Der Macrolepiota s.l.-Thread

Begonnen von Gernot, 27. September 2010, 23:26

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Gernot

Servus Werner,

Christoph hat das Wichtigste schon gesagt, trotzdem möchte ich noch in ein paar Zeilen meine Meinung zu deinen Funden äußern. Das zweite Foto (cf. excoriata) ist auch für mich aus den schon genannten Gründen recht typisch für M. mastoidea s.l.
Das erste Foto würde ich trotz allem ebenfalls als M. mastoidea s.l. ansprechen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Fruchtkörper schon mal ordentlich Regen abbekommen hat und der Hut dadurch nicht besonders typisch ausschaut. Bei ausgewaschenen Macrolepiota-Fruchtkörpern bleiben selbst bei so feinschuppigen Arten wie M. mastoidea oft nur noch die größeren Schuppen sichtbar am Hut zurück und können so das Aussehen stark beeinflussen. Ähnliches kann man ja auch bei M. procera beobachten: Nach starken Regenfällen ändert sich erstens die Hutfarbe und zweitens bleibt oft nur noch die große Zentralschuppe, die auch den Buckel bedeckt, zurück. Ich bin mir sicher, dass viele dieser Fruchtkörper als M. konradii fehlbestimmt werden und dass das ein Mitgrund (Hauptgrund?) für die Verwirrungen bezüglich dieser beiden Arten ist. Wie variabel solche ausgewaschenen Fruchtkörper von M. mastoidea sein können, zeigt Interhias eindrucksvoll auf seiner Website: http://www.interhias.de/schwammerlseiten/galerie/thumbnailseiten/macrolepiotamastoidea.html. Im Vergleich zu seinen Fotos 4-5 ist dein Exemplar sogar noch ziemlich typisch für M. mastoidea.
Den Ring halte ich übrigens für ziemlich variabel und bei deinem Fund noch im Bereich des Möglichen für M. mastoidea. Ziemlich kräftige Ringe zeigen z.B. auch die Exemplare von Fredi Kasparek: http://www.natur-in-nrw.de/HTML/Pilze/Agaricales/PA-438.html.
M. affinis kenne ich selber zwar ebenfalls nicht, der Art wird aber eine ± rotbraune Hutfarbe zugesagt und das würde hier wohl nicht so recht passen.

Schöne Grüße
Gernot

Mani

#21
Hallo zämma
Gestattet mir kurz, mich euch mit Bildern vorzustellen, bin ich doch als vormals Aussenstehender bei euch gut aufgenommen worden.

Herzliche Grüsse    Mani Walter    CH-Zizers
Salutti und macht´s gut    Mani Walter

Mani

#20
Hallo zämma
:P Ich bin all denen sehr dankbar, welche zu den uns interessierenden ML und den CHL ergänzende Infos liefern.
Bei den Rötenden gibt es nun eine, leider auf Nordamerika begrenzte, zusammenfassende Studie von E.C. Vellinga. (obwohl scheinbar auch Pilze aus Europa in der Untersuchung Aufnahme gefunden haben)
Ein solcher Ansatz ist bestens. Für uns resultiert vorerst mal die Reihenfolge: 1) Chl. olivieri (bisher wohl rhacodes), 2) Chl. rhacodes (Grossknollig ohne Rand) , 3) Chl. brunneum mit gerandeter Knolle (und - nach Vellinga bisher ML rhacodes var. hortensis) und letztlich die mir noch unbekannte ML venenata (Noch nicht den CHL zugeordnet) .
Bei den ML scheint mir die Sache noch etwas verzwickter zu sein. Hier wird die Liste wohl nach wie vor angeführt von:   ML procera. Weitere vertiefte Beleuchtung verdienen ML. mastoidea (mit diesem kurzen Stiel?), ML. gracilienta (ich meine, dies ist der klassische Zitzenschirmling - schlank und eben gracil aussehend), der farbändernde ML. fuliginosa (makroskopisch wieder mit Chl. verwechselbar - oder nicht?), ML konradii (Schöne Fotos unter Antwort#2 und ML mastoidea wohl sehr ähnlich?), ML rickenii (ohne Schnallen). Excoriata (der Ackerschirmling mit kahlem Stiel und ohne Schnallen) usw.?
Die  Differenzierung der Natterungsweite am Stiel scheint mir darum ausserordentlich problematisch, weil diese vom Wachstum abhängt und diese sicherlich von den Licht- und Wetterverhältnissen.
Hab auch festgestellt, dass die dunkleren ML. proceras sich namentlich in dichteren Wäldern mit weniger Lichtdurchlass entwickeln. Auch sollten wir unsere, zwar subjektiven, Geschmacks- und Geruchssinne in solchen Untersuchungen einbringen. (Es gibt keinen Procera, der säuerlich riecht)
Ich meine, einst Zusammenstellungsversuche von MLs eingesehen zu haben.

