subalpine Pilze Teil 1 - Inocybe subhirsuta - Fund aus dem Kaunertal, Tirol

Begonnen von Christoph, 30. August 2010, 23:13

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Helmut

Servus,

nachdem ich seit der Funtensee-Exkursion "Feuer gefangen" habe für die alpine Funga (und Bergwanderungen und Bergläufe  :D) war ich öfter da oben. Zuletzt Anfang September 2014 im Steinernen Meer, wo mir u. a. eine I. calamistrata auf ca. 2100 m über Kalk begegnet ist. Die Mikroskopie war interessant: Die Sporen waren äußerst variabel in der Form mit einer großen Quotienten-Streubreite. Die Mehrheit zeigte sich recht schlank und teilweise phaseoliform, also trägt meine Kollektion den Namen I. calamistrata. Mit 10-13,5 x 5,5-7(-8) µm nähert sich die Sporengröße aber schon den Angaben in der Funga Nordica für I. subhirsuta (dort x 5-6(6,5) µm für calamistrata vs. x 6-9 µm für subhirsuta). Leider ist der Unterschied bei meinen Sporen nicht so eindeutig wie bei den Funden von Ditte Bandini (auf ihrer Homepage www.inocybe.org werden beide Arten mittlerweile präsentiert).

Gruß Helmut

Peter

ZitatDer Alpenraum ist auch für mich noch weitgehend unerschlossen. Die Bayerische Mykologische Tagung 2011 in Berchtesgaden ist fest in meinem Kalender vermerkt.

Ich bereite gerade eine Funtenseeexkursion vom 17.-19.08. 2011 für Interessierte als Tagungsanhängsel vor. Es ist ja eines der wenigen bayerischen Gebiete mit subalpinen Pilzen.

LG, Peter
"Seit Millionen Jahren haben unzählige Organismen auf unserer Erde gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben. Es gibt nur eine Ausnahme: Der Mensch."

Helmut

Servus beisammen,

ich habe mich hier erstmal vornehm zurückgehalten. Lediglich ein Beleg von I. calamistrata findet sich in meinem Herbar, das aus einer Begehung des Murnauer Moores vor 19 Jahren mit Alfred Einhellinger stammt. Sonst ist mir die Art nicht mehr begegnet. Ich kann deshalb keine eigene Erfahrung beisteuern. Der Alpenraum ist auch für mich noch weitgehend unerschlossen. Die Bayerische Mykologische Tagung 2011 in Berchtesgaden ist fest in meinem Kalender vermerkt. Hoffentlich kommt nicht wieder was dazwischen.

Gruß

Helmut

Christoph

Hallo Wolfgang,

nein, ich bin nicht weiter gekommen. Andreas schreibt es ja selber (danke Andreas!) - die meisten Autoren synonymisieren - eine ausführlich Diskussion wäre aber wünschenswert...

Jetzt bin ich kein Risspilzexperte - im Gegensatz zu Helmut. Mir fällt aber eben auch auf, dass der Hut nicht so schuppig wie bei einer "normalen" I. calamistrata ist. Die "echte" I. calamistrata kenne ich aus dem Bayerwald, wo sie ziemlich häufig ist.

Wie auch immer - ich speichere sie erstmal als Inocybe subhirsuta ab... Ob Synonym oder nicht kann ich selber nciht entscheiden.

Liebe Grüße
Christoph

Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

mollisia

Hallo,

vom Geruch her muss ich zuerst mal voranschicken, dass für mich I. calamistrata immer eine Art mit Pelargoniengeruch war. Habe durch die Diskussion jetzt erst mitbekommen, dass das anscheinend gar nicht immer der Fall ist ....

Zu Inocybe subhirsuta wäre noch anzumerken, dass FERRARI in seiner Arbeit über die alpinen/subalpinen Inocybe (Fungi non delineati 34-36, 2006) sowohl diese als auch Inocybe hirsuta mit I. calamistrata synonymisiert. Leider ist keine Diskussion zum Taxon subhirsuta vorhanden.
Abgebildet sind dort 4 Kollektionen, von denen nach Augenschein zwei aus Zwergweidenbiotop stammen. Eine davon ist auch in der Artbeschreibung unter "Untersuchte Kollektionen" aufgeführt und mit 2400 m NN und Salix herbacea angegeben. Beide alpinen Bilder machen auf mich einen glatthütigeren Eindruck - allerdings erst jetzt wo ich gezielt darauf hingeschaut habe.

beste Grüße,
Andreas

Wolfgang D.

