Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Expertenforum Mykologie => Thema gestartet von: UmUlmHerum am 17. April 2021, 02:07

Titel: Welcher Flammulaster?
Beitrag von: UmUlmHerum am 17. April 2021, 02:07
Guten Morgen!

Am 2.4.21 war ich hier in der Nähe von Erbach/Donau im "Morchelwald", wobei selbige noch nicht da sind. Dafür gab es hübsche Anemonen-Becherlinge/Dumontania tuberosa (falls es nicht Scharbockskraut-Becherlinge/Sclerotinia binucleata = ficariae sind – Buschwindröschen und Scharbockskraut wachsen durcheinander) und einige Morchel-Becherlinge/Disciotis venosa.

Jetzt aber zu meiner Hauptfrage:
Bei den Morchelbechern standen diese beiden winzigen Pilzchen, bei denen ich von oben zuerst an Fruchtkörper von Schleimpilzen dachte, dann von der Form her an den Buchen-Hütchenträger, weil die Oberfläche so staubig aussieht und weil sie so klein sind. Erst als ich vor ihnen auf dem Bauch lag, erkannte ich den glockigen Hut (Ø ca. 2 mm, Höhe knapp 3 mm) mit Stiel, beides sieht rotbraun "bereift" aus, mini-flauschig. Nach dem Fotografieren habe ich einen rausgezupft und von unten angeschaut: ein Dunkelsporer mit gelblichen Lamellen. Mangels Transportbehälter habe ich sie erst mal dort gelassen. Eine Woche später war ich wieder dort: es sind mehr geworden – wer um diese Jahreszeit fruktifiziert, muss mit Aprilwetter zurecht kommen – und sie sind weiter gereift:

Beobachtungen meiner neuen Aufsammlung (9.4.21):
– Hut–Ø jetzt bis 6 mm im schirmförmig-ausgebreiteten Zustand, dabei verkahlend
– 17 Lamellen erreichen den Stiel, 1-3 Lamelletten
– Sporen: SPP rotbraun, etwas dickwandig, Form siehe Foto; (7,4) 8-10 (11,6) x 4-5 µm; Q = (1,7) 2,0 (2,2)
– Cheilozystiden vielgestaltig, meist leicht keulig/kopfig(!), aber auch flaschenförmig, zylindrisch-verbogen... siehe Fotos
– Schnallen kaum zu finden/sehen, aber es gibt welche
– HDS aus großen blasigen Zellen, auch etwas langgestreckt, Trama aus langen, dünnen Hyphen

Trotz Mikro bin ich mir weiterhin über die Art nicht wirklich im Klaren – es gibt mehrere sich widersprechende Merkmale, falls man sich auf die verschiedenen Schlüssel und Beschreibungen verlässt.

Verwendete Literatur:

GpBW = zu wenig Arten, unbrauchbar

Hausknecht & Greilhuber (2013): Die Gattungen Flammulaster und Phaeomarasmius in Österreich
https://www.zobodat.at/pdf/OestZPilz_22_0031-0048.pdf (https://www.zobodat.at/pdf/OestZPilz_22_0031-0048.pdf) = interessant, mit Schlüssel und tw. Mikro-Zeichnungen, aber nicht für alle Arten eine Beschreibung.
ZitatFlammulaster granulosus ist in Österreich ebenfalls selten. Zur Unterscheidung von der ähnlichen Art Flammulaster ferrugineus siehe oben. Auch anhand von älteren Belegen, zu denen oft keine Fundbeschreibung vorliegt, lassen sich die beiden Arten auf Grund der unterschiedlichen Huthautelemente gut unterscheiden.
Fazit: F. ferrugineus hat einen hygrophanen Hut + die HDS aus länglichen Elementen – F. granulosus nicht hygrophan (passt bei meinem Fund) und rundlichen HDS/Flocken-Zellen (ja), die aber auch F. muricatus (aber der sei nur auf Holz) und F. gracilis haben soll, siehe unten.

