diesen Pilz von der Liste der Speisepilze zu streichen. Aber man sollte nicht Äpfel ("sichere" Menge) mit Birnen (x % Erhöhung eines bestimmten Risikos vergleichen.
Grüße,
Thomas

Zitat von: Christoph am 19. Juni 2019, 00:11
Servus Schorsch,

nichts zu entschuldigen! Ich hatte das gar nicht negativ aufgefasst, wollte es nur für die Mitleser erklären.

Zitateiner Mahlzeit von Seefisch, welche beide mit organisch gebundenem Quecksilber verseucht sind, sind das wirklich vernachlässigbare Mengen.

Nein, eben leider nicht. Im Seefisch ist das Arsen in Formn von Arsenobetain gespeichert. Dieses Molekül ist vergleichsweise harmlos - ist auch in hohen Mengen in Lycoperdon enthalten und anderen Agaricaceae. Hier geht es aber bei Cyanoboletus (und bei Laccaria) um das DMA (Dimethylarsinsäure).

In der verlinkten Studie wird ja eben anhand der Frischmasse berechnet, dass 90 g pro Jahr (!) die empfohlene maximale Menge ist, die verzehrt werden kann. Es geht da immer um eine Erhöhung des Krebsrisikos um 10% bei mehrjährigem Dauerkonsum. Und da ist die Menge doch gering.

Arsen ist eben nicht Arsen - auf die Verbindung kommt es an. Ich empfehle dir, einfach mal die ganze Studie durchzulesen. Du hast ja keine Probleme mit den Fachtermini, die dort verwendet werden.

Eine angemessene Risikobewertung ist immer sehr schwierig. Ich finde ja gerade das Gute an dem Artikel, dass hier genau das versucht wird. Deshalb hatte ich auch ein paar Passagen wortwörtlich zitiert, damit man diese Aussagen auch ohne Studium des ganzen Artikels nachvollziehen kann.

Es lohnt sich auch, die Reaktion der Erstautorin der Studie im Nachbarforum zu lesen.

Liebe Grüße,
Christoph  :)

P.S.: Quecksilber ist wieder ein anderes Thema - ich beziehe mich bewusst nur auf Arsen - das enthalten nämlich z.B. Muscheln in weit höheren Mengen als Cyanoboletus, aber eben als Arsenobetain - sie sind daher nicht so problematisch...

Christoph

#12
Servus beinand,

das Thema wurde mittlerweile auch im DGfM-Forum aufgegriffen - siehe https://forum.dgfm-ev.de/thread/1969-arsen-in-schwarzblauenden-roehrlingen/

Dort wurde die potentielle Cancerogenität in einem bewusst (um die Diskussion anzuregen) provokanten Beitrag etwas in Frage gestellt.

Dort wird als Vergleich der Verzehr von Sushi herangezogen...

In den meisten Algen findet sich aber kaum DMA (bzw. DMAA, wie der Stoff auch abgekürzt werden kann). Einzig die Alge "Hijiki" ist mit DMA hoch belastet. Die übrigen Algen sind z.B. nach Steneberg (2004) - https://www.iug-umwelt-gesundheit.de/pdf/2004-3_schwerpunkt2.pdf - nicht betroffen. Hijiki ist mittlerweile wegen seines Arsengehalts bekannt und wird z.B. in Hongkong konsequenterweise nicht mehr für den Verzehr empfohlen: https://www.cfs.gov.hk/english/programme/programme_rafs/programme_rafs_fc_02_08.html

Ich esse selber gerne Sushi, nur wird der Reis nicht in Hijiki gewickelt - diese Alge eignet sich nicht dafür. Insofern habe ich durch Sushigenuss keine erhöhtes Risiko, aufgrund von DMA z.B. mein Hautkrebsrisiko zu steigern (im Forum der DGfM ist von Blasenkrebs die Rede, aber Hautkrebs ist das primäre Risiko - siehe Steneberg 2004, S. 106 mit Querverweis auf Primärstudien dazu). Jedenfalls nicht, wenn nicht der Reis selbst belastet ist (was leider teils der Fall ist). Hier ist v.a. brauner Reis "Wildreis" betroffen bzw. ungeschälter Reis. Die Arsenmenge hängt von der Reissorte ab.