Liebe Pilzfreunde, worauf will ich hinaus   
Bevor ich mich vertiefter mit Pilzen beschäftigte, war ich Strahler und Mineraliensammler - heute versuche ich mich manchmal noch mit dem Facettieren von Feuer versprechenden einheimischen Edelsteinen. In dieser "Branche" werden des öfteren neue Mineralien definiert und durch eine internationale Kommission, aus namhaften Professoren (Hochschulen) und Mineralogen  geprüft und begutachtet; Schliesslich erfolgt die Namensgebung ebenfalls über diese globale Kommission.
Mir scheint, dass die Wissenschaft den Standard erreicht hat, dass die Namensgebung von Pilzen ebenfalls etwa in der Weise organisiert werden kann. Internationale Verbindungen zu pflegen ist heutzutage kein Problem mehr, es fehlt offensichtlich allein ein "Viertopfzerknalltreibling"; und auch regionale Namensgebungen kann man dann problemlos tolerieren.
Gruss    Mani
Salutti und macht´s gut    Mani Walter

Werner E.

Griasdi Christoph,

besten Dank für Deine Einschätzung.
Die Bilder aus Deinem Link sind sehr aufschlussreich, auch die der anderen Macrolepiotaarten.
Zumindest die hier bis jetzt diskutierten M. fuliginosa, M. mastoidea, M. procera und auch M. konradii sind, wie ich finde, gut nachvollziehbar.

Gruaß Werner

Christoph

#18
Servus Werner,

was Du als Macrolepiota cf. excoriata angehängt hast, ist das, was ich früher ohne Umschweife als Macrolepiota mastoidea benannt hätte. Die feinen Hutschuppen führen in die subsectio Microsquamatae und dort führt der ausgeprägte Buckel zu M. mastoidea s.l. Folgt man Bon, so trennt er M. rickenii (M. gracilenta ss. auct.) ab - unter anderem wegen des schlankeren, langstieligeren Habitus, während M. mastoidea s.str. einen kurzen Stiel haben soll (nur lang wie Hut im Durchmesser)... wie auch immer, Macrolepiota mastoidea s.l. halt.

Das andere Bild sieht sehr interessant aus. Der Hut ist viel grauer (grauer Zentralbuckel), die Schuppen etwas ausgeprägter, der Ring kräftiger und der Buckel ist pyramidenförmig, nicht so brustwarzenartig. Danach kommt man nach Bon in seinem Riesenschirmlingsschlüssel direkt auf Macrolepiota affinis (wobei er zum Ring nichts sagt). Hier soll der Stiel deutlicher genattert sein. Auf dem Foto sieht man eine feine Natterung... Ich kenne die Art aber nicht, kann also nicht sagen, ob das irgendwie passen würde.

Wenn das hier alles das Selbe sein soll - http://luirig.altervista.org/photos/macrolepiota_mastoidea.htm - dann wäre die dicke des Rings wieder variabel...

Ich habe ehrlich gesagt in der Vergangenheit zu wenig auf den Ring geachtet, sondern mehr auf Hut- und Stielfarben, Schuppenmuster und Mikromerkmale geschaut.

--> sprich: habe wenig Ahnung, ehrlich gesagt  8)

LG
Christoph

P.S.: Die gelinkten Fotos sind von Migliozzi, den ich als Kenner der italienischen Pilzflora und als Hellblättlerspezailisten ansehe - er hat viel publiziert und sich mit den Arten beschäftigt...
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Werner E.

Servus beinand'

ich melde mich hier nochmal zu M. mastoidea.
Weiter unten hatte ich ein Bild eingestellt, das ich damals mit  M. mastoidea benannte.
Wenn ich mir aber den Ring ansehe, kommen mir dann doch starke Zweifel, da er nicht einfach aufsteigend ist.
Ich würde ihn dann dem M. konradii-Komplex zuordnen.
Dann hab' ich hier noch ein Bild von einem Riesenschirmling, den ich auf einer ehemaligen Huteweide im Forstenrieder Park südlich München fand, und damals aus welchen Gründen auch immer M. cf. excoriata nannte.
Nicht nur wegen dem Ring sollte es sich wohl hier um M. mastoidea handeln.

