Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Plattform für Pilzfreunde => Thema gestartet von: UmUlmHerum am 5. Juni 2022, 20:00

Titel: Peziza-Frage
Beitrag von: UmUlmHerum am 5. Juni 2022, 20:00
Hallo miteinander!

Vor ein paar Tagen fand ich diese Becherlinge bei Ulm (570 mNN) – sie wuchsen im erdigen Teil einer Rückegasse im Fichtenforst (mit einer Lärche und etwas entfernter ein paar Buchen), im Prinzip kalkhaltiger Boden, kann aber oberflächensauer sein.

Nun hänge ich bei der Bestimmung... Wieso wird in den Schlüsseln nicht nach der Asci-Jodreaktion gefragt? Kann das bei ein und derselben Art variabel sein?? Die Dinger sind nämlich jod-negativ! Und haben ornamentierte Sporen.

Steckbrief:
– Becher aufsitzend ohne Stiel, Ø 4-6 cm, braungranulierter Rand (nicht wellig), außen hell, schwach kleiig
– 3-schichtige Trama mit mittig dünner Textura intricata
– Asci J-, habe zwar keine Deckel gesehen, muss aber welche haben
– Paraphysen filiform, wenige leicht kopfig, septiert, enthalten Pigmente
– Sporen: ohne Tropfen, mit 2-3 Kernen (anfärbbar mit Jod u. BWB), ellipsoid, fein warzig, teils mit Graten (Höhe < 1 µm);
   Größe insgesamt ziemlich variabel – wenn ich nur die gesund aussehenden Sporen nehme:
   (15,8) 17 (18) x (6) 8 (11); Q = (1,6) 2 (2,6)

Im P.-varia-Komplex vermute ich sie nicht, dazu passen mir schon die Makro-Merkmale (kein gewellter Rand, außen wenig granuliert, relativ kleine Becher) nicht + keine glatten Sporen. An P. arvernensis glaube ich auch nicht – zu wenig Buchen, zu kleine Frk. ... und immer wieder: jod-negative Asci!

In den Datei-Namen findet Ihr die wichtigsten Infos wie z.B. Vergrößerung, Chemie etc.

Könnt Ihr mir weiterhelfen?

Viele Grüße – Rika
(21:40 Schreibfehler korregiert)
Korrektur am 07.06.22: ACHTUNG – bei den beiden Schnittbildern habe ich eine falsche Vergrößerung im Dateinamen angegeben. Der erste Schnitt ist 20x, der Zweite 80x !
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: UmUlmHerum am 6. Juni 2022, 12:34
Servus!

Fortsetzung:

Inzwischen habe ich weiter gesucht/geschlüsselt (Hohmeyer, Häffner, Spooner, Jamoni, ascomycete.org, ascoFrance, usw.), bin auf P. pseudovesiculosa und P. badioconfusa gestoßen – die aber auch alle J+ sein sollten. Dann musste ich feststellen, dass es bei verschiedenen Arten (z.B. P. repanda) unterschiedliche Beschreibungen der Sporen gibt – mal glatt, mal mit Ornament. Irgendwie alles nicht so richtig greifbar.

Ich hatte übrigens 3 Frk. in verschiedenen Reifegraden untersucht, der Älteste war schon am Zerfallen und heftig vermadet mit massig Bakterien drin. Vor Ort gäbe es noch genug weiteres Material jeden Alters...

So ganz einfach scheint mein Problem nicht zu sein, sonst wäre schon eine Antwort gekommen?!

Viele Pfingstgrüße – Rika
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: abeja am 6. Juni 2022, 12:56
Hallo Rika,

so ganz unbedarft ein Einwurf von mir  ::). So wie ich das bisher verstanden habe (auch Homeyer- Schlüssel), dann wird mit Jod getestet - grundsätzlich - um überhaupt sagen zu können, ob Peziza oder Nicht-Peziza. Keine RK. =keine Peziza. Oder kann so eine Probe falsch negativ sein?

