Cortinarius (Myx) barbatus/crystallinus vs. ochroleucus/eburneus

Begonnen von Helmut, 22. Januar 2011, 19:41

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Helmut

Servus Andreas und Norbi,

ich stelle mal Ausschnitt-Vergrößerungen ein, bei denen ich meine, auch auf dem 2005er Bild (leider noch mäßige Qualität) ansatzweise dieselbe Farbstruktur erkennen zu können, obwohl die Frk. 2005 schon sehr angetrocknet waren. Die Sporen zeigten sich im direkten Vergleich identisch. Einen Sporenvergleich mit barbatus stelle ich in den nächsten Tagen noch dort ein ("Teil 4").

Der 2010er Fund hatte in allen Teilen gallebitteren Geschmack, der schon nach Berührung an den Fingern greislich war.

C. galeobdolon hatte ich auch in Erwägung gezogen, aber wegen der deutlich orangebraunen Farbtöne wieder verworfen. Mikroskopisch würde es ja passen und auch der Geschmack ist nach Brandrud et al. "im ganzen Fruchtkörper bitter". Bei Breitenbach&Kränzlin sowie bei Moser sind die Sporen deutlich schmaler (nur ca. 3-4 µm) und nur die Huthaut bitter. In der BaWü-Flora passt die Sporenbreite aber mehr zu meiner Kollektion (4-5 µm), was auch für die Hutfarbe zutrifft, die bei Breitenbach&Kränzlin oder Brandrud et al. kräftig orangebräunlich ist.

Schon irgendwie verwirrend! Vielleicht steckt in galeobdolon / causticus doch nicht nur eine Art.

Gruß

Helmut

mollisia

Hallo Helmut,

leider kann ich Dir zu dieser Kollektion nichts wesentliches sagen. Ich habe nicht das Gefühl sie zu kennen, sowas habe ich noch nicht gesehen bisher. Dieser sehr stark bereifte Hut mit dem intensiven orangeocker Unterton dürfte meiner Meinung nach was anderes sein als barbatus oder ochroleucus. Das erinnert ja schon eher an C. galeobdolon (= C. causticus ss. str.), aber der dürfte nur in der Huthaut bitter sein.

beste Grüße,
Andreas

Norbi

Hallo zusammen
vorerst zu meiner Person:
Ich bin wahrlich kein Cortinarius-Experte, interessiere mich jedoch seit einigen Jahren sehr für Cortinarien.
Ein Forum lebt von Für und Wider und da bisher zu diesem Thread  noch keine Antwort eingegangen ist, teile  ich eben mal meine ganz persönliche (welche sollte ich auch sonst mitteilen!?) Auffassung mit, ohne den geringsten Anspruch auf  Richtigkeit meiner Meinung  zu erheben.
Am Ende einer Diskussion hat man eben oft mal wieder etwas "hinzugelernt"!

