Fund eines Schiefen Birkenpilzes (Leccinum Schistophilum)?

Begonnen von Michael Stüben, 15. Juli 2020, 20:23

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Michael Stüben

Ok, dann werde ich auf jeden Fall einen eigenen Thread aufmachen.
Ich bin sehr gespannt, was ihr dazu sagt.

Christoph

Servus Felli,

genau sowas meine ich. Der ist mir irgendwie unterm Radar durchgeschlüpft. Entweder ist das ne Eichenrotkappe unter Pappel oder Leccinum populinum. Da wären die Mikros gut, wenn er denn reif genug ist.

@Michael:
Leccinum oxydabile ist ein völlig unklares Taxon. Was hatte Singer damals gemeint?! Deshalb wird der Name auch kaum noch gebraucht. Ein eigener Thread mit Fotos klingt gut, denn ohne ist es schwer nachzuvollziehen, was du meinst.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Michael Stüben

Ok, dann mache ich das ja gar nicht verkehrt mit den Leccinum zu beginnen...

Die Rotkappen fielen mir wirklich schwer, da ich gelesen habe, dass z.B. Quercinum auch bei anderen Laubbäumen als der Eiche vorkommen kann. Ich schaue mir jetzt, anstatt den Stielschuppen, die Verfärbung bei Verletzung an und versuche mir das Farbspektrum etwas einzuprägen.
Ich habe eine Stelle an der jedes Jahr massig Exemplare wachsen und Hauptsächlich Pappeln stehen. Vereinzelt auch Birken und Eichen.
An einer anderen Stelle stehen nur Pappeln und diese Rotkappen sehen für mich auch alle nach Quercinum aus.

Mit L. Oxydabile meine ich den Rötenden Birkenpilz.
Ich würde ebenfalls Duriusculum ausschließen, da ich heute wieder zwei Exemplare, jedoch an einer anderen Stelle, gefunden habe, die ich ebenfalls dieser Art zuordnen würde. Pappeln waren dort nicht vorhanden. Lediglich Eichen, Birken und Kiefern.

Hier fiel mir ebenfalls die Stämmigkeit des Fruchtkörpers auf.
Von außen konnte ich in diesem Fall an einer Verletzung einen wirklich starken Rotton erkennen, der bei meinen ersten Exemplaren nur leicht auftrat. Also ich diese mit dem Messer freilegte, sah es fast so aus, als würde er bluten.

Wieder vorhanden war die gelbe Stielbasis, die bei keinem mir bekannten Raufußröhrling als Merkmal beschrieben wird, obwohl diese recht auffällig ist.

Nach dem Querschnitt dauerte es einige Zeit bis sich ein leicht rötlicher fast gräulicher Farbton im Fleisch bildete.

Das sind so kurz beschrieben die auffälligsten Merkmale dieser Exemplare.
Ich kann gerne einen eigenen Thread eröffnen, in dem ich ausführlich Bilder von diesen insgesammt 5 Exemplaren zeige.
Für mich kommt hier keine der anderen gängigen Arten in Frage.
Soweit ich weiß, stehen bei rötenden Arten nur L. Shistophilum, L. Roseofractum oder eben L. Oxydabile zur Auswahl. Da keine blau/ türkistöne vorhanden sind, sollte Shistophilum raus sein, da ich diesen ja jetzt auch etwas kenne.
Es bleiben also m.M. nach nur Roseofractum oder Oxydabile.
Auf jeden Fall trockne ich eines der Exemplare bereits, falls man da nochmal genauer reinschauen muss.
Ggf. sammle ich noch ein paar mehr Exemplare.

Aber vielleicht habt ihr ja doch noch einen anderen Vorschlag, den ich gar nicht auf dem Schirm habe.

Liebe Grüße

Michael Stüben

Felli

#7
Servus,
meinst du sowas als " (ist eine "Eichenrotkappe" unter Pappel, die u.a. durch längere und breitere Sporenauffällt)".?

