Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Expertenforum Mykologie => Thema gestartet von: günter am 3. Januar 2014, 20:06

Titel: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 3. Januar 2014, 20:06
Hallo liebe Pilzfreunde,

vor einigen Tagen fand ich einen sehr ungewöhnlichen Porling am abgebrochenen Stamm einer jungen Weide. Als Porling hatte ich das Gebilde überhaupt nicht erkannt, sondern zuerst an Hyphoderma mutatum gedacht, die ziemlich dickliche Fruchtkörper bilden kann. Erst zu Hause sah ich die feinen Poren. Der Fruchtkörper wächst ober- und unterseits des auf der Erde liegenden Astes. Der Teil, den das erste Bild in total zeigt, ragte frei in die Luft. Das Holzstück ist 16 cm breit und die größte "Stalaktite" ist 7 cm lang. Stalaktitenähnliche Bildungen finden sich überall am Fruchtkörper und sie sind auch mit Poren bedeckt. Außerdem finden sich effus-reflexe "dimidiate" Hutbildungen mit einer "wolligen" Oberfläche, d.h. tatsächlich sind es weiche Blättchen, die ein- oder mehrzipflig auslaufen. Die Poren sind ziemlich regelmäßig, ganzrandig, mit frisch dicken Dissepimenten, die Wände teilweise so dick wie der Durchmesser der Pore, rundlich, z.T. etwas verlängert. Unter dem Mikroskop sieht man ein monomitisches Hyphensystem mit dünn- und dickwandigen bis fast soliden Hyphen, wobei auch letztere Septen ohne Schnallen besitzen. In der Röhrentrama finden sich versteckt inkrustierte Zystiden mit mehr oder weniger großem Kristallschopf, wobei es nicht  klar ist, ob es sich tatsächlich um mineralische Kristalle handelt, denn der Pilz enthält viel Öl. Die Öltröpfchen schwimmen im Präparat und es ist nicht leicht zu erkennen, wann es sich um ein Tröpfchen oder eine rundliche Spore handelt, da letztere ebenfalls einen großen Öltropfen in sich haben. Im Präparat sieht man auch viele Hyphenstränge, die sich in den Poren gemeinsam zuspitzen und die gemeinsam mit einer körnigen Substanz besetzt sind. Manche Hyphen scheinenen gloeopler zu sein, sie enthalten entweder Tröpfchen oder kleine Körnchen. Die Sporen sind ca. 4-5 µm groß. Die Basidien sind sehr unterschiedlich geformt, manche clavat, andere eher blasig und eine war suburniform.
Beim Trocknen verfärbten sich die Spitzen der Auswüchse rötlich und gingen dann in braun und schwärzlich über. Das soll erstmal als Beschreibung genügen. Schaut euch nun mal die Aufnahmen an.
Viele Grüße
Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. - Sistotrema spec.?
Beitrag von: günter am 4. Januar 2014, 12:05
Hier noch eine Ergänzung. Die Röhrenschicht ist allenfalls 1mm dick. Sie löst sich beim getrockneten FK leicht vom krümeligen Context. Auch die Oberfläche ist deutlich vom Context geschieden. Mittlerweile sind bei mir Zweifel aufgekommen, ob es sich überhaupt um einen Porling handelt. Aber auch bei den Corticiaceen bin ich nicht fündig geworden.
Am ehesten passt Sistotrema, aber die als poroid bekannten Arten haben alle Schnallen. Trotzdem könnte es die Gattung gut sein, denn ich habe auch einige Hyphenschwellungen an den Septen gesehen und die suburniform Basidiole passt auch gut dazu. Weiß jemand, ob sich bei Sistotrema gegenüber den "Corticiace of North Europe" von 1987 etwas getan hat? Wer käme als Experte evtl. infrage. (Ich habe nur begrenzte Möglichkeiten, sowohl von der Zeit her als auch von meiner Ausrüstung)

Viele Grüße
Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: Wolfgang D. am 6. Januar 2014, 14:16
Hallo Günter,
ich denke hier an Physisporinus und würde Sistotrema jedenfalls ausschließen.
LG
Wolfgang

Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 6. Januar 2014, 17:38
Hallo Wolfgang,

vielen Dank, dass Du an meinem Fund mitwirkst. Physisporinus ist sozusagen der zystidenlose Rigidoporus. Ich weiß nur von P. sanguinolentus und P. vitreus. Letzterer überkrustet zwar seine Umgebung, aber von einem effus-reflexen Wachstum mit derartigen Auswüchsen habe ich noch nie gehört. Ich kenne P. vitreus auch aus eigener Anschauung. Er sieht milchig-glasig aus, ganz anders als mein Fund. Auch die beschriebenen Mikromerkmale findet man dort nicht. Ich werde mir noch die Zeit nehmen und ein paar Aufnahmen durchs Okular machen. Wieso schließt Du Sistotrema so kategorisch aus?
Gruß
Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: Peter P. am 6. Januar 2014, 18:44
Hallo Günter u. Wolfgang,
nachdem Physiosporinus in die Diskussion gebracht wurde, wäre ich auch der Meinung von Wolfgang. Die makroskopische Beschreibung von Günter läßt m. M. auf die Gattung (inwischen nur noch eine Art, Ph. vitreus ?) schließen. Auch die Mikroskopie findet sich in der Literatur wieder: BERNICCHIA (2005) "......cystidioles ....apically encrusted in the dissepiments......", GPBW ".....Hyphen.....mit Kristallen besetzt...".. Auch JÜLICH (1984) erwähnt inkrustierte Cystiden und in PdS findet sich eine Skizze inkrustierter Hyphenenden.
Auffallend sind diese Stalaktitenbildungen schon, vereinzelt hatte ich sie bei Physiosporinus vitreus auch schon gesehen, ohne sie sonderlich zu registrieren (siehe Mitte Foto). Diese Bildungen sind ja bei poroiden Gattungen und Rindenpilzen eigentlich garnicht selten, solche "Hymenochaete rubiginosa- Stalaktiten" wird man aber selten finden.
Gruß Peter P.

Wolfgang, keine Sistotrema wegen fehlender Schnallen ?
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 6. Januar 2014, 20:14
Hallo Wolfgang und Peter,

an Physisporinus glaube ich nach wie vor nicht. Der wird z.B. beim Trocknen zäh-hart, mein Fund ist eher mürbe. Auch das viele Öl und die mit Tröpfchen und Körnchen gefüllten Hyphen passen nicht zu Physisporinus ( und auch nicht zu Rigidoporus). Ich schlage vor, dass ich zuerst die Mikroaufnahmen mache, und dann sehen wir weiter.
Die Stalaktiten bei Hymenochaete rubiginosa sind ja auch seltsam und interessant. Man kann ja auch nie einen Parasiten ausschließen. Aber bei meinem Fund sieht das normalem Fruchtkörperwachstum aus.

Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: Frank D. am 9. Januar 2014, 16:01
Hallo Günter,

was makroskopisch auch noch so wachsen könnte, wäre Loweomyces (Abortiporus) fractipes. Da würden sogar die Sporen passen. Andererseits müssten da schon mal paar Schnallen zu finden sein!
Ansonsten bleibst man bei schnallenlosen, monomitischen Fruchtkörpern, die auch noch kleine Hüte ausbilden, bei Oxyporus hängen.

Beste Grüße
Frank

P.S. Bei Physisporinus können auch vereinzelte inkrustierte Zystiden auftreten. Ist nur selten beschrieben!
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 9. Januar 2014, 23:54
Hallo Frank,

ich recherchiere gerade die Literatur der "Altmeister": Bourdot und Galzin, Donk, Pilat,Bondartzew, Domanski, Lowe, Rabenhorst. Das Thema ist sehr komplex. Es scheint sich um ein nicht näher untersuchtes Arten-Aggregat mit einigen Widersprüchen zu handeln. Ich melde mich wieder, aber es kann etwas dauern. Reichliches Material ist vorhanden. Wer mikroskopieren möchte, dem schicke ich gerne etwas zu. Bitte Adresse mailen: kgsturm@t-online.de

