Servus Schorsch,
zunächst nochmal zu dem Epitheton erythropus.
Ich persönlich (und das ist eine reine Meinungsäußerung) finde es aus nomenklatorischer Sicht völlig unsinnig, dass zwei unterschiedliche Pilzarten sich ein Epitheton teilen (bei gleicher Urheberschaft):
nach Simonini et al. (2017) ist
Boletus erythropus Pers.:
Fr. der Flockenstielige Hexenröhrling,
während
Neoboletus erythropus (
Pers.: Fr.) C. Hahn der Glattstielige Hexenröhrling sein soll. :-X
Hintergrund: In der Gattung Boletus hat Fries den Namen Boletus erythropus sanktioniert und meinte damit den Flocki. Dieser Gebrauch hat sich lange Zeit unwidersprochen bewährt, bis zwischendurch Boletus luridiformis ausgegraben wurde. Da wurde das erste Mal diskutiert, ob man nicht diese - allerdings jüngere - Beschreibung nehmen sollte, da Persoon eventuell nicht den Flocki meinte, als er Boletus erythropus Persoon beschrieb.
Das wurde dann beigelegt und es wurde trotzdem weiter Boletus erythropus für den Flocki verwendet.
Als dann die Gattungen aufgesplittet wurden, haben die Autoren sicherheitshalber Boletus luridiformis als Typus der neuen Gattung Neoboletus angegeben, da sie vermutlich Sorgen hatten, dass rein theoretisch, wenn sie Boletus erythropus genommen hätten, das nachträglich wegen Persoons Originalinterpretation seiner Art doch zu einer anderen Gattung gehören könnte (zu Suillellus).
Den Plan, Boletus erythropus durch Boletus luridiformis zu ersetzen bzw. statt Neoboletus erythropus Neoboletus luridiformis zu verwenden, wird aber kaum aufgehen, denn "erythropus" für den Flocki ist weltweit zu sehr eingeführt und etabliert. Eigentlich soll man in solchen Fällen den Gebrauch erhalten, um keine nomenklatorischen Ambiguitäen zu erzeugen.
Jetzt kommt dazu, dass durch die Neotypisierung von Boletus erythropus eigentlich der Glattstielige Hexenröhrling Suillellus erythropus heißen müsste (wurde nur noch nicht so kombiniert). Man wird also ab jetzt, wenn man das dasnn wirklich macht, einen neuen Namen für den Flocki finden müssen. Und da ist (Neo)Boletus luridiformis nicht mal der älteste (Boletus praestigiator ist älter).
Alles völlig unnötig.
Jetzt aber zu Sutorius. Halling et al. (2012) hatten die Gattung Sutorius für Boletus eximius Halling, Nuhn & Osmundson (= Tylopilus eximius = Leccinum eximium usw.) aufgestellt. Das ist eine sehr aberrante Art, die einen Stiel wie ein Birkenpilz hat (sehr flockig), aber ein rotbraunes Sporenpulver ohne jeden Olivanteil, weshalb Tylopilus lange als Gattung verwendet wurde. Halling et al. (2012) haben aber gezeigt, dass die Art genetisch isoliert steht und sicher weder zu Boletus, noch zu Tylopilu ss.str. geschweige denn zu Keccinum gehört.
Wu et al. (2016) haben den Artikel "One hundred noteworthy boletes from China" publiziert - eine nette Idee, Hundert Boleten vorzustellen. Dabei haben sie aber erneut sequenziert bzw. nochmal die alten Daten durchgerechnet und einen Stammbaum erstellt (immerhin 4 Loci und nicht nur die ITS). Hier ist Sutorius eximius erneut sehr isoliert und stark von anderen Röhrlingen abgesetzt (zusammen mit Sutorius australiensis), Bootstrap 100.
Es gibt noch ein paar andere Arten / kleine Artengruppen, die mit Bootstrapwerten von 100 abgegrenzt sind. Das meiste löst aber nicht richtig auf.
Jetzt haben Wu et al. (2016) den ganzen Gießkannenstammbaum als Surotius zusammengefasst - das stützt sich auf einen Bootstrapwert von 86 - die Bayesian Propability ist nichtmal angegeben (zu gering). Kurzum: das Ausweiten der Gattung Sutorius auf diverse Arten inklusive Neoboletus spp. ist nicht stichhaltig und basiert nur auf der Genetik - und da ist es wackelig.
Es kann gut sein, dass hier die Stammbäume noch länger nicht richtig auflösen - es gibt immer wieder Gruppen, in denen die (wenigen) bisherigen Loci nicht reichen - und vielleicht auch noch mehr nicht ausreichen (z.B. bei einer sehr schnellen Artbildung / Populationsaufspaltungen ist die Reihenfolge der Aufspaltungen genetisch nicht auflösbar. Deshalb ist auch und gerade das Finden von passenden Autapomorphien (neue "Erfindungen", die entstanden und durch die genetische Isolation nach dem Aufspalten nicht an die anderen Teilpopulationen weitergegeben werden konnte. So kann man die Reihenfolge zeitlich aufdröseln. Nur haben Pilz da zu wenig Merkmale (fürchte ich), um das gut hinzubekommen. Man muss aber dennoch Merkmale und DNA betrachten.
Gut, jetzt schlagen Wu et al. (2016) vor, dass man die sehr isolierte Gattung Sutorius ausweiten soll und weitere Rotporer einschließen soll, obwohl es genetisch mehr als wackelig ist. Natürlich dürfen sie das voerchlagen und gültig kombinieren. Man muss dem aber nicht folgen.