Stammt von der BMG-Tagung
Leider ohne Mikro´s

Grüße
Felli

Christoph

Servus Michael,

klingt sehr spannend. Leccinum cyaneobasileucum, L-. variicolor und L. scabrum sind relativ häufig. Was du aber unter Leccinum oxydabile verstehst, wäre interessant. Offenbar ja keine der drei eben genannten Arten.
Leccinum melaneum ist auch was Spannendes, denn die Art ist, obwohl so sehr an L. scabrum erinnernd, genetisch unterscheidbar und wohl wirklich was Eigenes. Für die Bestimmung ist m.E. die Stielgrundfarbe bedeutsam, den L. scabrum kann auch mal dunkel ausfallen.

Leccinum duriusculum finde ich bei mir (warum auch immer) nicht. In Norditalien ist die Art recht häufig (und wenn ich in diverse Foren schaue, wohl auch in manchen Regionen in Deutschland). Alle Eigenfunde (also von sonstwoher, nur nicht aus dem westlichen Oberbayern) hatten diese Tendenz zu einer feinfeldrigen Huthaut. Das Fleisch wird aber immer deutlich dunkelgrau bis schwärzlich - insofern hast du bei dem, was du beschreibst, sicher keinen Pappelraufuß.

Rotkappen sind etwas kniffelig. Inzwischen habe ich alle drei Nadelwaldrotkappen gesehen (eine ist noch nicht beschrieben) und meine, langsam ein Gefühl dafür zu bekommen. Nur ist mir die Variationsbreite noch nicht so klar. Leccinum piceinum sehe ich immer wieder im BayerWald. Leccinum vulpinum s. str. kenne ich auch aus dem Oberpfälzer- und Bayer. Wald, während ich die noch nicht beschriebene Nadelwaldrotkappe, die Klofac in seinem Röhrlingsschlüssel (aus dem Jahr 2020, aber in der ÖZP "2018") umschreibt, heuer im Montafon gesehen habe - sie rötet sehr deutlich, schwärzt aber gar nicht.

Die Rotkappen unter Laubbäumen sind nicht einfach - wichtig sind die Stielschuppen jung, mittelalt und ganz alt und die Porenfarbe  beim Aufschirmen (ob z. B. blass oder schmutzig cremegrau werdend). Nach Klofac gibt es da deutlich mehr, als man dachte. Ich würde gerne mal ein "echtes" Leccinum populinum finden (ist eine "Eichenrotkappe" unter Pappel, die u.a. durch längere und breitere Sporenauffällt).

Wenn du deine Funde diskutieren willst (mit Fotos): sehr gerne hier ;-). (Bzw. im "Expertenforum" - Leccinum-Bestimmung ist eher ein Spezialthema).

ZitatIch habe mich immernoch kaum an Russula, Cortinarius und Agaricus herangewagt.

Agaricus kann sehr frustrierend sein - da ist mittlerweile ohne Genetik in vielen Gruppen nichts mehr machbar. Cortinarius ist toll, spannend, schön... aber wegen der Artenzahl einfach erschlagend (finde ich). Russula ist auch sehr schön, spannend und teils auch bestimmbar (wenn man sich die Zeit nimmt, nur Kollektionen von jug bis alt anzuschauen, Sporenabwurf macht und ausgiebig mikroskopiert - und den Kontakt zu Spezialisten nicht scheut). Gegen dir drei Gattungen ist Leccinum ja richtig überisichtlich ;-).

Liebe Grüße,
Christoph
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Michael Stüben

Achso ich hatte mich schon gewundert  :D

Ich habe mir, wie angekündigt, die Raufüße in meinem Gebiet angeschaut und habe festgestellt, dass an mehreren Stellen Raufüße mit passenden Merkmalen (leichte türkisfarbe in der Basis, leichtes Röten bei Anschnitt) zu finden sind. Davon habe ich, neben den Exemplaren meiner ersten Fundstelle, eine weitere Probe getrocknet.

Ich habe dazu sicher Cyanobasileucum, Variicolor und Scabrum bestimmen können. In meinem Garten meine ich ebenfalls Melaneum stehen zu haben.