Was meint ihr ?
Hier nochmal die beiden Bilder: (noch nicht umbenannt)




Christoph

Servus Werner,

Gernot hat die Frage ja bereits beantwortet... Drum springe ich gleich mal zu Gernots letzten Beitrag.  ;)

Also: Servus Gernot,

Dein Foto zeigt in der Tat einen ziemlich düsteren Gesellen. Bilderbuchmäßig, wobei ich sagen muss, dass ich einen so dunklen Hut in dem Alter auch nur selten sehen. Oft reißt die Huthaut stärker auf, sodass die dunklen Schuppen dann auf hellerem Grund liegen.

Zur Rötung: Ja, ich kann bestätigen, dass diese bei jungen Exemplaren deutlicher zu sehen ist. Alt tut sich oft nicht mehr als ein unspezifisches weinrötlich-bräunlich.

Ansonsten passt es ja auch sehr gut:
Sporen nicht ganz so lang wie beim normalen Parasol (wenn der nicht zu sehr schwankt), Cheilocystiden hingegen im Durchschnitt kürzer... Die Angaben der Funga Nordica widersprechen dem Konzept von Bon. Jetzt kann ich nicht einschätzen, wer mehr Kollektionen mikroskopiert hat. Ich denke, man muss sich selber ein Konzept schaffen, indem man eine Korrelation zwischen Makroskopie und Anatomier aufzuzeigen versucht. Es ist halt immer möglich, dass alte M. fuliginosa als M. procera fehlbestimmt werden und somit die Statistik verwässern. Drum sind Einzelfruchtkörper, wenn ausgewachsen, meist schwer bestimmbar. Jedenfalls meiner Meinung nach.
Frappierend finde ich immer die extrem ausgeprägte Knolle im frühen Jungstadium, die typisch für M. fuliginosa ist. Dann der düstere, rauchgraue und spät aufreißende Stiel und das rötende Fleisch der Stielrinde (jung). Man muss vielleicht solche typischen Fruchtkörper finden, stehen lassen, ausreifen lassen und dann mikroskopieren (mit beiden "Variantne" oder Arten).

LG
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Gernot

Hallo Werner,

bei dem Foto hätte ich auch kaum Zweifel an M. procera. Zum Vergleich hier noch ein Foto eines halbwegs ausgewachsenen M. fuliginosa, den ich vor einigen Tagen fand. Fast alle Merkmale passen gut zu dieser Art: Hut- und Stielgrundfarbe ziemlich dunkel, Sporen (aus Abwurf gemessen) 13-17 x 9-11 µm, Cheilozystiden 20-32(50) x 9-13 µm (es gab vereinzelt ziemlich schlanke Cheilozystiden, die sehr lang waren und die 50 µm erreichten), Sporenpulver creme. Die Stielrinde hat sich beim Kratzen bräunlich verfärbt, von einem Rotton war fast nichts zu sehen. Ich vermute, dass man dieses Merkmal nur bei jungen Exemplaren richtig gut beobachten kann.



Übrigens sind die Unterschiede der Mikromerkmale in der Funga Nordica alles andere als eindeutig: M. procera soll Sporen von 12,5-18 x 8-12 µm und Cheilozystiden von 15-60 x 9-18 µm haben, während bei M. fuliginosa die Sporenmaße mit 12-20 x 7-12 µm und die Maße der Cheilozystiden mit 15-60 x 7-15 µm angegeben sind.

Schöne Grüße
Gernot

Werner E.

Und da bin ich schon wieder....

Hier noch ein Foto aus Stockholm, das wohl den echten Parasol - M. procera zeigt.
Die Hutschuppung ist recht gleichmäßig, der Stiel deutlich genattert, und das Fleisch der Stielrinde scheinbar nicht rötend, wenn man das freiliegende Stielfleisch in der Natterung so deuten darf.

Gruaß Werner

Werner E.

Griasdi Gernot,

danke für Deine Einschätzung.
Zu Deinen M. mastoidea ein Bild von einem von mir allerdings schon in 2004 rein makroskopisch als M. mastoidea bestimmten Fund.
Sollte passen, oder ?
Gruaß Werner

Gernot

Hallo,

hier mal ein paar Fotos von Macrolepiota mastoidea s.l.. Typisch die fein aufreißende Huthaut, der ± deutliche Buckel und der Standort im Wald oder zumindest in der Nähe größerer Baumgruppen.



@Werner: Ich bin zwar nicht Christoph, versuche aber trotzdem mal meine Meinung einzubringen.