Natürlich steigt unser Hautkrebsrisiko durch die vermehrte Sonneeinstrahlung, wenn es noch öfter zu solchen Hitzesommern wie 2003, 2018 und jetzt der Frühsommer 2019 kommt (wolkenloser Himmel, hohe UV-Einstrahlung). Wenn nun ein Risiko besteht, dass man durch den Schwarzblauenden Röhrling das Hautkrtebsrisiko weiter steigern kann, dann sage ich mir, dass es genügend andere Speisepilze gibt.

Sollte der hübsche Cyanoboletus zu unrecht als cancerogen eingestuft worden sein, dann ist das kein Beinbruch. Es sei denn, wir müssten uns durch den Wald ernähren, weil eine Hungersnot ausbricht. In dem Fall ist das Krebsrisiko allerdings mehr als zweitrangig.
Nein, in solchen Zeiten leben wir nicht. Daher muss man m.E. nicht zwanghaft an einem Speisepilz festhalten. Solange die Stoffmenge so groß ist wie beim DMA und solange hierbei ein potentielles Krebsrisiko gesehen wird, ist m.E. vom Verzehr dieses Pilzes abzuraten. Dies ist insbesondere für Pilzberater wichtig zu wissen.

Sollte dann eine Person, die beraten wird, trotzdem diesen Pilz essen wollen, dann ist das schlicht dessen eigene Entscheidung. Jeder ist eigenverantwortlich. Und wer das Rauchen nicht aufhören will, der setzt sich auch bewusst einem Risiko aus und darf das auch - Eigenverantwortung eben.

Kurzum: Vergleiche, die den Verzehr von Cyanoboletus verharmlosen sollen, finde ich schwierig, vor allem dann, wenn sie nicht einmal greifen. Ich denke da eher andersherum. Stellt sich heraus, dass auch andere Lebensmittel mit DMA belastet sind, sollte man nicht sagen "das wird ja auch gegessen", sondern eher "das sollte man auch meiden".

Wir addieren alle unsere Risikofaktoren auf. Wer jetzt bei dem Sommerwetter gerne auf offener Flamme / auf Holzkohle grillt, erhöht auch sein Krebsrisiko. Und wer das bewusst gerne macht, denn Grillfleisch schmeckt einfach gut, der sollte andere Krebsrisiken minimieren.

Ich hoffe daher, dass der Sushi-Vergleich (der leider sehr hinkt) nicht dazu führt, dass die Warnung vor Cyanoboletus weggewischt wird.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Schorsch

#11
OKay.
Ich habe mich übrigens noch um eine Zehnerpotenz verschrieben. 0,026 g bei 200 g Frischpilz muss es heißen.
Interessante Seiten zum Thema Arsen:
https://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/schadstoff/arsen/
https://de.wikipedia.org/wiki/Arsenesser
https://de.wikipedia.org/wiki/Arsen(III)-oxid#Toxizit%C3%A4t
LG S
Frei di, dass regnt, wei wannst di ned freist, regnts aa.
frei nach Karl Valentin.

Christoph

Servus Schorsch,

nichts zu entschuldigen! Ich hatte das gar nicht negativ aufgefasst, wollte es nur für die Mitleser erklären.

Zitateiner Mahlzeit von Seefisch, welche beide mit organisch gebundenem Quecksilber verseucht sind, sind das wirklich vernachlässigbare Mengen.