Viele Grüße

Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 22. Januar 2014, 21:24
Hier einige Mikroskopaufnahmen. Fotografiert durch das Okular mit einer Kompaktdigitalkamera Olympus SZ 31 MR - Mikroskop Olymbus BH-2. Leider kann ich nur 400-fach vergrößern, da ich z.Zt. nur mit halber Spannung arbeite. Ich stelle jetzt ersteinmal einige Fotos ein, da mein soeben geschriebener längerer Text verschwunden ist.
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 22. Januar 2014, 21:51
Ich bin wieder rausgeflogen. Für heute mache ich Schluss.

Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 23. Januar 2014, 00:27
Noch ein Versuch für heute morgen  :) Das Hymenophor ist spärlich, aber es gibt einige Basidien und Sporen. Die Basidien sind suburniform anscheinend mit 4-8 Sterigmen. Spricht doch sehr für Sistotrema.
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 23. Januar 2014, 17:11
Hier die Erläuterungen zu den Bildern und zum Ergebnis meiner Recherche zu Rigidoporus vitreus (gültiger Name lt. Mycobank).
Es gibt einige Widersprüche in der Beschreibung bei den verschiedenen Autoren, übereinstimmend wird aber berichtet, dass der Pilz beim Trocknen hornartig verhärtet und sein Subiculum sich braun verfärbt. Dies trifft auf meinen Fund nicht zu. Zwar wird der resupinate Teil steif, aber der Context des Subiculums ist krümelig und die Rückseite bleibt weißlich. Im Mikroskop kann das Präparat in 5%iger KOH leicht zerdrückt werden. Die Hyphen im Context laufen überwiegend kreuz und quer, es gibt aber auch einige Hyphenstränge mit parallel arrangierten Hyphen. Alle Hyphen sind einfach septiert, das Hyphensystem ist monomitisch. Die Hyphenbreite beträgt etwa 2-4-5-6 µm und die Hyphen sind häufig gewunden und ihr Durchmesser schwankt. Verzweigungen sind selten und treten meist in direkter Nähe zu einer Septe auf. Die Wandstärke der Hyphen ist ziemlich einheitlich und unabhängig von der Hyphenbreite und beträgt 0,5 - 1.0 µm. Die Wände erscheinen im Mikroskop blaßgrün und wenig kontrastreich. Gut kontrastierende dünnwandige Hyphen habe ich nicht beobachtet. Die große Mehrzahl der Hyphen bleibt in Phloxin B unverändert.
Diese Beschreibung trifft auch für die Hyphen im Subhymenium bzw. der Röhrentrama zu. Lediglich im Hymenium färbt sich der Zellinhalt rot. Einige Hyphen enthalten eine stark lichtbrechende Flüssigkeit. 
Im allgemeinen sind die Hyphen in der Röhrentrama wie im Context stark verwoben, in der Nähe der Poren bilden sich aber Hyphenbüschel, die an der Spitze mit einer in Phloxin anfärbenden Substanz verklebt sind. Sie sind sehr häufig und können als charakteristisch für den Pilz beschrieben werden.
Ein geschlossenes Hymenium wurde nicht beobachtet, jedoch spärliche Bereiche mit 3 bis 5 Basidien. Diese sind am Anfang zylindrisch mit einfacher Septenbasis. Später verformen sie sich suburniform. Es wurden mehrere Basidien mit 6 Sterigmen gefunden, aber auch welche mit anscheinend vier und eine junge scheint sogar 8 Sterigmen zu haben. Die reifen Sporen sind ellipsoidisch 5.5 - 3.8 µm und recht einheitlich. Sie färben in Phloxin B gut an.
Nach diesen Beobachtungen hat sich mein zweiter Eindruck verstärkt, dass es sich bei dem Fund um keinen Porling handelt. Sistotrema werfe ich weiterhin in die Waagschale.
Aufgrund meiner unzureichenden Möglichkeiten sollte der Fund m. E.von einem wissenschaftlichen Spezialisten möglichst aus dem Corticiaceen-Bereich untersucht werden.
Wer kommt in Deutschland in Frage? Auf europäischer Ebene taucht Hallenberg in der neueren Literatur auf, ob Hjortstam und Eriksson noch aktiv sind, weiß ich nicht. Bei den Porlingen käme Niemelä infrage, ob er sich mit Corticiaceen, befasst, weiß ich aber auch nicht. Aber lieber wäre es mir schon, wenn ein interessanter deutscher Fund von einem deutschen Mykologen bearbeitet würde. Gibt es Vorschläge?
Ich schaue in ein paar Tagen nochmal ins Mikroskop, falls ich noch etwas Interessante entdecke oder mir eine bessere Aufnahme der Elemente des Hymeniums gelingt, melde ich mich wieder. Leider kann ich mich der Mykologie nur sporadisch widmen.

