Tremella aurantia - ein Kartierungs- bzw. Suchaufruf!

Begonnen von Christoph, 27. Januar 2009, 18:30

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Christoph

Hallo zusammen,

nachdem ich aufgrund meiner Pilzführung in die Amperauen bei Dachau für den VfP München mit einer Kollektion einer gelben Tremella konfrontiert wurde, bei der nicht auf den Wirt geachtet wurde, ,,durfte" ich wieder einmal rein mikroskopisch versuchen, die Art zu bestimmen – wobei ,,natürlich" die Tremella unreif war.

Nachdem die von mir früher mal angegebenen Links auf Beschreibungen beider Arten (Tremella mesenterica und Tr. aurantia) auf den Seiten der Southern Taiwan University of Science and Technology tot sind, liste ich hier für eine klarere Bestimmung die Trennmerkmale nochmal auf (die Beschreibungen, die jetzt nicht mehr erreichbar waren, stammten mit hoher Wahrscheinlichkeit von Chen). Ich möchte dabei auch auf einen sehr schönen Artikel von Peter Roberts verweisen:
Roberts P (1995): British Tremella species 1: Tremella aurantia and T. mesenterica. Mycologist 9(3): 110–114.
Ganz aktuell wurden beide Arten auch in der Zeitschrift Field Mycology verglichen:
Overall A (2017): Tremella aurantia & T. mesenterica, two British 'Yellow Brain Fungi' compared. Field Mycology 18(3): 82-84.

Hier nun die Gegenüberstellung:


Tremella mesenterica:


Wirt: Peniophora spp.

Sporen: (8,0-)10,0-16,0(-18,0) x 6,0 x 9,5(-12,0) µm

Basidien meist ungestielt (nur ausnahmsweise vereinzelt kurz gestielte Basidien); meist senkrecht septiert; zwei Basidientypen auftretend:
Basidientyp I: subglobos bis breit ellipsoid, 20-23(-25) x (17-)18-22(-23) µm
Basidientyp II: oval, (20-)24-31(-35) x (15-)16-20 µm

Vesikel dickwandig (Wandstärke 2-3,5 µm), kugelig bis ellipsoid – dann (12-)14-21 x (9-)11-16,5(-19) µm – oval bis keulenförmig – dann 22-27 x 15-17 µm –  manchmal auch lanzettförmig – dann 34-35 x 7-10 µm.

Haustorien im inneren Bereich des Fruchtkörpers häufig, 3-6(-7) x 2,5-4 µm, mit teils mehreren, gewundenen und sich verzweigenden Auswüchsen (,,Greifhyphen" - genau genommen nur Auswüchse aus der Haustortienzelle, keine Hyphen)

Konidien sehr variabel geformt, von subglobos bis hin zu gestreckt-zylindrisch


Tremella aurantia:

Wirt: Stereum hirsutum

Sporen: 5,5-9,0 x 4,5-7,0 µm

Basidien meist typisch gestielt, Stiel 2-5 x 2-3 µm; oft auffallend schräg septiert (etwas an Sirobasidium erinnernd); zwei Basidientypen auftretend:
Basidientyp I: globos bis subglobos, 10,5-13(-14) x 10,5-13(-14) µm
Basidientyp II: birnenförmig bis keulig, 10,5-15,5(-24) x 10,5-13(-14) µm

Vesikel fehlend (!)

Haustorien 3-5 x 2,5-4,5 µm, mit meist nur einem, unverzweigten Auswuchs

Konidien subglobos bis ellipsoid, weniger variabel in der Länge


Kurz zusammengefasst:

Tremella mesenterica hat deutlich größere Sporen, zudem deutlich größere und sitzende Basidien (bei Tr. aurantia kleiner, dafür gestielt). Die Vesikel sind bei Tr. mesenterica wirklich auffällig, da sie durch ihre dicken Wände herausstechen. Man findet sie unregelmäßig in der Trama eingestreut. Bei Tr. aurantia fehlen diese. Und auch die Auswüchse der Haustorien sind unterschiedlich (verzweigt vs. unverzweigt usw.).