Nein, eben leider nicht. Im Seefisch ist das Arsen in Formn von Arsenobetain gespeichert. Dieses Molekül ist vergleichsweise harmlos - ist auch in hohen Mengen in Lycoperdon enthalten und anderen Agaricaceae. Hier geht es aber bei Cyanoboletus (und bei Laccaria) um das DMA (Dimethylarsinsäure).

In der verlinkten Studie wird ja eben anhand der Frischmasse berechnet, dass 90 g pro Jahr (!) die empfohlene maximale Menge ist, die verzehrt werden kann. Es geht da immer um eine Erhöhung des Krebsrisikos um 10% bei mehrjährigem Dauerkonsum. Und da ist die Menge doch gering.

Arsen ist eben nicht Arsen - auf die Verbindung kommt es an. Ich empfehle dir, einfach mal die ganze Studie durchzulesen. Du hast ja keine Probleme mit den Fachtermini, die dort verwendet werden.

Eine angemessene Risikobewertung ist immer sehr schwierig. Ich finde ja gerade das Gute an dem Artikel, dass hier genau das versucht wird. Deshalb hatte ich auch ein paar Passagen wortwörtlich zitiert, damit man diese Aussagen auch ohne Studium des ganzen Artikels nachvollziehen kann.

Es lohnt sich auch, die Reaktion der Erstautorin der Studie im Nachbarforum zu lesen.

Liebe Grüße,
Christoph  :)

P.S.: Quecksilber ist wieder ein anderes Thema - ich beziehe mich bewusst nur auf Arsen - das enthalten nämlich z.B. Muscheln in weit höheren Mengen als Cyanoboletus, aber eben als Arsenobetain - sie sind daher nicht so problematisch...


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Schorsch

#9
Lieber Christoph,
entschuldige meine flapsige Antwort.
Wissenschaftlich ist alles korrekt, auch was die Aufklärungspflicht in der Pilzberatung betrifft.
Meine persönliche Einschätzung, was mich als potentiellen Konsumenten betrifft:
1. Ich habe zwar den Pulverulentus schon gefunden aber noch nicht gegessen.
2. 1,3 g / kg Trockenmasse = ca. 10 kg Frischpilz. Also wenn ich z.B. und hypothetisch 2 -3 Pulverulenti (200g) in einem Pilzgericht hätte entspricht das 0,03 g Arsen. Im Verhältnis zu 1 Zigerette oder einer Mahlzeit von Seefisch, welche beide mit organisch gebundenem Quecksilber verseucht sind, sind das wirklich vernachlässigbare Mengen. (Habe mich mein ganzes Berufsleben mit der Amalgam- / Quecksilberproblematik herumschlagen müssen).
Mir geht es wirklich weder um Verharmlosung noch um Werbung Pulverulentus zu verzehren, sondern nur um eine realistische und angemessene Risikobewertung.
Bin aber lernfähig und zu einer sachlichen Diskussion bereit. Wäre gespannt, was Rudi als Arzt dazu sagt.
Liebe Grüße Schorsch
Frei di, dass regnt, wei wannst di ned freist, regnts aa.
frei nach Karl Valentin.

Christoph

Servus Schorsch, servus alle...

das Problem bei krebserrgenden Substanzen ist halt, dass sie alle zusammen das Grundrisiko erhöhen, an Krebs zu erkranken. Die Aussage, dass es ab einem gewissen Alter egal sei, stimmt biologisch gesehen nicht. Es kann sein, dass eine Zelle bereits soweit vormutiert ist, dass eine letzte Mutation aus ihr eine entartete Krebszelle werden lässt. Im Alter kommt dann hinzu, dass z.B. die Reperaturmechanismen der DNA nicht mehr richtig funktionieren. Es ist auch im Alter sinnvoll, sich gesund zu ernähren.

Wir erhöhen ohnehin ständig das Grundrisiko, an Krebs zu erkranken. Wir nehmen z.B. über die Nahrung Dioxine auf (Aal, Frühstücksei, Milch usw., auch Grillen...). Man grillt ab und zu, man isst vielleicht mal eine Tüte Chips zum Fußball, obwohl dort Stärke zu hoch erhitzt wurde... Manche sind sogar Kettenraucher...