Hallo Christoph,

bist du mit diesem Fund noch irgendwie weitergekommen?

Ich arbeite gerade meine Sommerfunde auf und hatte so ein ähnliches Ding nämlich auch gerade unter der Lupe.
Leider habe ich in meinem Herbar kein Vergleichsmaterial von I. calamistrata, aber nach Literatur sind die Sporen bei diesem Fund deutlich breiter (Q = 1,6).
Der Hut ist struppig, aber keinesfalls abstehend schuppig (wie etwa am Schutzumschlag vom "Stangl"), der Stiel sogar mehr oder weniger kahl. Der Geruch war sehr intensiv, ich habe "stechend" notiert.

Der Fundort war mitten in den Zentralalpen, also im Silikat, unmittelbar am moosigen Ufer eines Bergbaches, nicht alpin (eher "dealpin"), natürlich mit Picea und Alnus incana, aber sicher auch mit Salix irgendwo in der Nähe (auch Zwergweiden nicht ausgeschlossen).

Da wir in Ö zahlreiche Funde von I. calamistrata von ähnlichen Standorten kennen, glaube ich nicht recht, dass mein Fund etwas anderes sein soll, trotz der breiteren Sporen und kaum auffälligen Bekleidung.

Übrigens, unter den Nachweisen von I. calamistrata in Ö finden sich eine ganze Reihe von alpinen Fundorten, einige sogar mit dem expliziten Hinweis auf Zwergweiden. Ich weiß nun nicht, ob die durchaus namhaften Bestimmer I. subhirsuta nicht berücksichtigt oder nicht als separates Taxon anerkannt haben. Jedenfalls sollte man ihren Funden nachgehen, falls du dich weiterhin für deine I. subhirsuta aus Tirol interessierst.

LG
Wolfgang

Christoph

#6
Servus Helmut und Gernot,

erst mal vielen Dank an Helmut für die Originaldiagnose! Ich komme nämlich nur schwer an die Doc. Mycol. heran. Die Diskussion ist ja mal wieder sehr ausführlich *hüstel*, die Kühner präsentiert.

Die Ausführungen von Bizio sind sehr interessant, danke Gernot.

Mir sind folgende drei Unterschiede zur typischen I. calamistrata aufgefallen:

1.) Sporen sind breiter
2.) Hut ist weniger struppig
3.) Geruch deutlich und auffällig nach Pelargonium

Den Ökologieunterschied Kalk (I. subhirsuta) vs. saurer Boden (I. calamistrata) kann ich anhand des Fundes nicht bestätigen, was die Trennung auf Artebene auch ein bisserl abschwächt. Allerdings habe ich noch keine typische I. calamistrata auf basenreichen Böden gefunden.

Folgt man Bizzio, so ist der Geruch bei I. calamistrata variabel und kann auch Pelargoniumgeruch mit einschließen. Wäre dem so, hätte man noch zwei Unterscheidungsmerkmale. Die erwähnte Inocybe hirsuta, die an der Stielbasis weniger bis gar nicht grün sein soll, kenne ich gar nicht, weshalb ich sie aus der Betrachtung mal herauslasse.

Pilze der Schweiz bilden eine Kollektion bei Zwergweide als I. calamistrata ab. Hier sind die Sporen auch entsprechend schmal, wenn die Mikroskopie zu dem abgebildeten Pilze passt/gehört (bin da bei PdS immer etwas skeptisch).

Vielleicht hat Bizzion Recht damit, dass es die selbe Spezies darstellt. Kommt drauf an, wie sehr die Sporenbreite bei der typischen I. calamistrata schwanken kann. Die Hutschuppung alleine würde ich bei einem Wachstum in extrem hohen Lagen weniger als deutliches Merkmal ansehen wollen. Schließlich sind hier die Witterungsbedingungen oftmals extrem und die Hutoberseite ist diesen ja vollkommen ausgesetzt.