Ich hatte kurz bei Tarzetta geschaut, aber die üblichen Arten haben wohl andere Mikromerkmale .... nach unüblichen Arten habe ich nicht gesucht.

VG abeja
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: Felli am 6. Juni 2022, 16:38
Servus Rika,
"So ganz einfach scheint mein Problem nicht zu sein, sonst wäre schon eine Antwort gekommen?!
Viele Pfingstgrüße – Rika"

Du mußt doch nur ein wenig Geduld aufbringen, schau mal wie lange Werner braucht um ein neues Rätsel einzustellen ;)

Also:

Wenn nich mir die Bilder so anschaue, habe ich eigentlich kaum Zweifel an P. arvernensis

1. Die die eingefärbten Bereiche bei den Sporen in Lugol sind keine Kerne sondern eingelagerte Glykogen-Tropfen.
Kerne färben mit Lugol nicht an , sie bleiben hyalin.

2. Dass die Asci bei manchen Kollektionen IKI - sind ist mir auch schon untergekommen.

Was du jetzt noch machen kannst:
nochmal einen Schnitt in Wasser, bei 200 facher Vergrößerung anschauen, warten bis sich das Wasser entfernt, dann einen Tropfen 3-5% KOH zuführen und beobachten wie das KOH auf deinen Schnitt trifft. Dann die Farbreaktion ( falls es eine gibt - notieren).

-->Dann wieder etwas warten, und Lugol oder Melzers zuführen. Im Normal Fall lässt sich damit die Blaufärbung des Ringes  noch nachweisen.

Grüße
Felli

Ach ja, interessant wären auch noch die Paraphyseninhalte, 
bei P. pseudovesiculosa ( ich glaube den gibts gar nicht mehr) wären goldgelbe Guttulen zu sehen und
P. badioconfusa sieht makroskopisch anders aus - falls ich das richtig erkannt hab.

Ansonsten muß man ja inzwischen alles "Genülisieren" lassen
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: UmUlmHerum am 7. Juni 2022, 01:05
Hallo Abeja & Felli,

vielen Dank für Eure Antworten!

Inzwischen habe ich mit Bernd telefoniert, ein bisschen Brainstorming zu den abweichenden Merkmalen gemacht und noch einige weitere Infos erhalten:
Ja, es kommt vor, das Pezizen gelegentlich jod-negative Ascusspitzen haben. Morgen werde ich die Färbe-Prozedur mal mit KOH-Vorbehandlung probieren. Wir diskutierten auch über eventuelle Wachstumsstörungen, siehe die so stark unterschiedlichen Sporen sowie die für P. arvernensis (kann ich mir schon vorstellen) sehr kleinen Frk. – vielleicht deswegen auch eine Störung in der Anfärbbarkeit? Die Gattung Peziza war eigentlich schon durch das 3-schichtige Excipulum klar.

Nachdem es die letzten Tage ordentlich geregnet hat, um die 20-25 Liter, werden sich die jungen Becher jetzt vielleicht "normal" entwicklen – in ein paar Tagen lohnt es sich, noch mal einen Frk. zu holen.

Vorhin musste ich erst meine heutige Pilzbeute versorgen: 2 Arten von Speisepilzen, nein – keine Röhrlinge, sondern Weißsporer – mag jemand raten (auch wenn das hier nicht der Rätsel-Fred ist)?

Guten Nacht – Rika
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: UmUlmHerum am 8. Juni 2022, 00:07
Servus beianand!

Jetzt habe ich Bernds Färbeanweisungen ausprobiert:
Mit KOH färbte sich das Ectal Excipulum sofort zitronengelb – passt das nach Deinen Erfahrungen zu P. arvernensis, Bernd?
Leider brachte weder Baralsche Lösung noch Melzer eine Blaufärbung des Apikalapparats! Ich hatte heute einen der jüngeren Frk. genommen, der inzwischen im Kühlschrank soweit nachgereift war, dass er bei Berührung spontan aussporte. Immerhin waren nun die Paraphysen und die Deckel an den leeren Asci gut zu erkennen. Und die (freien) Sporen sind in Form & Größe wesentlich gleichmäßiger. Die Chemie-Behandlung (KOH + Baral) führte übrigens dazu, dass (1) schlagartig massenhaft Sporen abgeschossen worden und (2) sich die Paraphysen verlängerten und nun deutlich über´s Hymenium rausstanden.