Und selbst der Kettenraucher: er erhöht das Risiko, an Krebs zu erkranken durch das Rauchen, er muss aber nicht an Krebs erkranken. Daher ist auch und gerade für ihn sinnvoll, andere Risikofaktoren, die das Risiko noch weiter erhöhen, wegzulassen. "Da ist's eh schon wurscht" trifft daher weder auf Raucher, noch auf ältere Menschen zu.

Wichtig finde ich aber für die Pilzberatung, auf das Krebsrisiko hinzuweisen, das durch den Verzehr von z.B. Cyanoboletus erhöht wird.

Eins muss ich noch richtigstellen - bei Laccaria waren es µg pro Gramm, was wieder mg pro kg entspricht (ich hatte das "pro Gramm" automatisch als "pro kg" gelesen). Insofern muss ich die Aussage natürlich revidieren... Laccaria ametyhstina enthält ähnlich hohe Mengen an DMA wie Cyanoboletus.

Für die Pilzberatung ist das schon relevant. Ich werde den Laccaria-Artikel noch genau durchlesen. Aber wenn, dann sollte man vor beiden warnen. Nur wird die Laccaria wohl selten in größeren Mengen verspeist werden, da als Einzelfruchtkörper zu klein.

Übrigens: im Nachbarforum hat sich die Autorin der Studie zu Wort gemeldet. Was sie schreibt, ist sehr interessant - ich empfehle, auch dort den Thread zu lesen:
https://www.pilzforum.eu/board/thread/43958-der-schwarzblauende-r%C3%B6hrling-cyanoboletus-cyanescens-ist-ein-extremer-arsensamml/

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
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Schorsch

Servus an alle,
i dua mi do leichta. Bevor mi a paar Pulveruleti den Garaus macha, hod mi sicha scho wos anders dawischt.
In dem Fall ein abgewandeltes Kohl-Zitat: die Gnade der frühen Geburt.
Schönes Rest-WE Schorsch
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frei nach Karl Valentin.

Christoph

#6
Servus beinand,

da die Aussage, man die Tintenmaroni / die Schwarzblauenden Röhrlinge seien cancerogen, in einem anderen Pilzforum kontrovers gesehen wird, möchte ich für diejenigen, die nicht die gesamte Studie lesen wollen, die entsprechenden Aussagen aus dem Paper hier zitieren:

"Hyperaccumulation of arsenic in C. pulverulentus raises a serious question on the mushroom's edibility. DMA is considered to be much less toxic than inorganic arsenic, at least concerning the acute toxicity. However, DMA is a probable human carcinogen according to the United States Environmental Protection Agency (US EPA) and definitely carcinogenic according to the International Agency for Research on Cancer (IARC) (IARC, 2012; US EPA, 2016). Therefore, the US EPA derived a benchmark dose lower limit (BMDL10 – for a 10% increase in risk) of 430 μg per kg body weight per day for DMA (US EPA, 2006). According to the European Food Safety Agency (EFSA), risk assessment of genotoxic and carcinogenic substances should be carried out by calculating the margin of exposure (MoE) (EFSA, 2005). The MoE is calculated by dividing the BMDL by the daily exposure. When using a BMDL10 that is derived from animal studies, an MoE of 10,000 or higher can be considered safe (EFSA, 2005)." Braeuer et al. (2018: 8)

und

"When calculating the MoE for an average person of about 70 kg body weight and using the median DMA concentration in fungal biomass (115 mg As kg−1 dry weight, which is roughly 12 mg As kg−1 fresh weight; N.B., concentrations only refer to the arsenic, not to the whole molecule), it becomes apparent that no more than 90 g fresh C. pulverulentus can be consumed per year (on a regular basis) without increasing one's health risk (Table 3). For the highest DMA concentration (86 mg As kg−1 fresh mass), 12 g per year can increase risk of developing cancer." Braeuer et al. (2018: 8)

und schließlich:

"C. pulverulentus is considered a good edible mushroom but in view of our results it should not be further recommended for consumption. Because of the carcinogenic potential of DMA, we advise against the regular consumption of more than 90 g of fresh mushrooms per year." Braeuer et al. (2018: 8-9)

Nebenbei angemerkt: Ich bin nur der Überbringer dieser Aussagen, nicht die Quelle der Aussagen. Natürlich kann, darf und soll man diese Aussagen hinterfragen, aber sie stammen aus einer Fachpublikation aus einem peer reviewd journal (impact factor 4.946). Man sollte daher auf gleicher, wissenschaftlicher Basis gegenargumentieren.

Dass Cancerogenität kontrovers gesehen wird, ist ja eh bekannt. Im Fall von Glyphosat kommt die WHO zum Schluss, dass es krebserregend sei. Dem folgen im Moment auch U.S.-amerikanische Gerichte, die Bayer/Monsanto entsprechend mit hohen Geldstrafen belegen. Nicht folgt dem das hiesige EU-Parlament und auch Bayer widerspricht der Aussage.

Nur wer hat recht?

Ehrlich: ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich, bis das Gegenteil klar belegt ist, kein Glyphosat in meiner Nahrung haben will. Ebenso möchte ich, bis das Gegenteil nicht klar belegt ist, keine größeren Mengen an DMA mit der Nahrung aufnehmen. Und deshalb habe ich die Tintenmaroni für mich gestrichen.

Und unabhängig von meiner eigenen Entscheidung empfehle ich jedem Pilzberater, die Information über DMA in Tintenmaroni auch an die zu Beratenden weiterzugeben. Wenn man gewarnt hat, kann jeder Sammler selbst entscheiden, ob er dennoch das Risiko eingehen will, ob die Studie stimmt.

So bin ich auch davon überzeugt, dass Rauchen das Krebsrisiko erhöht. Rauche ich an Silvester eine Zigarre, dann nehme ich das Risiko bewusst in Kauf. Das ist Eigenverantwortung. Gibt es aber Hinweise (und hier sind es ja ganz konkrete Aussagen), dann fände ich ein Verschweigen des Risikos als verantwortungslos.

Liebe Grüße,
Christoph

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Christoph

#5
Servus Till,

natürlich erhöhen wir durch alles mögliche, was wir aus der Umwelt aufnehmen (einatmen, essen, trinken), das Risiko, Krebs zu bekommen. Ich denke da nur an das Frühstücksei, das Dioxine enthält, oder die Kartoffelchips und ihre Nitrosamine (oder die Salamipizza) oder an den Volkssport Grillen... Manche Leute rauchen dann auch noch ab und zu...

Dennoch - all diese Risikofaktoren addieren sich ja auf. Wer bewusst rauchen will, weil einfach die Zigarre zu einem Glas Ardbeg (Scotch Whisky) so gut schmeckt, der macht das dann aber auch bewusst - sowohl der Zigarrenrauch als auch das Phenol im Whisky wird dann genossen.

Sollte man sich aber ab und zu dieses Vergnügen gönnen, dann sollte man ja zumindest wissen, wie man weitere Risiken minimiert.

Das Arsen selbst ist hier ja nicht der Springende Punkt, es ist das DMA. Und das gilt eben als krebserregend. Ich weiß noch, dass zwischendurch vor Laccaria gewarnt wurde - im Zusammenhang mit DMA. Nur bewegen wir uns da im Mikrogrammbereich. Hier hingegen werden die Grenzwerte dermaßen überschritten, dass man meines Erachtens informiert werden sollte, dass der Genuss dieses Pilzes das Krebsrisiko erhöht.