Bleibt die Frage, was man nun tun soll... Die Cervicolores sind halt ein bisserl "deppert", weil ihnen aussagekräftige Mikromerkmale irgendwie fehlen. Man denke an die Diskussion, ob I. pisciosora eine Art ist oder gar nix taugt, oder zumindest als Varietät angesehen werden sollte.

Rein gefühlsmäßig würde ich Inocybe subhirsuta eher als Varietät der I. calamistrata einordnen (obwohl ich ja eher ein Spalter als ein Zusammenschmeißer bin), kann mir darüber aber eben kein sauberes Urteil erlauben. Drum belasse ich, damit keine Information verloren geht, die Bestimmung erstmal auf Artebene als Inocybe subhirsuta. Ob diese "Form" wirklich so selten ist, kann ich auch nicht beurteilen. Wer sammelt schon im zentralalpinen Hochgebirge kleine Risspilze?

Was folgte daraus? Die Inocybenfreunde sollten mehr ins Zentralalpine fahren. ^^

LG
Christoph

P.S.: @Gernot - man kann net überall gleichzeitig sein. Auf der Arbeitswoche habt ihr sicher auch interessante Sachen finden können...



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Helmut

Servus Christoph,

hier die Orinigalbeschreibung (mehr ist in dem Werk nicht drin):

Inocybe subhirsuta sp. nov.
Metuloidae nullae. Cheilocystidia (23)40-50(60) x (7)9-14(16)pm, versiformia. Sporae
haud gibbosae, 9-10,6-13,5-14,7 x 6,2-6,7-8,2-9µm (Q = 1,4-1,7). Cortina non visa
est. Stipes x 1,5-4mm, sursum brunneolus, e basi +/- viridescens vel sordide viridi-
cyaneus vel griseo-viridis. Apicis flocci Sursum albi, in media parte carnei vel
rubelli, in banale fibrillum inferius evadunt. Stipitis carnis basis griseo-viridis
vel cyaneo-viridescens, sine ullo purpureo colore in parte superiore, in apice interdum
subtiliter rosea, ad tenuissimam superficialem cuticulam reducta. Pileus 10-22mm,
campanulatus dein convexus, sordide brunneus; cuticula e radiatim coactilibus fibrillis
sive fibrillosa permanens sive acutos adpressos vel vix recurvatos flocculos
interdum formans, hinc squarrosa evadens. Lamellae subdistantes, griseo-luteae 2,5
Y 7/4, dein brunneo-luteolae. Odor variabilis secundum caeli naturam,sive subtilis
pelargonii foliorum, sive aringi sicci. Cum Salicibus reticulatis, in calcareo solo.
Typus in herb. R. Kühner no 72-102.

Gruß

Helmut

Gernot

Servus Christoph,

da kriege ich sofort ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht beim ARGE-Treffen dabei war! Ein toller Fund. Ich bin schon voller Vorfreude auf die anderen interessanten Sachen!

Enrico Bizio hat einen Artikel Namens "Considerazioni sul genere Inocybe: le Cervicolores, queste sconosciute." im Bollettino del Centro Micologico Friulano (2001) veröffentlicht, in dem er I. subhirsuta bloß als eine alpine Form von I. calamistrata ansieht und erstere mit letzterer synonymisiert. Das Ganze gibt's im folgenden Link nachzulesen (nach unten scrollen): http://www.actafungorum.org/actaforum/viewtopic.php?f=227&t=649

Schöne Grüße
Gernot

Christoph

Griaß Di Helmut,

ich fand die makroskopischen Merkmale eigentlich schon ziemlich auffällig (vor allem die schmutzig graublaue Stielbasis). Neu für Mitteleuropa wäre natürlich ziemlich cool, da aber Kühner die Art beschrieb, kann das irgendwie schlecht sein. Er hat sie laut Index Fungorum aus Frankreich beschrieben: Docums Mycol. 19(no. 74): 25 (1988), allerdings auf Kalkboden unter Salix reticulata (einer anderen Zwergweide).