Hier kann ich diese Umgruppierung rein argumentativ nicht nachvollziehen. Ich bin ja für vieles offe, auch für diverse Spaltereien, wenn sie denn begründet sind. Das sehe ich hier nicht.
Leider übernehmen Datenbanken wie Mycobanki oder IF oft sehr unkritisch solche Schritte.
Mycobank und Index Fungorum sind extrem wertvolle(!) Datenbanken. Sie sammeln Daten zu Neubeschreibungen - also, welcher Beleg der Typus ist, wann das Taxon beschrieben wurde, natürlich auch von wem und in welcher Zeitschrift / Publikation. Man kann daher sehr gut alle Namen finden, die auf dem gleichen Typus basieren. Die sind natürlich per se Synonym.
Sobald aber eine Synonymie Taxa betrifft, die unterschiedliche Typen haben, ist die Synonymie eine reine These. Gerade aktuell sieht man, wie viele Taxa, die lange als Synonym galten, jetzt doch wieder abgetrennt werden. Welche Taxa, die auf unterschiedlichen Typen basieren, Synonym sind, kann man daher nicht festlegen. Der mit den besten Argumenten wird sich durchsetzen.
Leider gegen Mycobank und IF heterotypische Synonyme an - hier z. B. Sutorius und Neoboletus.
Sutorius basiert auf Boletus eximius und damit auf den Typusbeleg dieser Spezies.
Neoboletus basiert auf Boletus luridiformis Rostk. und damit auf das Originalmaterial von Rostkovius (falls vorhanden - ich glaube, da ist nichts) und somit zumindest auf dem Protolog von Boletus luridiformis.
Ob aber Boletus eximius und Boletus luridiformis in die gleiche Gattung gehören, kann weder IF noch Mycobank festlegen. Dafür fehlt beiden Datenbanken die Manpower. Die Leitung der beiden Seiten müsste ja bezüglich aller Pilzartenh weltweit so viel Expertenwissen besitzen, dass sie als "Instanz" entscheiden könnten, was mit wem Synonym ist. Dem ist aber nicht so.
Insofern muss man selbst den Monographien und der Spezialliteratur folgen und muss auch nicht alles blind übernehmen. Leider scheint es sich zumindest bei uns etwas durchzusetzen, dass IF oder MycoBank als Entscheidungsträger angenommen wird. In anderen Foren lese ich das als Begründung immer wieder, es taucht auch in diversen Artikeln (deutschsprachig) auf. Ich fürchte, dass das auch bei der TaxRef-Liste Eingang bekommt.
In dem Fall muss man wirklich sagen, dass man auch würfeln oder pendeln könnte, denn die Datenbanken übernehmen gerne einfach den neuesten Artikel, der greifbar ist. Ob der recht hat, ist egal, denn das kann mangels Manpower nicht geprüft werden (eigentlich geht das eh nicht, denn die These, die der Artikel aufstellt, muss erst geprüft und diskutiert werden - nach ein paar Jahren kann man dann die Entscheidung fällen).
Bezüglich Sutorius habe ich z.B. im DGfM-Forum von einem Teilnehmer lesen "dürfen":
ZitatÜbrigens ist der Gattungsname Neoboletus Gelardi et al. 2014 ein Synonym von Sutorius Halling et al. 2012. Somit müsste unser Flocki dann folglich Sutorius luridiformis oder Sutorius praestigiator heißen - oder meiner Meinung nach als Verfechter der Konservierung des Namens erythropus im gebräuchlichen Sinne dann eben Sutorius erythropus ...
(Quelle: https://forum.dgfm-ev.de/thread/1683-flockenhexe-mit-artefakt-oder-was-anderes/?postID=9348#post9348)
Die Aussage "Übrigens ist der Gattungesname... ein Synonym von ..." dürfte durch IF / Mycobank ausgelöst worden sein. Denn dort wird das ja so angegeben - und viele folgen IF blind.
Wir müssen wieder dazu kommen, wissenschaftliche Artikel als das zu sehen, was sie sind: Thesen, die aufgestellt werden. Niemand hat per se Recht und niemand weiß, was mit wem wie verwandt ist. Wir vermuten nur und suchen Argumente pro und contra unserer Vermutung. Und haben wir sehr gute Argumente pro, dann kann sein, dass bessere für ein Contra gefunden werden (in Zukunft).
Folgt man einer Datenbank, die eigentlich nur die Grunddaten sammelt und nebenbei versucht, da, wo sie hinterherkommt, einem aktuellen Stand zu kompilieren, werden wir oftmals auch Unsinn übernehmen. Folgt man den aktuellsten Monographien, hat man begründete Thesen vor sich. Die Datenbanken folgen nur dem letzten Artikel, wie begründet das auch sein mag.
Hier konkret: Vielleicht stimmt das ja auch mit Sutorius - ich folge dem aber nicht. Für mich ist das weiterhin eine Gattung mit ein bis zwei Arten. Und Neoboletus ist nicht wirklich gut definiert. Da wird es spannend, das nachzubessern. Und dafür braucht man auch anatomisch-morphologische Merkmale. Die Rhizomorphen des Flocki unterscheiden sich von denen aller anderer Rotporer, die ich untersucht habe. Jetzt wäre es spannend, wie es bei Sutorius eximius aussieht. (Ich muss mal irgendwann meine Rhizomorphenstudien veröffentlichen).
Liebe Grüße,
Christoph