Natürlich kann man auch mit regelmäßigen Mahlzeiten dieses Pilzes 90 Jahre alt werden. Das schaffen sogar manche Kettenraucher. Es ist eben ein stochastisches Risiko. Je mehr, umso größer das Risiko.

Man warnt ja auch Leute, die Milchlinge silieren wollen, vor Lactarius turpis, dem Mordsschwamm. Ebenso sollte man m.E. auch vor den Tintenmaroni warnen. Wer dann dennoch diesen Pilz essen will, macht das ganz bewusst - man will ja niemanden bevormunden. Aber einen Pilz, der DMA bis in den Grammbereich enthalten kann, kann ich selber nicht weiter als Speisepilz bezeichnen.

ZitatFür den normalen PSVler sind diese Meldungen natürlich verunsichernd, weil nun schon wieder ein anderer "Speisepilz" bei Wanderungen usw. nur noch mit einem großen ABER empfohlen werden kann. Wie wirst Du selber es künftig damit halten? Wenn das so weiter geht, gibt es in 20 Jahren nur noch die Formel "schmackhafter Speisepilz, aber ..."

Ich mache das wie bei anderen neuen Erkenntnissen: ich teile sie mit.  ;) Würde man sowas wissen, aber nicht mitteilen, würde man ja auch schlecht beraten. Ich finde, dass das "Beraten" im Mittelpunkt stehen sollte. Dazu gehört m.E. auch, zu wissen, welche Pilze viel Cadmium anreichern, welche krebserregend sind und welche viel Caesium sammeln. Was dann der Sammler mit den Informationen macht, liegt in dessen Verantwortung.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Till

Hallo, Christoph -

es ist halt schwer, herauszufinden, wie viele Menschen jährlich tatsächlich einer schwarzblauen Arsenvergiftung oder Cancer pulverulenti erliegen - aber das gilt ja auch für die Krebstoten, die zu viele radioaktiv verseuchte Schwammerl zu sich genommen haben. Für den normalen PSVler sind diese Meldungen natürlich verunsichernd, weil nun schon wieder ein anderer "Speisepilz" bei Wanderungen usw. nur noch mit einem großen ABER empfohlen werden kann. Wie wirst Du selber es künftig damit halten? Wenn das so weiter geht, gibt es in 20 Jahren nur noch die Formel "schmackhafter Speisepilz, aber ..."

Der Schwarzblauende ist im Norden unseres Gebiets, in den großen Forsten wie dem Altöttinger und dem Weilhart, sehr verbreitet und in manchen Jahren ausgesprochen häufig. Und die Leute kennen ihn. Auf einer Pilzführung erzählte mir eine Dame, dass sie den "Tintenmaroni" seit langem sammelt und mit Genuss verspeist. Ich fand diesen "Volksnamen" sehr treffend und viel eingängiger als den sperrigen Begriff "Schwarzblauender Röhrling" und habe ihn seither selber oft angewendet.

Schöne Grüße
Till

Jenny


Christoph

#2
Servus beinand,

mittlerweile habe ich die gesamte Studie gelesen - man kann sie hier frei herunterladen:
https://www.researchgate.net/publication/319613612_Arsenic_hyperaccumulation_and_speciation_in_the_edible_ink_stain_bolete_Cyanoboletus_pulverulentus

Der Artikel diskutiert die Gefährlichkeit des DMA (Dimethylarsinsäure) anhand der bekannten und festgelegten Grenzwerte dieses Stoffes. Man muss ja immer differenzieren, in welcher Form das Arsen vorliegt. Als Arsenobetain ist es ja vergleichweise harmlos (so z.B. bei Lycoperdon). Das DMA hingegen ist offenbar hinsichtlich des Risikos gut untersucht.