Bei den Rotkappen scheitere ich noch etwas zwischen Aurantiacum und Quercinum zu unterscheiden. Aber ich denke, dass beide Arten inklusive Versipelle vertreten sind. Piceinum und Vulpinum suche ich hingegen vergebens.

Bei einem bestimmten Exemplar bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob es sich um Leccinum Duriusculum handelt, da dort die typische schwarze Verfärbung fehlt und nur ein leichtes Röten und ein intensiver Gelbton beim Querschnitt in der Stielbasis vorhanden sind. Der Pilz war vom habitus her sehr stämmig und groß, ähnlich wie bei den Rotkappen.
Eventuell zeige ich euch hier auch nochmal meine dokumentierten Bilder, da ich hier auch an Leccinum Oxydabile gedacht habe.

Ein Freund hat mir, sehr zu meiner Überraschung, Bilder von 2013 gezeigt, auf denen ganz klar Holopus zu sehen war. Die Fundstelle hat er mir Mitgeteilt. Dort werde ich dieses Jahr häufiger mal nachsehen.

Ich kann gerne von mehreren Stellen Proben nehmen und sie nach Fundort sortiert trocknen und zu dir schicken.

Auf jeden Fall wird mir in meinem Gebiet nicht langweilig. Und das sind ja erst die Raufüße.
Ich habe mich immernoch kaum an Russula, Cortinarius und Agaricus herangewagt.
Mein Hauptziel diese Saison ist es jedoch meinen Lieblingspilz Boletus Pinophilus zu finden, da es bei mir ausschließlich Boletus Edulis zu finden gibt.
Ich bin gespannt, was ich noch so finde, da die Artenvielfalt momentan auf ihren Höhepunkt zusteuert.
Ich halte euch auf dem Laufenden.

Liebe Grüße Michael Stüben

Christoph

Servus Michael,

sorry für die späte Antwort - ich hatte deine letzte Frage irgendwie übersprungen/überlesen...

Und ja, ganz genau dafür sind Trockenbelege gedacht: zum Nachmikroskopieren. Und auch ja, ich schaue gerne in den Pilz rein (im Moment bin ich nur etwas im Umzugsvorbereitungschaos - ab Mitte Oktober bin ich wieder in der Lage, Belege anzuschauen).

Liebe Grüße,
Christoph
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Michael Stüben

Vielen Dank für die ausführliche Antwort Christoph!

Ich dachte, dass sich das "Schiefer"auf den gekrümmten Stiel bezieht.  ;D So kann man sich irren. Aber ich kann definitiv ein Schiefer-Vorkommen bei uns ausschließen. Pappeln waren ebenfalls keine vorhanden, weswegen ich duriusculum gleich ausgeschlossen habe.
Bislang habe ich nur den gemeinen Birkenpilz, den Wollstieligen Raufußröhrling und diverse Rotkappen bei mir finden können, weshalb ich gleich beim wollstieligen war. Jedoch habe ich mir die Raufüße noch nicht so genau angesehen, weil ich gar nicht wusste wie vielfältig sie sind. Damit fange ich erst jetzt an.
Ich hoffe noch mehr seltene Arten unter diesen finden zu können, da es viele gute Raufußvorkommen in meinem Heidegebiet gibt.
Ich werde dich auf jeden Fall auf dem laufenden halten, was ich noch so finden kann und frage hier gerne nochmal nach, wenn ich mir nicht ganz sicher bin oder ich etwas besonderes gefunden habe.
Ich freue mich, falls meine Fundmeldung dazu beiträgt, noch mehr über diesen Pilz und sein Vorkommen zu erfahren.
Wenn ich nochmal ein Exemplar finden sollte bewahre ich diesen auf jeden Fall auf. Jedoch habe ich kein Mikroskop zur eindeutigen Indentifizierung. Würde es etwas bringen, wenn ich dir evtl. ein getrocknetes Exemplar zuschicke?

