Finderlohn für Erd- und Haarzungen

Begonnen von Heinz, 21. Oktober 2010, 08:30

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Christoph

#9
Hallo zusammen,

ich habe mittlerweile genauere Informationen erhalten. Trichoglossum walteri wurde aufgrund der gezielten Suche innerhalb einer Woche an 10 Fundpunkten neu nachgewiesen. Hiervon liegen 7 Fundpunkte im Bayerischen Wald (Region um Deggendorf), 3 in der Rhön. Eine rein lokale Besonderheit des Bayerischen Waldes ist die Art demnach nicht.

Es lohnt sich, auf nährstoffarmen, sauren(!) Wiesenflächen gezielt nach der Art Ausschau zu halten.

Dieser Habitattyp ist stark gefährdet (Düngung, Stickstoffeintrag), was auch die dort vokommenden Arten (inkl. Trichoglossum walteri) schützenswert macht. Es wäre aber wünschenswert, wenn mittelfristig noch mehr Informationen zur Verbreitung dieser Art vorliegen würde. Ich kann daher nur allen Pilzfreunden, die bodensaure Magerwiesen vor der Haustür haben, empfehlen, genau dort zu suchen. Und zwar jetzt, bevor der Winter einbricht!

Ich würde mich für die Art freuen, wenn sie wirklich relativ gut und weit verbreitetwäre, aber bislang übersehen wurde... Und falls nicht, dann kann man sich noch umso mehr um den Erhalt und Schutz der bekannten Fundstellen einsetzen.

LG
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Christoph

Hallo zusammen,


das Thema ist in der Tat sehr heikel. Auf der einen Seite steht der Bauunternehmer, der selbstredend wirtschaftliche Interessen hat. Auf der anderen Seit stehen Natur- und Artenschützer.

Fakt ist, dass Pilze in Naturschutzfragen oftmals - aber zum Glück nicht immer - hinten anstehen müssen. Leider ist aber auch Fakt, dass die Datenlage bezüglich Verbreitung und Häufigkeit von Pilzen bei vielen Arten recht dünn ist.

Hier gibt es immer einen "inneren Konflikt" auf Seiten des Artenschutzes: Lehnt man sich zu weit aus dem Fenster und dann stellt sich die Art als recht weit verbreitet heraus - nur dass die Datengrundlage zu Beginn zu dünn war - dann macht man sich unglaubwürdig und erweist anderen, in der Tat akut gefährdeten Pilzarten einen Bärendienst.
Schaut man aber gar nicht erst durch das angesprochene Fenster, wird also gar nicht aktiv, dann verliert möglicherweise eine wirklich schützenswerte Art ihren Lebensraum - und stirbt im Extremfall aus.

Was tun?

Langfristig betrachtet heißt das: es muss deutlich mehr und intensiver kartiert werden! Die Datengrundlage ist das A und O, will man seriösen Natur- und Artenschutz betreiben. Wenn Pilze nur nicht so schwer zu bestimmen sind/wären...

Daher bin ich für jeden Pilzfreund dankbar, der sich in das Mikroskopieren einarbeitet und damit einen mehr als wichtigen Beitrag für den Pilzschutz liefern kann. Diesen Zusammenhang sollte man meines Erachtens nie unterschätzen. Ich kann daher jedem an der Kartierung von Pilzen interessiertem Pilzfreund raten, mal einen Mikroskopierkurs zu besuchen...

Was soll/kann man aber kurzfristig machen?

Der Fall "Trichoglossum walteri" ist wunderbar geeignet, um die Sachlage mal zu analysieren. Fakt ist, dass die Art in der neu erscheinenden Roten Liste der gefährdeten Großpilze Bayerns (Karasch & Hahn 2010) unter Status 1 geführt wird - also demnach akut vom Aussterben bedroht sei.

Die Gefährdungsgründe liegen auf der Hand: nährstoffarme, bodensaure Wiesen sind in unserer Agrarlandschaft selten geworden. Und wie man im von Heinz angehängten Zeitungsartikel nachlesen kann, hätte ja auch der Bauer von nebenan ein Güllefass leeren können. Leider wird das oft genug gemacht, solange die Fläche nicht standortkartiert wurde und als schützenswert eingeteilt wurde, was mit Auflagen verbunden wäre.

Konkret zum Fall: In einem Punkt hat der Bauunternehmer m.E. Recht: Haarzungen sind schwierig zu kartieren, da sie unauffällig sind und zudem mikroskopiert werden müssen, um die Bestimmung abzusichern.

