Hallo zusammen,
dies ist der vorläufig letzte Beitrag in dem ich Euch die Farbveränderungen am 2. Tag vorstellen möchte.
War bei Xerocomellus chrysenteron und Xerocomellus cisalpinus oft eine schwache helle Linie unterhalb der Huthaut erkennbar, so ist diese bei den meisten Xerocomellus pruinatus 09.10.2020 stärker ausgeprägt und das Rot im restlichen Hut ist oft sehr stark ausgeprägt.

Xerocomellus pruinatus 09.10.2020
Im SB 1 dominiert zunächst gelb.

Xerocomellus pruinatus SB 1
Schon kurze Zeit später blaut er deutlich im Stiel.

Xerocomellus pruinatus SB 1a
Im SB 2 nach einem Tag erkennt man beim draußen gelagerten Pilz im Hut deutlich die helle Linie direkt unterhalb der Huthaut. Der Stiel ist ein grau-braun auf gelb. Der im Kühlschrank gelagerte Pilz hat kein rot entwickelt, auch ist der Stiel noch leicht blau.

Xerocomellus pruinatus SB 2
Bei den mehr rothütigen Xerocomellus pruinatus 31.10.2020 ist dann sogar oft der Übergang zum Stiel deutlich rot abgegrenzt und der Stiel, ähnlich Xerocomellus cisalpinus, sehr ausgeprägt grau-braun.

Xerocomellus pruinatus 2
Im SB 1 ist er wie gehabt gelb.

Xerocomellus pruinatus 2 SB 1
Auch das Blauen ist zu sehen.

Xerocomellus pruinatus 2 SB 1a
Im SB 2 zeigt sich eine intensive Rot-Färbung im Hut, sie kann auch schwächer ausfallen. Die helle Linie ist gut ausgeprägt und der Übergang zum Stiel deutlich rot.

Xerocomellus pruinatus 2 SB 2
Zusammenfassung
Ihr habt jetzt gesehen, wie sich die Pilze innerhalb eines Tages im Schnittbild verändern können.
Ich wollte Euch dies zeigen, da ich das bisher nirgends nachlesen konnte. Mit diesem Beitrag stelle ich die Ergebnisse meiner Beobachtungen zur Diskussion und Nachprüfung durch Euch.
Ich bin Hobbymykologe mit nicht sehr großer Erfahrung. Dieser Beitrag beruht auf rein empirischen Beobachtungen und deren Auswertung von 2019 bis 2021. Die meisten Bestimmungen habe ich auf makroskopischer Grundlage gemacht. Besonders schwierig war es bis zur Erkenntnis, dass man tatsächlich mehr als 12 - 14 Stunden warten muss. Einfach nur am nächsten Morgen schauen brachte immer wieder enttäuschende Ergebnisse.
Da ich davon ausgehe, dass Pilze nicht willkürlich mal den einen Inhaltstoff mal den anderen Inhaltstoff bilden, sondern, dass das Vorhandensein bestimmter Inhaltstoffe und die damit zusammenhängenden Prozesse art- oder gattungsspezifisch sind (siehe die Einbeziehung der Schnittbilder 1 (SB 1) bei der makroskopischen Bestimmung), ist meine Theorie, dass Pilze ein art- oder gattungsspezifisches Schnittbild 2. Tag (SB 2) entwickeln können, diese Schnittbilder können sich ähneln oder deutlich abweichen (wie die Schnittbilder 1 auch). Es werden dabei Stoffe gebildet, die zunächst nicht sichtbar waren, so wie bei den Schnittbildern 1 auch.
Wieweit das stimmt und dann allgemein gültig und wissenschaftlich fundiert ist, oder ob das nur ein lokales, an bestimmte Voraussetzungen gebundenes Phänomen ist oder die Anzahl der von mir untersuchten Pilze je Art einfach zu klein ist (z.B. n=1), können weitere Untersuchungen bringen, gerne auch durch Euch. Aufgrund meiner begrenzten Zeit und Mittel kann ich nicht alle Pilze untersuchen. Viele Arten und auch manche Gattungen habe ich nicht gefunden, ob es da interessante Schnittbilder 2. Tag gibt, ist offen. Viele der Pilzarten habe ich nur anhand von ein, zwei Fruchtkörpern untersuchen können, ich habe sie trotzdem hier gezeigt, so ist ein Vergleichsbild vorhanden, falls Ihr Euch das selbst ansehen möchtet.
Wenn Ihr also Lust habt, Euch selbst den einen oder anderen Pilz anzusehen, ich würde mich über ein Schnittbild 2. Tag freuen und auch darüber, ob Ihr zum gleichen Ergebnis kommt oder ob die Pilze unter anderen Bedingungen, Mykorhizzapartnern, Böden, Temperaturen usw. anders reagieren. Auch ein negatives Ergebnis ist für mich ein gutes Ergebnis, da Erkenntnisgewinn.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mir bei der Untersuchung geholfen haben. Als erstes danke ich meinem Mann, der oft genug auf eine leckere Pilzmahlzeit verzichten musste, weil der Steinpilz, die Rotkappe, der Flocki … auf dem Untersuchungstisch mit Abdeckung landete anstatt gebraten auf einem Teller. Dann danke ich allen, die mir ihre Pilze zum Untersuchen überließen, allen voran Rosi Denk-Gottschaller, die mir so manchen Röhrling im Wald zeigte und den einen oder anderen, wenn ich gar nicht von der Arbeit wegkonnte, sogar brachte. Ich bedanke mich auch bei der ARGE (Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Pilzberater) an deren Tagung 2020 im oberösterreichischen Waldviertel ich teilnehmen durfte und bei denen ich die dort gefundenen Röhrlinge, und das waren viele, untersuchen konnte (samt Bestimmungshilfe, wenn ich es alleine nicht geschafft habe), insbesondere Irmgard Krisai-Greilhuber, Wolfgang Klofac und Gernot Friebes. Und ich danke Till R. Lohmeyer für seine Hinweise und Anregungen, sein Erfahrungsschatz ist für mich sehr wertvoll. Christoph Hahn, der mir im Laufe der Zeit so manche Frage zu den Röhrlingen, den Schnittbildern und den Inhaltsstoffen bereitwillig beantwortet hat, danke ich für die Unterstützung während der Untersuchung. Seine Auskünfte waren mir eine große Hilfe.
Vordringlich verwendete Literatur:
Klofac W., Krisai Greilhuber I., Überarbeiteter Schlüssel zur Bestimmung von Frischfunden europäischer Arten der Boletales mit röhrigem Hymenophor, Österreichische Zeitschrift für Pilzkunde 2018, Heft 27 (Bestimmung)
Ladurner M, Simonini G., Xerocomus, Funga Europaei, 2003 (Zusatzinformation Filzröhrlinge)
Guthmann J., Hahn C., Die Pilze Deutschlands, 2021 (Zusatzinformation Inhaltsstoffe)
Sundström E., Sundström C., Mit Pilzen färben, 1984 (Information Färbepilze)
Diese Liste ist nicht abschließend.
Ich freue mich auf Eure Antworten, Fragen und auch die Kritik.
Liebe Grüße und Frohe Ostern
Renate Schöber