Es gibt noch weitere Unterscheidungmöglichkeiten – so z.B. die Größe und Form von angeschwollenen (dünnwandigen) Zellen im Subhymenium, in der Trama und nahe des Substrats – hier zeigt Tr. mesenterica tief unten, nahe des Substrats gerne zitronenförmig angeschwollene Zellen (sonst auch globos bis oval bis hin zu birnenförmig), während sie bei Tr. aurantia nur sobglobos bis ovoid bis keulig sind. Die Zellen schwellen bei Tr. mesenterica auch viel deutlicher an (bis über 20 µm Breite erreichend – bei Tr. aurantia nur bis 11 µm breit).

Sollte übrigens eine Tremella an Stereum hirsutum gefunden werden, die kugelige, sitzende Basidien aufweist, so wäre das Tremella tremelloides (Berk.) Massee – eine weitere, gelbe Art, die aber nur aus Nordamerika bekannt ist.

Ist die Kollektion reif, ist die Unterscheidung also gar kein Problem. Natürlich war meine Kollektion wieder mal unreif. Und bei den Konidien war ich schon früher verwirrt, da Chen für Tremella mesenterica angibt, die Konidien seien nur 1-2 µm breit. Roberts (1999) gibt hingegen Breiten von 2-2,5 µm an. Bei meiner aktuell untersuchten Kollektion waren die Konidien sogar bis 4,5 µm breit, also deutlich größer. Das ist mir aber wie gesagt auch früher schon aufgefallen. Was ich aber hier bestätigen kann, ist die große Varianz in der Länge, also in der Form. Roberts (1995) gibt sie aber auch nur als subglobos bis ellipsoid an.

Also sind die Konidien an sich variabler, als von den bisherigen Studien angegeben – oder irgendwas ist hier seltsam. Ich gehe von ersterem aus.

Da ich bei der aktuell untersuchten gelben Tremella auch schon Probasidien gefunden habe, die einerseits ungestielt sind und zudem sehr groß sind (bis 22 µm im Durchmesser), ist auch diese eine klare Tremella mesenterica.

Ich muss also noch länger auf einen Fund von Tremella aurantia warten...

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Christoph

Hallo zusammen,

ich möchte nur der Vollständigkeit halber ergänzen, dass die ausgereiften Fruchtkörper die für Tremella mesenterica typischen Sporen hervorbrachten. Meine Vorsicht war alsooffensichtlich angebracht. Ich selber werde also bei jungen Fruchtkörpern in Zukunft die Vesikel über die Konidiengröße gewichten ^^.

Ich muss also weiter suchen... und suchen... und irgendwann finden.

LG
Christoph
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Christoph

Servus beinand,

so, jetzt habe ich möglicherweise auch Tremella aurantia gefunden. Und zwar im Landkreis FFB, westlich vom Haspelmoor, nahe der Kläranlage Hattenhofen, an ansitzendem Weidenast.

Die Sporen sind 7,5-9 x 5,5-6 µm klein, die Konidien passenderweise bis 5 x 4 µm groß, oval, also vom Längen-Breiten-Quuotient kleiner als bei Tr. mesenterica (wurde hier bereits erwähnt, dass Breitenbach und Kränzlin die Tremella aurantia abbilden?). Haustorien meist mit unverzweigtem Auswuchs (passt auch).

Warum dann nur möglicherweise Tremella aurantia?

Nun:

1.) Die Fruchtkörper sind noch sehr jung, zumeist noch in der NFF, die HFF ist blasser als die NFF, aber noch sehr klein. Kaum reife Basidien (drum alle sitzend, keine gestielte gesehen), kaum Sporen.
2.) Nahe des Substrats treten Vesikel mit bis zu 30 µm Durchmesser auf, was eher typisch für Tremella mesenterica wäre.
3.) Kein Wirt erkennbar - weder Peniophora noch Stereum sichtbar - Suche nach Wirtshyphen: Fehlanzeige.

Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als das Asterl nachreifen zu lassen. Ich werde es morgen draußen deponieren und schauen, was sich tut, wenn der Fruchtkörper reifer ist. Die kleinen Sporen können ja an der Jugend liegen - sprich wären beim Präparieren abgebrochen und noch unreif.