Und nun? Ich werde dieser Tage mal nachschauen, ob die Frk. vor Ort durch den Regen gewachsen sind und nun vielleicht mehr nach P. arvernensis aussehen... Weitere Vorschläge, was ich zur sicheren Bestimmung noch unternehmen könnte, sind herzlich willkommen!

Viele Grüße – Rika
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: Felli am 8. Juni 2022, 00:22
Ja, die KOH-Reaktion passt schon mal.
Schade daß die Asci nicht reagieren, naja , mal schauen ob es bei den anderen Frkp auch so sein wird.

Grüße
Felli
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: UmUlmHerum am 13. Juni 2022, 01:08
Servus beianand!

Vorhin war ich wieder an dieser Peziza-Stelle: Es sind noch viel mehr geworden, geschätzt 40-50 Becher in allen Altersstufen. Sie haben das Glück, in dieser verdichteten und gut beschatteten Rückegasse zu leben – da ist es immer noch patschnass. Drumrum nun auch eine ganze Menge Scutellinia.

Was mir noch aufgefallen ist: Der Boden dort besteht aus ziemlich sandigen (Löss-)Lehm, nur in der Rückegasse ist teilweise dunkelbrauner Humus. Aber die Becher wachsen auf beidem. Und es gibt schon so einige Buchen im Umkreis.

Was die Größe betrifft: Der absolut größte Becher (Bild-Nr. 3336) war zusammengeklappt und 6 cm lang, der 2. Größte ebenfalls zusammengeklappt 5,5 cm. Die anderen reif aussehenden Becher haben im Schnitt einen Ø von 3,5 - 4 cm. Und manche haben einen gefurchten kurzen Stiel, siehe ebenfalls Bild-Nr. 3336.

Dann hatte ich Schnitte von 4 verschiedenen Frk. mit reichlich Baralscher Lösung unterm Mikro:
Bei zwei Frk. färbt der Apikalapparat ordnungsgemäß blau, bei einem Frk. zu vielleicht 80%, und beim vierten Frk. sind allenfalls 10 der Ascusspitzen blau geworden. Sonst sieht alles aus wie bei der ersten Kollektion. Da kann ich P. arvernensis sicher nicht ausschließen.

Also – meine bisherigen P. arvernensis haben makro-mäßig nie so ausgesehen, waren vor allem reif deutlich größer und lappiger. Wie gesagt, an Wasser mangelt es denen nicht! Muss ich nun mein Artkonzept ändern oder den Arbeitsnamen?

Guad Nacht – Rika

Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: Felli am 14. Juni 2022, 00:02
Servus Rika,
eine Größe von bis zu 6 cm und die zusammengeklappten Fruchtkörper sind doch typisch für P. arvernensis.
Selbst ein Stielchen ist nicht ungewöhnlich s. Abb. in PDS
Das kommt im übrigen bei vielen Pezizen vor, dass sie Stiele ausbilden ( obwohl sie es nicht dürften).
Die apikulate Blaufärbung ist auch vorhanden.

Also den Arbeitsnamen brauchst auf gar keinen Fall ändern und was das Artkonzept angeht 
evtl. ein kleinwenig erweitern  ;)

Nochmals zur  Größe:
Wasser allein ist nicht ausschlaggebend dafür. Es müssen auch genügend Nährstoffe vorhanden sein.
Vielleicht liegt es auch an der Wuchsgeschwindigkeit oder am Wurmbefall- wer weiß das schon- ::)

Ausserdem es ist ja oft so, dass bei einer großen Kollektion eines Mycels die einzelnen Individuen nicht die absolute Größe erreichen;
es gibt ja auch den umgekehrten Fall, dass ein Mycel nur ein Fruchtkörper hervor bringt,
der dann aber alles in den Schatten stellt, zB. beim Hallimasch

Grüße
Felli
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: UmUlmHerum am 16. Juni 2022, 23:02
Servus Bernd,

gleich vorne weg: ich nehme das mit dem erweiteren Artkonzept an! Merci für Deine geduldige Beratung!