Auf der anderen Seite suchen gerade die Freunde von Offenlandarten auf nährstoffarmen Wiesen neben Saftlingen und Rötlingen auch gezielt Erd- und Haarzungen. Trichoglossum hirsutum wird entsprechend hin und wieder gefunden. Bei Trichoglossum walteri war lange Zeit Fehlanzeige.

Manchmal weiß man aber auch nicht, wo genau man suchen muss. Ich selber sage immer wieder, "man enwickelt ein Gefühl für das geeignete Biotop" (die Art kann dann zwar auch andere Biotope besiedeln, aber man kann gezielt in dem Biotpotyp suchen, das man als typisch oder passend kennt). Der vom Bauunternehmer beauftragte Gutachter hat nun vermutlich genau das getan: Er hat wohl das aktuelle Vorkommen analysiert und potentielle weitere Habitate gesucht und dann dort gezielt nach der Haarzunge Ausschau gehalten - und siehe da: sieben neue Fundpunkte!

Positiver Effekt: Die Kenntnis um diese Pilzart ist deutlich gestiegen. Schön wäre es, wenn diese Beobachtung auch fachlich ausgearbeitet publiziert würde, damit weitere Pilzfreunde ein flächendeckenderes Screening beginnen können.

Dennoch:
Man kann das Ergebnis nicht 1:1 auf die Fläche Bayerns hochrechnen. Man kann nicht ausschließen, dass die Art auf die Region Bayerischer Wald beschränkt ist. Ich beispielsweise weiß nicht, inwieweit auch die anderen Fundpunkte ebenfalls gefährdete Habitate sind (Bauvorhaben usw.). Warum ist die Art deutschlandweit nur sehr selten gefunden worden?

Ich werde den Gutachter - ich kenne ihn ja, wie wohl viele unter uns - bei Gelegenheit mal ansprechen, ob er eine Art Habitatsteckbrief erstellen kann. Vielleicht lassen sich dann noch deutlich mehr Fundpunkte nachweisen, was den aktuellen Bauvorgang etwas entspannter betrachten ließe.

Vielleicht kommt dann aber auch heraus, dass die Art wirklich nur an wenigen Punkten in der Region wächst - und dann wäre der Verlust auch nur eines einzigen Vorkommens mehr als nur schade.

Zum Vergleich: Der Frauenschuh ist in Bayern weit verbreitet. Würde er aber an einem Waldrand üppig gedeihen, an dem gebaut werden soll, kann ich mir kaum vorstellen, dass das Bauvorhaben so ohne weiteres durchsetzbar wäre, auch wenn sieben weitere Wuchsorte in der Nähe bekannt wären (ich kann mich aber auch da leider irren).

Zusammenfassend bin ich daher noch nicht überzeugt, dass das Vorkommen in Deggendorf ohne weiteres zu opfern ist und hätte mir hier ein "in dubio pro reo" im Sinne der Haarzunge gewünscht.

Über die sieben neu entdeckten Fundorte freue ich mich aber - ich gehe mal davon aus, dass in der Presse nichts verdreht wurde und der Gutachter nicht "nur" sieben Haarzungenwuchsorte nachwies, sondern dass es sich bei allen um Trichoglossum walteri handelt.

Wer aber die Überlebenschance von 60% bei einem Ausgraben und Verpflanzen von Trichoglossum walteri berechnet hat, würde mich aber auch sehr interessieren... Klingt für mich sehr reißersich und nicht auf Datengrundlagen beruhend...

Es hilft aber leider alles nichts. Ein in meinen Augen immer noch als sehr selten geltender Pilz hat mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Population eingebüßt, was ich sehr schade finde. Noch viel "schlimmer" finde ich, dass hier eine Art Präzedenzfall geschaffen wurde. Was ist, wenn die anderen sieben Fundpunkte auch verbaut werden sollen? Dann hat die Haarzunge wohl auch keine Chance und wird ausgerottet. Und genau deshalb müssen die Pilzfreunde unbedingt nachlegen und diesen Pilz intensiv suchen und kartieren, wollen sie etwas für ihn tun! Entweder stellt sich dann eine weitere Verbreitung heraus und alles ist im Nachhinein gar nicht so tragisch gewesen - oder die Art ist wirklich so selten, wie wir im Moment glauben - nur dass man das dann besser belegen kann und somit die anderen Wuchsorte besser schützen kann. Ersteres würde ich mir wünschen, letzteres fürchte ich.

