Hallo zusammen,
aufgrund einer Diskussion in einem anderen Forum kam mir wieder ein Artikel in den Sinn, den ich mal beim Schmökern der Mycologia in Händen hatte:
Kerrigan et al. (2005): Agaricus section Xanthodermatei: a phylogenetic reconstruction
with commentary on taxa. Mycologia, 97(6), pp. 1292–1315.
Dieser interessante Aufsatz beschäftigt sich primär mit der Verwandtschaftsanalyse unter den Karbolegerlingen. Da die einzelnen Arten aber auch kommentiert werden, ist mir aufgefallen, dass mehrere Arten im Fleisch röten können! Hierbei wird zudem erwähnt, dass das Gilben oft nur schwach ausgeprägt ist und vom Röten rasch verdeckt werden kann. Die bekannten Arten, die dieses Verhalten deutlich zeigen:
Agaricus pseudopratensis (heimische Art, gilbt zumindest in der Stielbasis relativ deutlich, rötet häufig)
Agaricus freirei (Art aus Frankreich, rötet relativ stark)
Es gibt zwei weitere Arten, die schwach röten können:
Agaricus phaeolepidotus (Rebhuhnegerling, Röten meist nur schwach ausgeprägt)
Agaricus hondensis (nordamerikanische Art, rötet meist schwach)
Die Arten sind genetisch gut getrennt und weit von A. xanthodermus entfernt. Auch mikroskopisch geht was (z.B. Sporenmaße).
Da das Gilben auch schwach ausgeprägt sein kann, muss man insbesondere in der Pilzberatung aufpassen. Ein an der Stielbasis abgeschnittener Agaricus pseudopratensis kann wohl nur anhand des Geruchs (makroskopisch) sauber von Agaricus pratensis unterschieden werden, ist aber wohl Magen-Darm-giftig.
Zu guter Letzt noch ein weiterer Aufsatz über Karbolegerlinge...:
Callac & Guinberteau (2005): Morphological and molecular characterization of two novel species of
Agaricus sect. Xanthodermatei. Mycologia, 97(2), pp. 416–424.
Hier wurden zwei neue Arten der Sektion aus Europa (Frankreich) beschrieben, beides Miniaturarten, also winzige Fruchtkörper bildende Arten:
1.) Agaricus xanthodermatulus. Er sieht aus wie eine Zwergform des Karbolegerlings, unterscheidet sich aber u.A. durch deutlich größere Sporen (neben Größe und auch genetischer Merkmale): 6,5-8 x 4,5-5,5 µm (im Vergleich zu 5-6,5 x 3,5-4,5 µm für A. xanthodermus)
und:
2.) Agaricus parvitigrinus: auch ein Zwerg, aber mit grauen mit Hutschuppen und kleineren Sporen: 5,5-7 x 3,5-4,5 µm, also ungefähr wie bei A. xanthodermus; genetisch aber sehr gut unterschieden...
Beide natürlich noch nicht in Deutschland, geschweige denn Bayern nachgewiesen. Wer beim Überarbeiten seines Herbars aber kleine Karbolegerlinge in Händen hat, sollte an die Beschreibungen denken.
Und nicht zu vergessen: die Karbolegerlinge, deren Fleisch auch röten kann. Das ist auch und gerade für Pilzsachverständige nicht uninteressant. Deshalb bitte weiterleiten / weitererzählen etc.
Liebe Grüße
Christoph
P.S.: vor wenigen Tagen erfuhr ich zufällig, dass so ein rötender Karbolegerling (mir gilbender Stielbasis) in der Umgebung von Mainz gefunden wurde. Bin gespannt, ob sich die Art nachbestimmen lässt.