Servus beinand,
als ich heute (29.03.2010) meinen Hauswald (Tutzing, Wald südlich des Kalkgrabens) besuchte, fand ich zwei frisch gefallene Tannen vor, die ich natürlich sofort eingehend inspizieren musste. Beide waren Opfer des Rotrandporlings und des Sturms beim Temperatursturz des letzten Freitags. Die Tannen waren allerdings bereits stehend tot. Es ist ein Wunder, dass der Wald nicht von stehendem Totholz "befreit" wird. So gibt es einige Biotopbäume (alte Buchen, die zusammenbrechen dürfen, uralte Tannen etc.).
An mehreren Ästen einer erst letztes Jahr endgültig abgestorbenen, aber da bereits morschen Tanne, entdeckte ich
Peniophora piceae, die ihrem Namen zum Trotz nur an Tanne wächst. Als ich einen Ast zum Fotografieren drapierte, entdeckte ich einen kleinen, büscheligen Becherling (Apothecien bis ca. 3 mm Durchmesser), der durch die
Peniophora durchgewachsen war.

Die Außenseite war braun und kleiig, wie bei einer Encoelia, die Fruchtschicht hingegen fast schwarz. Sofort dachte ich an
Ionomidotis fulvotingens, da ich diese Art einmal für einen Artikel von Till Lohmeyer und Fredi Kasparek mikroskopiert und gezeichnet habe:
Lohmeyer T. & Kasparek F. (2002): Ionomidotis fulvotingens, Encoelia fascicularis und Velutarina rufoolivacea, drei unterscheinbare inoperculate Becherpilze aus der Unterfamilie der Encoelioideae. Mycol. Bav. 5: 43-55.Entgegen der dort gegebenen Information, dass
I. fulvotingens vornehmlich in Moor- und Auwäldern vorkäme, handelt es sich hier um ein klassisches, tannenreiches Hordelymo-Fagetum mit zusätzlich gepflanzten Fichten (Forst). Es ist ein wunderschöner Bestand, der u.A. auch
Hydnellum geogenium, den Schwefelgelben Korkstacheling beherbergt. Ansonsten wäre ein hoher Artenreichtum an großen Ramarien für dieses Gebiet erwähnenswert.
Zuhause angekommen war ich skeptisch, da
Ionomidotis noch nicht an Nadelholz gefunden wurde. Die kleinen nierenförmigen Sporen mit den zwei Öltropfen, die fädigen Paraphysen, die Asci mit auffallenden Haken, die wie Schnallen von Basidiomyzeten aussehen und die charakteristische rote Reaktion des Excipulums mit KOH - alles passt!
Leider habe ich zurzeit kein Makroobjektiv, weshalb ich mit einem Teleobjektiv fotografiert habe. Man kann die Art aber dennoch halbwegs erkennen. Die Becherchen waren noch jung.
Ob noch mehr Apothecien zu finden sind, weiß ich nicht. Es wurde dämmrig, weshalb ich nicht mehr weitersuchen konnte.
Ionomidotis fulvotingens ist entweder extrem selten oder übersehen worden. Dass die Art hier an einer stehenden (toten, aber noch im Astbereich berindeten) Tanne wächst, lässt hoffen, dass sie in diesem Habitat durchaus verbreitet sein könnte.
Wer hat diese Art noch gefunden? Sie soll laut Lohmeyer & Kasparek nur im kalten Halbjahr (Spätherbst / Winter / Frühling) zu finden sein...
Anbei meine anatomische Kurzbeschreibung mit Skizzen (alle Maße mal 0,95 nehmen, da mein Messokular nicht 1:1, sondern nur 0,95:1 skaliert ist):

LG
Christoph