Anhand der aktuellen Datengrundlage würde ich bei der Einstufung als RL1 bleiben, egal ob 1 oder 7 Fundstellen - das Habitat an sich ist ja auch gefährdet. Und ganz ehrlich: ich würde mich freuen, wenn die Einstufung als RL-1 zu Unrecht erfolgte (und Peter sicher auch). Ich fürchte aber, dass wir beide mit der Entscheidung, die Art auf RL-1 zu setzen, Recht haben...

LG
Christoph
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Christoph

Servus Peter...

ZitatDie sollen an ihrem Geld ersticken und hoffendlich eines Tages an einer Krankheit jämmerlich zu Grunde gehen, weil das Mittel fehlt, was in dem von ihnen vernichteten Lebewesen vorhanden war.

Ich nehme das mal als Gleichnis und nicht als direkten Wunsch  ;)

Aber es stimmt - es ist ein Jammer, was hier passiert. Ich glaube nicht, dass die BMG aufgrund der Trichoglossum-Fundmeldungen den ausgelobten Finderlohn erhalten wird, da nicht überprüft werden kann, die wievielten Meldungen das waren und wer überhaupt etwas bekommen hat... Falls ja, könnten wir das Geld ja einsetzen, um selber einen Finderlohn bezüglich Trichoglossum walteri auszuloben. Diesmal aber im besten und positiven Sinne.

Unabhängig davon - wenn finanzielle Interessen auf Artensutzinteressen stoßen, dann gewinnt meist der Mammon. Dass Pilze eine schlechte Lobby haben, sieht man an diesem Beispiel.

Ich hoffe, dass sich das langsam aber sicher ändern wird. Wir haben heuer Kontakt zum Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit aufgebaut, um zu erreichen, dass Pilze im Naturschutz besser repräsentiert werden. Die Zusammenarbeit läuft sehr positiv an. Bis sich im Vertragsnaturschutz wirklich etwas rührt, wird aber leider dauern. Wenn wir es schaffen sollten, dass bei Bauvorhaben der Zukunft Pilze regelmäßig mit in die Umweltverträglichkeitsstudien aufgenommen werden, hätten wir schon sehr viel erreicht. 

Fakt ist im Moment aber - leider!!! - dass der einzige bekannte Wuchsort von Trichogloggum walteri in Bayern einem lokalen Bauprojekt geopfert wird und nicht umgekehrt. Dass der Unternehmer ein Interesse am Bauvorhaben hat, ist selbstredend. Bei einem Interessenskonflikt gewinnt gewöhnlich die stärkere Seite. Wir müssen daher alle zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen, dass die Seite des Pilzschutztes stärker wird und konkurrenzfähig ist.

Liebe Grüße
Christoph
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Heinz

Servus Zusammen,

so soll es geschehen.........
So, ja so sieht Artensterben aus!!!!

http://www.idowa.de/aktuell/container/container/con/784189.html

"Wir sind sehr froh, dass es endlich losgehen kann"

Spatenstich für Baugebiet Kreuth - Oberbürgermeisterin Anna Eder: "Ein schöner Tag für Deggendorf"



Spatenstich für Baugebiet Kreuth

Deggendorf. (oh) "Wir sind sehr froh, dass es endlich losgehen kann", sagte Alois Erl, Chef der Erl-Bau GmbH gestern beim Spatenstich für "Kreuth Wiesen". "Das ist ein schöner Tag für Deggendorf", bekräftigte Oberbürgermeisterin Anna Eder. Bauwillige, die sich in der Stadt niederlassen wollen, können nun wieder versorgt werden.


Kreuth ist eines der letzten großen zusammenhängenden Baugebiet im Stadtgebiet. Zentrumsnah und idyllisch gelegen entstehen dort in zwei Bauabschnitten fünf Kettenhäuser, 13 Einfamilienhäuser und neun Reihenhäuser. Dazu kommen drei Geschosswohnungsbauten. Alle Wohneinheiten können in verschiedenen Größen erstellt werden. Viele Interessenten haben sich bereits gemeldet, freut sich Erl: Zwei Drittel der Grundstücke im ersten Bauabschnitt sind schon reserviert.


"Es war ein langer Weg bis zu diesem Spatenstich", erläuterte Erl. Vor allem die Vorgaben für den Naturschutz (unter anderem wurde der seltene Pilz "Walters Haarzunge" gefunden) machte Probleme. [/b]Zudem kam die Wirtschaftskrise: "Als wir im Frühjahr 2008 die ersten Grundstücke erwarben, waren die Probleme auf dem Finanzmarkt noch nicht abzusehen." Doch die Krise hatte zur Folge, dass sich die Menschen wieder mehr für Immobilien interessierten.