Else C. Vellinga (1986): "Flammulaster in the Netherland"  (https://www.mykoweb.com/CAF/species/Flammulaster_muricatus.html (https://www.mykoweb.com/CAF/species/Flammulaster_muricatus.html) – von hier aus den Link Vellinga bei "Description" anklicken = Vellinga-pdf):
Flammulaster gracilis:
ZitatLamellae (L = 15—28, l = 1—5) ...
Spores in side view (6.5-)7.0-9.0(-10.0) x (4.0-)4.5-5.0(-5.5) µm, Q = (1.55-) 1.6-1.85(-1.9), Q = 1.7, ellipsoid to oblong, a few slightly phaseoliform, in frontal view 4.5-5.0(-5.5)µm broad, Q = 1.55—1.8(—1.85),Q = 1.65-1.7, oblong, without germ pore, brown and thick-walled. Basidia 21—38 x 7—10 µm, 4- and also 2-spored, some with brown content. Cheilocystidia not crowded, 29—45 x 5—12 µm, very variable in shape, cylindrical, subutriform, narrowly clavate, without or with subcapitate apex, colourless and thin-walled. Pileipellis a cutis made up of cylindrical and inflated hyphae, with an upper layer of globose to oblong elements, 10—50 x 8—45 µm, with brown incrusting pigment. Stipitipellis a cutis, at apex with caulocystidia similar to cheilocystidia.
dito für Flammulaster granulosus:
ZitatLamellae (L = 13—16, l = 1—3) ...
Spores in sideview (7.5—)8.0-9.5(-10.5) x 4.0—5.5 µm, Q = (1.45—)1.6—1.9(- 2.2), Q = 1.65—2.0, fusiform-amygdaliform with suprahilar depression and confluent hilar appendage, in frontal view (4.0—)4.5—5.5 µm broad, Q = (1.4—) 1.5—1.85(—2.0), Q = 1.6—1.9,slightly fusiform to oblong, without germpore, brown, moderately thick-walled. Basidia 22—40 x 6—8 µm, 4-spored, also some 2-spored. Cheilocystidia 25—75 x 3—9 µm, narrowly lageniform to narrowly cylindrical, irregularly flexuosein apicalpart, colourless, thin-walled. Pileipellis made up of chains of mostly globose to oblong, 10—30 µm wide elements with thickened wall and heavily incrusting brown pigment. Stipitipellis a cutis, at apex with caulocystidia similar to cheilocystidia, in lower part with loosely arranged cylindrical hyphae with rather short elements, thick-walled, with incrusting brown pigment.

Nach den Mikro-Zeichnungen von Vellinga sollte F. gracilis ein kleines Spitzle auf dem Hut und noch dickwandigere Sporen als F. granulosus haben. Im Aufsatz von Hausknecht & Greilhuber (2013) werden u.a. auch Funde beschrieben, die sich nicht genau an die vorgesehenen Artkonzepte halten (z.B. S. 46 Abbildung "Flammulaster spec.", der meinen recht ähnlich sieht) und auf Vellinga verwiesen.

Zu F. gracilis passen:
Form der Cheilos, aber sie wachsen sehr dicht zusammen, auch büschelig

Zu F. granulosus passen:
– Anzahl der Lamellen und Lamelletten
– Sporengröße und Q-Wert (einen Tick besser als zu Fl. grac., wobei sich das nicht viel schenkt)
– moderat dickwandige Sporen

Insofern tendiere ich eher zu Flammulaster granulosus, im MOSER komme ich auch dort hin... ABER mit solchen Zystiden???

Fotoverzeichnis:
Erster Fund vom 2.4.21 (2 Fotos)
Kollektion vom 9.4.21 (2 Fotos)
Auflicht Hut von unten (2 Fotos)
Ansatz der Lamellen an der Stielspitze
büschelige Cheilos an der Lamellenschneide
granulierte Hutoberfläche
blasige Elemente von dort
Sporen 800x
HDS 320x
oberste Schicht HDS 320x
Cheilozystiden 320x
Cheilos 800x (4 Fotos)

Hias hat ja einen Flammulaster granulosus auf seiner HP, Rudi hat Flammulaster "granulosus" hier https://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1540.msg23867.html#msg23867 (https://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1540.msg23867.html#msg23867) vorgestellt, den ich jedoch eher bei F. limulatus (s.l.?) verorten würde. In Bayern gibt´s diese Art offensichtlich (siehe Kartierung Pilze Deutschland) und wurde von "Euch" auch schon gesehen, während diese ganzen Flammulaster-Winzlinge für mich Neuland sind – was meint Ihr zu meinem Fund?

Merci & viele Grüße – Rika
Titel: Re: Welcher Flammulaster?
Beitrag von: Älbler am 17. April 2021, 12:22
Hallo Rika,

was spricht gegen Flammulaster muricatus?
Der müsste solche capitaten Zystiden haben. Auch Größe und Habitus der Fruchtkörper würden passen. Bei VESTERHOLT in der FN werden die Sporen mit "ellipsoid to amygdaloid" angegeben. Die Sporengröße würde auch passen.
Die Zeichnungen bei HAUSKNECHT/GREILHUBER sind etwas verwirrend!

Viele Grüße
Christian
Titel: Re: Welcher Flammulaster?
Beitrag von: UmUlmHerum am 17. April 2021, 17:20
Hallo Christian,

was gegen Flammulaster muricatus spricht: wächst auf Holz (vor allem Buche), hat 20-30 Lamellen, die den Stiel erreichen, größeren Hut (MOSER 1,5 - 3 cm, VELLINGA 0,4 - 2 cm) und kürzere (kleinere) Sporen mit dicker Wand, Q < 2, längere Cheilos... Da passt einfach zuviel nicht.