Falls ich was rausbekomme, halte ich Euch auf dem Laufenden.

LG
Christoph
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Peter

Hallo Rudi,

nur zur Info, meine Funde vom 28.12.2011 bei Lohr a. Main auf Quercus waren T. mesenterica. Der im Feld nur schwer identifizierbare Wirt war Peniophora quercina und die Sporen messen i. M. 15 x 10 µm.

lg, Peter
"Seit Millionen Jahren haben unzählige Organismen auf unserer Erde gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben. Es gibt nur eine Ausnahme: Der Mensch."

Christoph

Hallo Rudi,

ich hatte ganz vergessen, mich als Gratulant einzureihen. Die kleinen Sporen (deutlich kleiner als bei Tr. mesenterica) und der Wirt machen die Sache ja glasklar.

Hier findest Du - falls Du in einer Winternacht den Beleg nachbearbeiten möchtest - eine ausführliche Beschreibung: http://faculty.stut.edu.tw/~c5200999/paper/phd/Tremella%20aurantia%20Schw%20&%20Fr%201822.pdf

Und hier im Vergleich eine Beschreibung von Tremella mesenterica s.str.: http://faculty.stut.edu.tw/~c5200999/paper/phd/Tremella%20mesenterica%20Retz%20&%20Fr.pdf

(wie weiter unten schon zitiert findest Du den Index zu den Beschreibungen hier: http://faculty.stut.edu.tw/~c5200999/thesis.htm

Ich weiß von keinen weiteren Funden, aber Till Lohmeyer meinte, es sei ein Artikel über Tremella aurantiaca in Bayern für die Mycologia Bavarica in Aussicht. Vielleicht passt Dein Fund auch dazu und kann in den Artikel mit aufgenommen werden (oder Du machst, wenn der Autor möchte, mit).

Toller Fund. Auf alle Fälle haben wir die Art jetzt in Bayern. Der Beleg ist wichtig...

LG
Christoph
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Peter

Glückwunsch Rudi,

bei uns herrscht noch Fehlanzeige, bring halt mal ein paar Äste mit beim nächsten Besuch ;)

LG, Peter
"Seit Millionen Jahren haben unzählige Organismen auf unserer Erde gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben. Es gibt nur eine Ausnahme: Der Mensch."

Rudi

Ich war am Sonntag in Ermangelung geeigneter Ascomyceten in ein Wäldchen bei Ochsenfurt gegangen, um Holzpilze zu suchen.
Da leuchtete mir in gut 3 Metern höhe an einer alten Hasel etwas orangenes entgegen.
Daneben Stereum hirsutum.
Das wird doch nicht...
Doch! Offensichtlich ists Tremella aurantia.
Neben Unmengen von kleinen Konidiensporen fanden sich auch echte mit ca 5,6-7,5x 5,5-6,5y.

Hat denn jemand bisher in By schon das Schwammerl gefunden?

LG Rudi
Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

Christoph

Servus beinand,

ich möchte diesen Beitrag erneut etwas pushen. Ich habe eben zufällig im PilzePilze-Forum gesehen, dass es wieder einen Nachweis dieser leicht kenntlichen Art in Deutschland gibt: http://www.pilzepilze.de/cgi-bin/webbbs/pconfig.pl?noframes;read=197893

Es kann doch nicht sein, dass bei uns in Bayern absolute Fehlanzeige herrscht...?!?

Wer schafft den Erstfund?

LG
Christoph
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Christoph

Hallo zusammen,

es gibt einen weiteren, aktuellen Nachweis (2010) aus Deutschland, genauer: Baden-Württemberg. Ich bin über die Onlinekartierung darauf gestoßen, da vor kurzem die Fundmeldung eingetragen wurde.

Hier gibt es Fotos und Beschreibung der Kollektion (auch Mikrofotos) in der Rubrik Pilz des Monats (Februar):
http://web16.enio-srv1.de/html/monatspilz.html

Der Fundort ist nicht allzuweit von der bayerischen Grenze entfernt: http://brd.pilzkartierung.de/bwsqlart.php?csuchsatz=ISE

Ich bin immer noch gespannt, wann der Erstnachweis bei uns gelingt.