Rein makroskopisch würde ich dir zustimmen wollen was deine Vermutung betrifft. Das erste Foto passt m.M. nach gut zu M. fuliginosa (dunkle Töne, schwach genatterter Stiel) und das zweite zu M. procera (helle Farben, deutlich genatterter Stiel). Vielleicht meldet sich ja Christoph noch, der M. fuliginosa sicher besser kennt als ich. Ist aber eigentlich schon spannend, dass nicht einmal der Parasol zu den Pilzen gehört, die man "im Vorbeigehen" einwandfrei kartieren kann.

Schöne Grüße
Gernot

Werner E.

Griasdi Christoph,

ich muß gestehen, daß ich bisher M. procera sehr weit gefasst habe, und M. fuliginosa nicht unterschied.
Auf Deine makroskopischen Ausführungen hin hab' ich mir meine Bilder mal angesehen.
Es sollte wohl so sein, daß der junge FK im ersten Bild (ja, er wuchs tatsächlich im Schnee) eher M. fuliginosa, und die anderen aus dem Zillertal dem echten Parasol entsprechen, oder wie würdest Du dies einschätzen ?
Ich werd' künftig auf das rötende Fleisch und Deine angeführten Makromerkmale achten.
Gruaß Werner

Christoph

Servus Gernot,

ich finde, M. fuliginosa ist am besten jung zu erkennen:

Er beginnt mit einer flachen, auffälligen, rußschwarzen knolle, aus der sich der Hut/Stiel wie ein Zapfen heraushebt. Später in der Paukenschlegelform ist der Stiel noch völlig glatt und ebenfalls rußschwärzlich oder dunkel rußbraun, die Huthaut zu beginn ebenfalls. Der Stiel reißt natürlich später auf --> Natterung; und die Huthaut zerreißt ebenfalls in Schuppen, wie üblich. Allerdings sind sie zu Beginn  noch stark kontrastierend und liegen einem hellen Untergrund auf. Später können sie etwas ausblassen und dann wird's schwierig im Vergleich zu normalen Parasolpilzen.
Das Fleisch rötet jung recht deutlich (schmutziges Weinrotbräunlich, wenn man an der Stielrinde kratzt). Irgendwie finde ich die Art jung aber schon so fast unverwechselbar.
Insofern sind unsere Beobachtungen ziemlich kongruent, denke ich.

Der "echte" Parasol hat im Frühstadium keine so deutliche, extreme, flache Knolle, ist nicht so einheitlich rußschwärzlich, sondern heller, früher aufreißend und am Stiel früher genattert, die Huthaut ist heller, weshalb die sich bildenden Schuppen weniger deutlich kontrastieren und wenn man kratzt, passiert nicht viel. Alte M. fuliginosa können aber m.E. wenn sie ausblassen, typischen Parasolen durchaus ähneln.

Aber ich finde den "echten" Parasol recht selten, da bei mir (Raum München) der rußige deutlich dominiert.

ZitatMan könnte ihn doch zu Chlorophyllum kombinieren mit der Anmerkung "Unterscheidet sich von allen anderen Arten dieser Gattung durch Leucoagaricus-ähnlichen molekularen Aufbau" und niemand könnte widersprechen.

Hihi, könnte man ja spaßeshalber mal machen *grins*

LG
Christoph

Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Gernot

Servus Werner,

fein genatterter Stiel und Standort im Wald würden passen für M. konradii (natürlich nicht nur für den). Aber mit einem kleinen cf. hinter dem Namen kannst du nicht grob falsch liegen. :)

ZitatWenn ich nach Schnallen suchen soll, kommt bestimmt M. konradii raus.
Du musst wissen, daß ich im Keine-Schnallen-Finden richtig gut bin .-)))

Damit wäre die Bestimmung ja abgesichtert. :D

Schöne Grüße
Gernot

Werner E.

Griasdi Gernot,

danke für Deine Antwort.
Meine Fotos wurden nicht am Orginalstandort, sondern in meinem Garten gemacht.
Gewachsen ist der Schirmling in vielen Exemplaren in einem rel. jungen (ca. 40 Jahre alten) schattigen Fichten-Buchen-Mischwald in der Laubstreu.
Der Stiel war nur sehr fein genattert, gerochen hat er wie M. procera, (und geschmeckt auch :D).

Wenn ich nach Schnallen suchen soll, kommt bestimmt M. konradii raus.
Du musst wissen, daß ich im Keine-Schnallen-Finden richtig gut bin .-)))

Gruaß Werner