Eine weitere Käppchenmorchel wurde aus Europa beschrieben - Morchella iberica

Begonnen von Christoph, 8. April 2020, 21:46

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Christoph

Lieber Felli,

ich bin skeptisch, ob die Makroskopie so sicher ist - ich habe ja nur die Diskussion der Originalbeschreibung kompiliert. Gerade der Stielansatz im Hut erscheint mir als Merkmal etwas gewagt - vielleicht muss man auch die Kollektion nehmen und einen Durchschnitt (was gut ist, wenn man nur eine findet...).

Aber genau darum ging es mir ja im Endeffekt: darauf aufmerksam machen, damit eben genau solche Aufsammlungen genauer betrachtet werden. Es freut mich, dass du es interessant findest und in Zukunft auch aufmerksamer bist. Ich habe, ehrlich gesagt, nur einen einzigen Herbarbeleg von Käppchenmorcheln gemacht und das ist Ewigkeiten her. Das werde ich jetzt auch nachholen - gut nicht genau jetzt (aktuell Nacht, dann viel zu trocken, wächst ja nix und die Morchelplätze sind zu weit weg - Ausgangsbeschränkung)  ;D

Es gibt ja zum Glück Unterschiede in der Mikroskopie, z. B. den Sporengrößen. Vielleicht geht da was, wenn die Fruchtkörper richtig reif sind. Wobei auch das in Zukunft getestet gehört - also das mit den Mikromerkmalen.

Ich hatte übrigens auch mal so eine kurzstielige untger Pappel - sogar bei mor in Mammendorf. Ist zwei Jahre her, und die kam erst Anfang Juni raus. Habe sie als "Abormität" in den Münchner Verein mitgebracht. Wollte 2019 nochmal was finden - mehr als nur den Einzelfruchtkörper - doch da kam gar nichts mehr. Vielleicht heuer, wenn's mal wieder regnet (wollte schauen, ob die Kurzstieligkeit über die Jahre konstant bleibt).

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Felli

Servus,
das ist ja sehr interessant Christoph,
ich hab mich schon des Öfteren gefragt ob das alles die selbe Art sein kann.

Hier mal ein paar Beispiele im Bild
Bild 1 : dunkle Gesellen mit kurzem Stiel ( fast glatt, ohne braune Flecken) Hut 5 cm hoch, 4 cm breit, Stiel ca 3 cm lang, Anwachsstelle des Stiels am Hut ca. 1/3 (evtl auch knapp die Hälfte) unterhalb der Hutspitze


Bild 2 : ein hell gelbbrauner Fruchtkörper der einer Verpel recht ähnlich sieht, mit einem bereiften Stiel, Hut 5,5 cm hoch, Stiel ca 5 cm lang, Anwachsstelle des Stiels am Hut ca. 1/3 unterhalb der Hutspitze


Bild 3 : Vier Freunde wie man sie zur Zeit bei uns nicht findet ( Bild 1 + Bild 2 + Speisemorchel + Typische M.semilibera )


Meinungen dazu ?

Grüße
Felli

Christoph

Servus beinand,

die Artenflut bei den Morcheln nimmt immer mehr zu. Jetzt auch bei den Käppchenmorcheln. Ich hatte je schonmal hier von Morchella populiphila berichtet, die durch Hybridpappelanpflanzungen nach Spanien und in die Türkei eingeschleppt wurde.

Es gibt in Europa noch eine dritte Art - brandneu beschrieben - Morchella iberica. Natürlich unterscheidet sie sich in der ITS von der normalen Käppchenmorchel. Aber es gibt weitere Merkmale.

Zunächst als Überblick: Es gibt mittlerweile (weltweit, das heißt aus Nordamerika, Europa und Asien) nur fünf Käppchenmorcheln. Da sist wirklich übersichtlich. Diese fünf heißen:

Morchella iberica, Morchella pakistanica, Morchella populiphila, Morchella punctipes und Morchella semilibera.

Morchella pakistanica kommt nur in Asien vor - ich habe im Moment keine Beschreibung von ihr vorliegen, kann sie daher nicht abgrenzen (außer zu sagen: andere ITS).

Morchella punctipes kommt bisher nur in Nordamerika vor. Sie zeigt schon jung braune Pusteln am Stiel, die Morchella semilibera erst später zeigt. Ist etwas dünn, aber mikroskopisch geht da sicher auch was. Nur ist es noch relativ egal, da sie auch (noch) nicht in Europa vorkommt.

Bleiben die letzten drei. Morchella populiphila hatte ich ja schon diskutiert (siehe link oben). Daher nur das, was neu dazu kommt an Information:

Offenbar kann man die drei ganz gut makroskopisch im Griff haben:

Morchella populiphila und Morchella iberica zeigen einen auffallend kurzen Stiel (ungefähr so lang über den Hut nach untern hinaus gehend, wie der Hut hoch ist), wodurch die Fruchtkörper sehr gedrungen sind. Erst später streckt sich der Stiel. Ist also auch ein bisserl wackelig, aber das heißt, man muss nur auffallend kurzstielige (wenn recht alt) genauer anschauen.

Dann die Kontaktstelle Stiel zu Hut:

Morchella iberica: Hut nur zu 1/3 frei
Morchella semilibera: Hut zu ca. 50% frei (nomen est omen)
Morchella populiphila: Hut zu 2/3 frei

Sondermerkmal von Morchella iberica: sie hat die meisten Primärwaben - von einer Blickrichtung aus betrachtet 20-25 (die anderen haben folglich weniger). Ich habe das mal eben auf Fotos getestet (passt ja: Blickrichtung der Kamera) und siehe da, wirklich unter 20.

Ökologie: wackelig, da Morchella semilibera ja fast überall vorkommen kann. Jedenfalls scheint Morchella populiphila nur bei Pappeln zu kommen, während Morchella iberica bei Castanea sativa, aber auch bei Populus, Fraxinus und weiteren Bäumen(?) fruktifizieren kann. Morchella semilibera finde ich auch häufig bei Pappeln, aber auch bei Eschen - und in allen möglichen Habitaten.

Die Verbreitungsareale sind immer so eine Sache - wenn niemand weiß, dass es mehr als eine Käppchenmorchel gibt, der schaut sie auch nicht genauer an. Jetzt ist klar: es gibt zwei heimische Arten plus eine eingeschleppte (plus dem, was zukünftig noch entdeckt wird).

Dieser ganze Beitrag baut auf folgender Literaturstelle auf:

Philippe CLOWEZ, Javier MARCOS MARTINEZ, Raymon SANJAUME, Guilhermina MARQUES, Jean-Michel BELLANGER & Pierre-Arthur MOREAU (2020): A survey of half-free morels in Spain reveals a new species: Morchella iberica sp. nov. (Ascomycota, Pezizales). Ascomycete.org 12(1): 11–18. doi: 10.25664/ART-0291
(publiziert am 15.2.2020)

Liebe Grüße,
Christoph
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