LG
Christoph
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Christoph

Servus Helmut,

danke Dir für's Nachschauen! Ich habe bislang auch nur Tremella mesenterica s.str. fotografiert. Dass Tremella aurantia zumindest in Bayern selten ist, scheint wohl wirklich so zu sein. Je mehr sich aber an der "Suche nach dem gelben Schatz" beteiligen, umso eher wird der Erstnachweis gelingen. Wär doch gelacht...

LG
Christoph

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Helmut

Servus Andreas und Christoph,

habe mal meine Bilder angesehen, inklusive der alten Dias. Entweder war bei den Fruchtkörpern etwas Peniophora-ähnliches zu sehen oder nur das blanke Holz. Somit lässt sich daraus kein Nachweis von T. aurantia ableiten. Ist wohl doch selten.

Gruß

Helmut

Christoph

#18
Hallo Andreas,

der Nebensatz mit Roberts meint sicherlich folgendes:
Roberts hat festgestellt, dass Tremella mesenterica auf Peniophora als Wirtsgattung beschränkt ist. Eine Tremella "mesenterica" an einem anderen Wirt dürfte damit auch keine Tremella mesenterica sein...

Es ist zweifelsohne richtig, dass man Tremella mesenterica, wie auch von Ursula beschrieben, auf nacktem Holz, also ohne Fruchtkörper des Wirts finden kann. Und wie Du auch schreibst, ist dann das Myzel des Wirts zumindest bereits (oder noch) im Holz vorhanden. Nur hilft einem das bei der Bestimmung der Tremella nicht weiter, da man ja dann den Wirt nicht kennt. Hier hilft dann nur das Mikroskop, da sich Tremella mesenterica und Tremella aurantia ja anatomisch unterscheiden lassen. Manchmal achtet man aber auch nicht darauf, da z.B. eine junge Peniophora cinerea, ebenfalls ein Wirt der Tremella mesenterica, einem nicht gerade ins Auge springen muss  ;)

Jedenfalls ist das Kartieren jetzt etwas schwieriger, dafür aber auch spannender geworden. Gelbe Tremellen auf scheinbar nacktem Holz müssen zwangsläufig unters Mikroskop...  8)

LG
Christoph
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AK_CCM

#17
Hallo Ursula,

danke für Info bzgl. des Wirtspektrums von T. mesenterica. Selbst kenne ich den Goldgelben Zitterling nur an P. limitata - zumindest ist mir momentan kein anderer Wirt bewusst. Werde bei Gelegenheit mein Bildarchiv durchstöbern, vielleicht fördere ich dabei noch andere Vergesellschaftungen zutage.

Wer T. mesenterica ohne die Frk. eines Zystidenrindenpilzes gefunden hat, muss ins Substrat schauen: Dann hängt die Art an den im Holz befindlichen Hyphen des Wirts. Beide Pilze müssen nicht unbedingt zur selben Zeit fruktifizieren.

Den Nebensatz mit Roberts verstehe ich leider nicht.

Einen guten Start in die Woche

Gruß, Andreas

ursula

Hallo, es ist zwar nicht Bayern aber am 20.2. hatte ich 2 Funde von  T. mesenterica bei Peniophora lycii (Reissinsel, Mannheim). Alle, die mir in der Zwischenzeit von mesenterica- Aufsammlungen berichtet hatten, hatten keine Peniophora dabei gesehen, was laut Roberts zur Art gehören würde.
Ursula

AK_CCM

#15
Hallo nochmals,

bei der Gelegenheit möchte ich noch auf die Weltmonographie von CHEN hinweisen:

CHEN, Chee-Jen (1998): Morphological and Molecular Studies in the Genus Tremella. Bibliotheca Mycologica. Bd. 174

Dort findet ihr auch detailierte Beschreibungen und hervorragende Mikrozeichnungen der beiden Taxa T. aurantia und T. mesenterica.

Gruß, Andreas