Erl dankte dem "besonnenen Stadtrat", seinen Architekten Hans Köckeis und Georg Kestel sowie der Firma Streicher, welche die Baumaßnahme durchführen wird. Am Montag werden die Bagger anrollen, ab Frühjahr 2011 werden die ersten Häuser gebaut.


Oberbürgermeisterin Anna Eder freute sich, dass zum Spatenstich auch dritter Bürgermeister Dr. Christian Moser, viele Bau-Interessenten und Nachbarn sowie zahlreiche Stadträte gekommen waren. Das Gremium hatte in seiner jüngsten Sitzung den Bebauungsplan mit großer Mehrheit genehmigt.


"Wir waren mit unseren Bauplätzen fast am Ende. Nun haben wir die Versorgung wieder für eine Zeit sicher gestellt", sagte sie. Die Stadt brauche junge Familien, um in Zeiten der zurückgehenden Geburtenrate weiter wachsen zu Können. Sie dankte der Firma Erl für deren "großes Engagement".


Auch Sparkassen-Direktor Erwin Schmidt drückte seine Anerkennung aus: "Wir brauchen Unternehmer, die sich Schwierigkeiten stellen und die Herausforderungen annehmen", sagte er. In Deggendorf herrsche eine Knappheit an Baugebieten, die nun für einige Zeit behoben werden könne.


Da bleibt von mir nur noch zu sagen:
Ein schwarzer Tag für die Pilze

dorle

#4
Hallo zusammen,
interessant wäre, wie das mit den Fundmeldungen genau abläuft.
Sollte jemand fündig werden, ist denkbar, dass der Pilz entfernt wird, zur sogenannten Beweissicherung. Wurde dann nicht exakt katiert( da hier jeder suchen kann ist das Risiko hoch, dass derjenige von Kartierung noch nie was gehört hat), weiß niemand mehr wo der Fundort war. Sicher ist dann nur, dass der Pilz dort nicht mehr ist und nicht mehr gefunden werden kann.
Wäre praktisch für jemand (wer auch immer), der an diesen Stellen bauen will, denn nun gibt`s ja ziemlich sicher nichts Schützenwertes mehr zu finden. Der Bauherr wäre dann wohl in gutem Glauben.
Insofern wäre es sehr wichtig was zu unternehmen, um die Daten zu sichern (Fundmeldungen an Peter Karrasch, wie von Heinz vorgeschlagen).
Mir fällt im Moment aber nichts Brauchbares ein, wie man hier vorgehen könnte, um schnellstmöglichst eine Kartierung zu sichern.
Grüße
Thomas Kassel
P.S.: Einfach nur traurig.

Heinz

Hallo Huperzia,
das mit den 10 Funden können wir nicht überprüfen. Herr Erl könnte höchstens gebeten werden, nachdem er sich so für die Pilze einsetzt, die Fundpunkte an den Kartierungsbeauftragten "Rote Liste Bayern" Peter Karasch zu senden. Ein Schelm wer böses denkt. Hier gehts vermutlich um viel Kohle. Dem ist der Pilz sehr wahrscheinlich egal. Je mehr  "Meldungen" er bekommt desto banaler wird die Sache für ihn. Traurig für unsere Lieblinge.
Wir bleiben dran

Grüße aus dem NP

Heinrich (Heinz)

huperzia

Hallo,

:'( schade, daß ich nicht in Bayern wohne!

Berücksichtigt werden die ersten 10 Fundmelkdungen steht auf der Homepage des ....hmm, was ist das ein Pilzfreund, einer der da bauen will und nicht darf bzw. wohl eher Skrupel hat, weil´s (noch) der einzigste Fund in Bayern ist .... über die Motivation wüßt ich gern mehr!

hier steht das mit den ersten zehn Fundmeldungen:
http://www.erlbau.de/

LG, Tanja

Heinz

Liebe Pilzfreunde,
da gibts tatsächlich einen Bauunternehmer aus Deggendorf der einen Finderlohn von 100.- € für Erd - und Haarzungen und weitere 900.- € für den Fund von Trichoglossum walteri, in Bayern auslobt. Da in der Anzeige kein Fundzeitraum und auch kein Anmeldeschluss genannt ist, gehe ich davon aus, dass alle Meldungen honoriert werden.
Sollten eure Meldungen Erfolg haben, wäre es schön, der BMG eine Spende zukommen zu lassen

Beste Grüße aus dem Bayerischen Wald/Nationalpark

Heinrich Holzer