Zu den Zusammengeklappten noch eine Bemerkung: wenn ich aus der Umfangslänge des Größten einen Kreis ausrechne, dann hätte der auch nur um die 3,5 ... 4 cm Durchmesser.

Die Ansammlung von den rund 50 Bechern zog sich schon über 10 ... 15 m entlang der Rückegasse hin + noch um die 5 m nebendran, also nicht alle "auf einem Haufen". 

Jetzt noch ein paar Beispiele, wie Buchenwald-Becherlinge (für mich) "normal" aussehen – der Zusammengeklappte war gute 8 cm "lang", zum Schluss der Peziza-Serie noch ein Bild mit (für mich) total abweichender Form (extrem gestielt), den ich aber mikroskopisch eindeutig zuordnen konnte – ebenfalls eine Erweiterung meines Artkonzepts.

Und dann noch ein Widerspruch mit Fotobeweis zu Deiner Hallimasch-These – das war nicht nur einer ;D

Heute war ich extra in meinem "Peziza-Wald", wo ich jahrelang immer massenhaft P. arvernensis gefunden habe: Null & nix! Stellenweise war es sogar richtig bodenfeucht, auf das Totholz konnten man sich nicht draufsetzen, das hätte eine nasse Hose gegeben. Aber außer 2 angetrockneten Rettich-Helmlingen und einem frischen Rehbraunen Dachpilz war absolut nichts frisches Pilziges zu finden, nicht mal Myxos. 

Viele Grüße – Rika
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: Felli am 17. Juni 2022, 00:56
Servus Rika,
du solltest nicht in der Nähe von Grundremmingen Hallimasche sammeln :o ;D

Ich war ebenfalls nicht untätig und hab auch ein paar Becher entdeckt.
Da sieht man ausser der Größe (2-5 cm) auch noch die extremen Farbunterschiede.
Gewachsen sind sie auf Sägespäne und Holz.

Ansonsten war so gut wie nichts im Wald trotz teils extremer Nässe

Grüße
Felli
Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: UmUlmHerum am 18. Juni 2022, 19:14
Hi Bernd,

die Funde von den Fotos sind alle vom Hochsträß, wie die heutigen auch  ;D. Die Hallis waren echt krass!

Und Du hast jetzt also auch (wieder?!) solche Peziza-Asci gefunden, die nicht so richtig reagieren wollen wie sie eigentlich sollten. Der Gestielte (letztes Bild der P. arv.-Serie von vorgestern) hatte immerhin sich "korrekt verhaltende" Asci, sonst wäre ich da auch ins Schleudern gekommen – siehe erstes Foto.

Aber ich kann Euch noch was Monströses zeigen – ein oder 20 Schuppige Porlinge, wie man´s nimmt. Erinnert an ein Multi-Kuheuter. Einmal am 19.5.22 fotografiert, dann am 6.6.22  – das "Ding" hat tatsächlich ungefähr 7 Hüte entwickeln können, und wurde nicht vorher von den Schnecken komplet vernichtet. Schuppige Porlinge können natürlich riesengroß werden, schon klar, aber wenn die Schnecken nicht dran gewesen wären – ein "Büschel" mit 20 Hüten?

Viele Grüße – Rika

Titel: Re: Peziza-Frage
Beitrag von: abeja am 18. Juni 2022, 19:35
Hallo Rika,
ich glaube, bei den Porlingen ist es so, dass sich ab einem gewissen Zeitpunkt nur einige zur vollen Größe entwickeln und die restlichen etwas "mickern" . So habe ich das jedenfalls schon mal gesehen.

VG abeja