Viele Grüße

Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 23. Januar 2014, 17:25
Hier noch ein Foto einiger Sporen und eines verklebten Hyphenbüschels in Phloxin. Ein Teilstrich der Skala sind 2.5 µm.
hg
Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: Frank D. am 25. Januar 2014, 13:27
Hallo Günter,

das Einzige, was ich auf deinen Fotos erkenne, sind Hyphen und zwar ohne Schnallen. Diese Hyphen passen aber nicht zu Sistotrema!

Beste Grüße
Frank
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 25. Januar 2014, 14:31
Hallo Frank,

schade, dass Du nicht ein wenig mehr siehst als einfach septierte Hyphen. Leider sind meine Fotos nicht die besten. Aber, was man sieht ist, dass alle Hyphen verdickte Wände aufweisen.
Und die verklebten Hyphenbüschel kann man doch auch gut erkennen. Du hast allerdings recht, dass die Hyphen nicht typisch für Sistotrema sind. Zwar haben einige Arten der Gattung Sistotrema auch verdickte basale Hyphen, aber im Hymenium ist alles dünnwandig. Das passt nicht so recht.
Trotzdem ist mir der ganze Charakter des Pilzes zu wenig porlingsartig. Wie gesagt, ich werfe gelegentlich noch einen Blick ins Mikroskop und suche nach Hymenium. Das kann Stunden dauern....

Viele Grüße
Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 25. Januar 2014, 20:05
Wegen der verklebten Hyphenbüschel habe ich mir jetzt von einem der "Zapfen" ein wenig  Porenschicht abgeschabt, weil die Zapfen frei in der Luft hingen und nicht mit dem Boden in Berührung gekommen sind. Es ist ja nicht auszuschließen, dass die seltsamen Zuspitzungen durch ein Insekt verursacht wurden. Die Zuspitzungen waren im neuen Präparat genauso vorhanden und in der gleichen Häufigkeit. Ich füge noch ein Foto an.
Ich habe in den 90er Jahren mit Helga Große-Brauckmann zusammengearbeitet und meine Arbeiten sind in ihre große Corticiaceenarbeit eingeflossen. Damals habe ich über 1000 Corticiaceen und Porlinge mikroskopiert und mir ist ein derartiges Erscheinungsbild nie unter die Augen gekommen.
Leider habe ich trotz intensiver Suche keine seitwärts zu sehende Basidie mit Sporen gefunden. Bei einigen Ansichten von oben hatte ich auch wieder den Eindruck, das es Basidien mit mehr als vier Sterigmen sind, aber es war immer zu undeutlich, um letzte Sicherheit zu haben.
Ich habe noch das Färbeverhalten der Hyphenwände untersucht: Sie sind inamyloid und acyanophil.

Viele Grüße

Günter
Titel: Re: "Stalaktiten"-Porling - Rigidoporus spec. ?
Beitrag von: günter am 21. Februar 2014, 19:43
Da offenbar kein größeres Interesse an dem Thema besteht, schließe ich es hiermit (vorläufig) ab.

hg
Günter