Beiden Sippen ist vieles gemeinsam (auch das Habitat mit eingestreuten Buchen als möglichen Mykorrhizapartnern).
Sp nach FN (2008) für barbatus 7,5-8(-8,5) x 4,5-5 µm, nach SOOP (2009) 6,5-8 x 4-5 µm!
Bei vorliegender Koll. wurden gemessen: 6-7(7,5) x 4-5 µm.
Die Sporenform bei barbatus wird unterschiedlich beschrieben: FN "amygdaloid" (mandelförmig); CFP "ellipsoid bis mandelförmig", SOOP "elliptisch", ebenso die Sporenform von eburneus (nach BK "breitelliptisch", nach HORAK "(rundlich) oval", nach MH "fast mandelförmig").
ARNOLD hat in seiner Telamonia-Arbeit (1993) aufgrund zahlreicher Sp-Untersuchungen die Auffassung vertreten, dass "Größe und Form der Sporen seiner Meinung nach keine oder zumindest keine überzubewertenden Artmerkmale in dieser Gruppe sind. Beide Merkmale sind stark von den jeweiligen Witterungsbedingungen abhängig. Die Ornamentierung dagegen ist innerhalb einer Art als konstant anzusehen und zudem unabhängig von der Sporenform."
Ob diese Erkenntnis auch für die benachbarte UG Myxacium zutrifft ?
Die schwache Sporenornamentation ist beiden Taxi eigen.
Im übrigen liegen die Angaben der Sporengrößen von SOOP für barbatus mit 6,5-8 x 4-5 µm "sehr sehr nahe (!)" an den Messungen der vorliegenden Kollektion.
Kleinere Schwankungen sind ja bekanntlich in begründeten Fällen häufig zu tolerieren. Die Angaben zur Sporengröße der einzelnen Autoren sind nicht selten unterschiedlich.
Als trennende Faktoren sehe ich :
Helmut spricht hier von einem schleimigen Stiel, der Stiel von eburneus soll dagegen  "nur feucht klebrig" (HORAK 2005) bzw. "ohne schleimigen Stielschleier" (MH) sein, während der Stiel von barbatus als "klebrig bis schleimig" (CFP 1989 ff.) beschrieben wird.
Ein wichtiges Merkmal ist hier der Geruch.
Der Geruch wird bei vorliegender Koll.  mit "intensiv, irgendwie aufdringlich süßlich" beschrieben; FN bezeichnet den Geruch  zu barbatus: " unpleasant, sweetish-raphanoid", während der Geruch von eburneus nach BK "angedeutet mehlartig", nach MH "fast mehlartig" sein soll.
Aus diesem Grunde würde ich eher zu C. barbatus (Batsch:Fr.) Melot tendieren!

SOOP schreibt hierzu, dass C. barbatus bisweilen bereits als C. eburneus (Vel.) Hry. interpretiert wurde.
(Im übrigen: Die FN kennt bekanntlich weder C. eburneus noch C. ochroleucus.
Bei Bestimmung nach FN käme man wohl mehr oder weniger auf C. barbatus).
LG
Norbi


















Helmut

Servus beisammen,

schon immer bereiteten mir Funde von weißlichen Cortinarien der Untergattung Myxacium Probleme. Bei meinen wenigen Kollektionen blieben beim Bestimmungsergebnis immer gewisse Fragezeichen. Zwei erneute Funde 2010, von denen ich Euch hier einen als erstes vorstelle, haben dazu geführt, dass ich mich näher mit der Gruppe befasst habe.

Die Bearbeitung warf jedoch zunächst mehr Fragen auf als Antworten. So führt Gminder (in Krieglsteiner 2010) crystallinus als Synonym von barbatus und gibt relativ große Sporen bis 8,5 (9) µm an, ähnlich Moser 1983 oder Brandrud et al., während die kleinsporigen ochroleucus oder eburneus heißen. Bei anderen Autoren (z. B. Marchand) ist crystallinus eine kleinsporige Sippe mit bis zu 7 (7,5) µm, ochroleucus und eburneus werden nur erwähnt ohne Angabe der Sporengröße.

Unterschieden werden die Arten oft mittels makroskopischer Angaben: Mehr oder weniger schleimiger Hut, engere / weitere und schmalere / breitere Lamellen. Die Beurteilung solcher Merkmale anhand einiger weniger Kollektionen bei unterschiedlicher Witterung ist aber schwierig. Deshalb habe ich versucht, mittels direkten Sporenvergleiches weiterzukommen.

Kennzeichen meiner Kollektion: Frk. kompakt, Stiel auffallend dick zwiebelig, Hut und Stiel schleimig, Geruch intensiv, irgendwie aufdringlich süßlich, Geschmack sehr bitter, Sporen schwach warzig, nur 6-7 (7,5) x 4-5 µm.

Ökologie: Fichtenforst mit eingestreuten Buchen und Kiefern über Muschelkalk.

Ursprünglich hatte ich diesen Fund als crystallinus bestimmt. Die Sporengröße scheint hier aber in Richtung ochroleucus / eburneus zu weisen. Deshalb muss ich wohl in eburneus umtaufen. Warum nicht in ochroleucus? Die Antwort gebe ich im dritten Beitrag!

Weitere drei Kollektionen folgen in jeweils einem eigenen Posting. Über Zustimmung oder Einwände bezüglich der Bestimmungen würde ich mich freuen.

Gruß

Helmut