Nimmt man die bekannten Grenzwerte für DMA als Grundlage, kommt die Studie zu dem Schluss, dass man pro Jahr (!) nicht mehr als 90 g Frischmasse vom Schwarzblauenden Röhrling verspeisen sollte. Hier wird von deim durchschnittlichen DMA-Gehalt ausgegangen und weder von Extremwerten nach oben oder nach unten.

Im Vergleich zu z.B. Laccaria amathystina, die auch als Arsensammlerin bekannt ist, sind das schon extreme Werte. Bei Laccaria amethystina wird in µg und nicht in mg bzw. g gemessen (gut, die 1,3 g Arsen pro kg ist ein Extremwert, der festgestellt wurde).

Laccaria amethystina enthält ähnlich hohe DMA-Mengen (ich hatte bei µg/g das "pro g" versehentlich als "pro kg" gelesen). Insofern ist Laccaria amethystina ebenfalls als potentiell krebserregend einzustufen.

Der Maronenröhrling enthält ebenfalls DMA, aber offenbar nur auf belasteten Böden in solchen Mengen, dass es dort relevant wäre (da dann auch bis 490 mg Arsen pro kg) - diese Mengen wurden nur aus extrem arsenbelasteten Böden festgestellt. Bei normalen Waldböden gibt es hier wohl kein Problem (da ist das Caesium wohl deutlich nerviger).

Nochmal zum Verständnis: die untersuchten Proben des Schwarzblauenden Röhrlings stammen nicht von belasteten Böden. Insofern sammelt der Pilz gezielt und aktiv das Arsen. Da der Arsengehalt mit dem Fruchtkörperalter steigt, wird der Fruchtkörper immer mehr mit Arsen "aufgefüllt". Auch das zeigt an, dass der Pilz das Arsen gezielt aufnimmt und weiterleitet.

Das ist ja auch das Problem mit den cadmiumsammelnden Egerlingen - die sind auch auf ganz normalen Böden hoch belastet. Bei denen weiß man inzwischen, dass die Cadmium zum Fruktifizieren benötigen, da sie manche Enzyme damit quasi einschalten.

Kurz zusammengefasst:
Der Schwarzblauende Röhrling ist kein Speisepilz!

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Christoph

#1
Servus beinand,

das von mir vorgestellte Paper über Cystoderma carcharias enthielt im Literaturverzeichnis einen Artikel über Cyanoboletus cyanescens.

Man kann das abstract hier frei lesen: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0308814617314875

Demzufolge akkumuliert der Schwarzblauende Röhrling bis zu 1,3 Gramm pro kg Trockenmasse an Arsen! Das ist extrem... Hierbei gab es keine Korrelation zwischen dem Arsengehalt des Bodens und der Arsenmenge im Fruchtkörper. Er scheint das Arsen also spezifisch aufzunehmen.

Das Arsen liegt fast ausschließlich in Form der Dimethylarsinsäure (dimethylarsinic acid) vor. Dieser Stoff bewirkt zwar beim Verzehr des Schwarzblauenden Röhrlings keine direkte Vergiftung, gilt aber als krebserrgend. Die Stoffmenge ist so hoch und der Wirkstoff offenbar so stark cancerogen, dass die Autoren der Studie empfehlen, den Schwarzblauenden Röhrling nicht mehr zu verzehren!

Die Quelle:

Simone Braeuer, Walter Goessler, Jan Kameník, Tereza Konvalinková, Anna Žigová, JanBorovička (2018): Arsenic hyperaccumulation and speciation in the edible ink stain bolete (Cyanoboletus pulverulentus). Food Chemistry 242: 225-231. doi.org/10.1016/j.foodchem.2017.09.038

Ich kann das Krebspotential des Schwarzblauenden Röhrlings nicht abschätzen, bin ja auch kein Arzt. Aber wissen sollte man das m.E. und wenn man schon weiß, dass ein Pilz krebserregend ist, dann muss man ihn auch nicht unbedingt essen - finde ich jedenfalls.  ;)

Liebe Grüße,
Christoph
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