Trotzdem vielen Dank & viele Grüße – Rika
Titel: Re: Welcher Flammulaster?
Beitrag von: Hias am 18. April 2021, 08:22
Servus Rika,

leider habe ich nur den einen Fruchtkörper von F. granulosus, der auf meiner Website dokumentiert ist - ich weiß gar nicht, was mich geritten hat, den Winzling einzeln mitzunehmen. F. gracilis und ferrugeineus kenne ich nicht - insofern kann ich das nicht kompetent beurteilen. Makroskopisch und vom Standort her stimmt deine Kollektion perfekt mit meiner überein. Die HDS-Zellen sahen bei mir dunkler braun und stärker inkrustiert aus, ich hatte aber auch in KOH mikroskopiert und du sicher in Wasser. Bei den Cheilos habe ich auch etliche apikal erweiterte oder gar gegabelte fotografiert - die scheinen also ein bissl variabel zu sein. Insofern würde ich deine Kollektioni mit dem Schlüssel in Funga Nordica pfeilgerade als F. granulosus schlüsseln.

Sehr hübsche Schwammerln :D

Beste Grüße
Hias
Titel: Re: Flammulaster granulosus
Beitrag von: UmUlmHerum am 19. April 2021, 01:48
Servus Hias,

merci für Deine Einschätzung und Kommentare!
Ich vermute, Du hast den Einzel-Frk. mitgenommen, weil es ein Braunsporer war ;) 

Wie Du völlig richtig angenommen hast, habe ich frisch und in Wasser mikroskopiert. Außerdem hab´ ich den Größten genommen (Ø 6mm), weil man da a bisserl mehr in der Hand hat. Der Hut war eben schon ziemlich verkahlt, das inkrustierte Gekröse weitgehend abgewaschen.

Bis auf die Zystiden finde ich die Guten auch sehr F. granulosus – Du würdest Dich also trauen, sie ohne cf. abzulegen!? Schade, dass Du auf Deiner HP nur ein Foto mit regulären Zystiden abgebildet hast. Ich hatte im Web halt nirgends solche keulenförmigen Zystiden bei F. gran. gesehen... Wäre ja gut, wenn eine solche Variabilität publik würde... oder müsste ich dazu erst sequenzieren lassen?

Viel Regen & eine gute Nacht – Rika
Titel: Re: Welcher Flammulaster?
Beitrag von: Hias am 19. April 2021, 09:21
Servus Rika,

ich würde aufgrund der abweichenden Zystidenform ein cf. dranlassen und dazuschreiben, dass du gemäß FN geschlüsselt hast.
Ansonsten würde ich weitere Funde abwarten. Sequenzieren hätte ja nur Sinn, wenn die Sequenzen der infrage kommenden Typuskollektionen hinerlegt sind. Ich weiß nicht, wie da der Bearbeitungsstand in der Gattung ist.

Beste Grüße
Hias
Titel: Re: Welcher Flammulaster?
Beitrag von: UmUlmHerum am 20. April 2021, 17:11
Servus Hias,

die FN habe ich nicht – wird dort auf die Zystiden abgehoben? Wenn ja, in welchem Maße?

Wenn ich nach MOSER schlüssle (1 – 2* – 4 – 5* – 7* – 8* – 10), komme ich ganz zweifelsfrei zu F. granulosus, in diesem Fall werden keine Zystiden beschrieben  8) . Die nächstliegende Art ist dort F. ferruginea(-us), die jedoch kleinere Sporen hat. Am Schluss der F. gran.-Beschreibung steht "Lge. 124 C" – weiß jemand, was das bedeutet??

Wenn ich nach VELLINGA schlüssle (1 – 3 – 4 – 5 – 5.1), komme ich ebenfalls zu F. gran., jedoch ohne kopfige Zystiden ("not subcapitate"). Die Parallelart ist wiederum F. ferr., unterschieden durch die länglicheren HDS-Zellen und die minimal kleineren Sporen.

Im HAUSKNECHT/GREILHUBER-Schlüssel komme ich auch zu F. gran.: 1* – 6* – 7 – hier trennen sich die Wege je nach Wanddicke der Sporen (dickwandig führt zu F. gracilis und der F. limulatus-Gruppe) – bei mäßig dickwandig: 8 = F. gran. (ABER: "Cheilozystiden schmal spindelig bis zylindrisch, nie kopfig"); 8* = F. ferr.; Unterscheidung s.o.: HDS. Wenn ich die Zeichnungen der HDS anschaue, so bin ich bei meinem Fund klar bei F. granulatus. Die gezeichneten Cheilos von F. ferr. sind übrigens weniger(!) kopfig als bei meinen F. (cf.) granulatussen...

Jetzt kann man sich natürlich drüber streiten, welchen Mikro-Merkmalen man mehr Beachtung schenken möchte: Sporengröße / HDS-Zellenform / Cheiloszystidenform??? Deswegen fände ich es ja so spannend, wenn andere (wie Du) auch schon F.-gran.-Funde mit keulig-kopfigen Cheilos hatten... alles andere passt ja eh wunderbar.

Lothar K. habe ich übrigens auch dazu befragt: er meint, F. ferr. sei das schon makroskopisch nicht, die seien dunkler rotbraun.

Herzliche Grüße – Rika