Es haben ja auch italienische Autoren einiges über subalpine Risspilze publiziert (ich glaube, mich zu erinnern, dass das in der Revista Micologia war). Falls Du die Artikel besitzt und dennoch noch nichts von der Art gehört hast, brauche ich dort nicht nochmal nachzusuchen. ;-). In der Datenbank der Pilze Österreichs habe ich sie auch nicht gefunden. Vielleicht ist es zumindest ein Erstfund für die Alpenrepublik?!

Kann mir "zufälligerweise" jemand die Originalbeschreibung der Art zur Verfügung stellen (hat jemand die Doc. Mycol. 19)? Wäre klasse!

Schade, dass ich bei Eurem Treffen nicht mit dabei sein konnte. Auf der westlichen Karwendelspitze wuchsen die Woche (Mittwoch, der 25.8.2010) reichlich Risspilze auf 2200 m Höhe (Karwendelgrube, Kalkschotter). Ich komme da aber nur auf Inocybe fuscomarginata (wegen der Sporengröße) - allerdings ohne dunklere Schneiden.

In Österreich gab es bis an die Vegetationsgrenze Pilze, bevor dann Ende der Woche ein Wintereinbruch kam (Schnee bis 1700 m). Thomas erzählt mir schon, dass ihr es auch dementsprechend feucht hattet...

Falls Du Interesse an dem Exsikkat hast, kann ich es Dir natürlich gerne bei Gelegenheit schicken. Natürlich, wenn Du die aktuellen Funde aus Eschenlohe und Umgebung abgearbeitet hast. Vielleicht kannst Du ein paar der schönen Funde später hier vorstellen?!

Liebe Grüße
Christoph

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Helmut

Servus Christoph,

da wirst Du wenig Glück haben. So mit eindeutigen Merkmalen ausgestattete Risspilze würde man schon erkennen. Aber wer sucht schon im Hochgebirge nach den "kleinen Braunen"?

Wir hatten letztes Wochenende Arbeitstreffen des AK Inocybe in der Nähe von Garmisch. Da gab es aber über 1500 m so gut wie nichts. Weiter unten dagegen hatten wir genug Erfolgserlebnisse. Auch einige Arten mit Pelagoniumgeruch waren da, aber nicht Deiner. Die Teilnehmer sitzen wohl jetzt noch an den Mikroskopen (einschl. mir).

Danke fürs Zeigen dieses besonderen Pilzes. Mit ist die Art bisher nicht bekannt gewesen und ich weiß nichts über Funde in Mitteleuropa.

Gruß

Helmut

Christoph

Servus beinand,

als ich diese blaufüßigen Risspilze gefunden hatte, dachte ich zunächst an Inocybe calamistrata. Der Hut war mir allerdings nicht struppig genug. Dennoch war das erstmal mein Arbeitsname. Der Fund gelang während einer Exkursion mit der ARGE Österreichischer Pilzberater ins Hochgebirge. In 2600 m Höhe nahe des Gletschers im Talschluss haben wir Salix-herbacea-Bestände abgesucht. Es gab hier einiges Interessantes zu finden, wobei ich mit dem Risspilz anfangen möchte.

Das Habitat war für Inocybe calamistrata ungewöhnlich. Ich kenne diese im Nationalpark Bayerischer Wald recht häufige Art aus feuchten bis nassen, bodensauren Fichtenwäldern. Hier handelte es sich aber um Salix und der Boden war nicht wirklich anmoorig. Da es sich um einen Nordhang handelte, war es aber deutlich feuchter als an anderen Stellen der Umgebung.


Inocybe subhirsuta - Standortaufnahme


Standort (Übersichtsaufnahme) und Inocybe subhirsuta

Mit Hilfe der Funga Nordica kam ich dann schnell und einfach auf Inocybe subhirsuta. Der dort beschriebene Geruch nach Pelargonium war auch deutlich wahrzunehmen und die Mikromerkmale passen mit dem Schlüssel überein. Ich habe allerdings keine brauchbare Beschreibung des Pilzes, da er z.B. im Stangl fehlt. Vielleicht kann jemand das Schwammerl vom Foto her bestätigen. Ein Beleg existiert selbstverständlich.

LG
Christoph
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