Liebe Grüße Michael

Christoph

Lieber Hara,

erstmal herzlich willkommen hier im Forum. Du bist natürlich gerne dazu eingeladen, auch weiterhin hier mitzumachen (das Forum beschränkt sich nicht auf Bayern, nordfriesische Pilze sind hier auch sehr von Interesse).

Zu dem Raufuß - der deutsche Name ist eigentlich der Schiefer-Raufuß. das Epitheton schistophilum heißt schieferliebend, denn der Pilz wächst normalerweise auf sehr flachgründigen Böden wie z. B. Abraumhalden oder eben über Schiefergestein (von da ist der Holotypus). Es scheint aber zu sein, dass die ökologische A,plitude größer ist. So habe ich auch von Funden aus Mooren gehört. Manchmal wird die Art auch mit Leccinum palustre synonymisiert, was ich nicht wirklich glauben kann. Daraus folgend wurde dann die kologie der Art z. B. von den Bakker falsch definiert, nämlich nur noch als Moorart, obwohl der Holotypus eben aus einem Extremhabitat (Schiefergestein, kaum Humus, sehr trocken) stammt.

Wie auch immer - erstmal zu deinem Pilz.

Es passt sehr viel zu Leccinum schistophilum. Die Huthaut erscheint fein areoliert einzureißen, das Fleisch verfärbt erst rosa, dann graulich, die Stielbasis zeigt außen türkisblaue Flecken, die Stielschuppen passen und es ist kein allzu großer Pilz.

Sehr ähnlich ist makroskopisch Leccinum duriusculum, der aber im Fleisch dunkler verfärbt und gerne kräftiger ist. Er zeigt aber auch gerne eine feinfeldrig aufreißende Huthaut. Abgesehen von der Fleischverfärbung käme dieser Pilz nur bei Pappeln vor und unterscheidet sich im Zweifelsfall mikroskopisch.

Andere Arten, die rosa und dann grau verfärben sind Leccinum roseofractum und Leccinum pulchrum. Ersteren kenne ich nur dunkelhütig und zudem mehr glatthütig und natürlich mit schwarzen Stielschuppen und ohne Grüntöne in der Stielbasis. Das passt also nicht. Leccinum pulchrum hätte eine freudig braune Huthaut mit hellen Flecken (und sie ist auch glatt). Auch hier wären die Schuppen dunkel und kein Grün in der Stielbasis.
Leccinum rotundifoliae s.str. wäre auch makroskopisch ähnlich, verfärbt aber auch nicht blaugrün in der Stielbasis. Hier findest du schöne Abbildungen: http://docplayer.se/69325911-Svensk-mykologisk-tidskrift-volym-36-nummer.html
(Umschlagseite und in der Zeitschrift - die lohnt soch eh, weil dort viele aktische-alpine Arten gezeigt werden)
Zudem wächst Leccinum rotundifoliae nur bei Zwergbirken (Betula nana und Betula rotundifolium) in der Arktis. Die Identität eines Teils der ITS mit der von Leccinum pulchrum reicht nicht für eine Synonymisierung (ich schreibe das nur, weil viele alles von den Bakker blind übernehmen).

Insofern finde ich jetzt makroskopisch nichts, was gegen deine Bestimmung spräche. Nur das Habitat ist für mich überraschend. Ich kenne aber auch nur zwei Kollektionen aus eigener Anschauung. Eine aus Chemnitz (habe ich zusammen mit Peter Welt publiziert) und eine aus Thüringen an der Grenze zu Sachsen von einer Tagebauabraumhalde. Für mich ist die Art daher auch sehr selten, wobei hier bei mir im Süden keine passenden Habitate sind. Ich denke, dass in den Tagebauregionen Ostdeutschlands viele Fundstellen vorliegen müssten.

Um ganz sicherzugehen, solltest du aber unbedingt einen Beleg machen, sprich die Kollektion trockn en (wegen Sporenmaßen usw.).

Liebe Grüße,
Christoph
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Michael Stüben

Hallo Liebe Pilzfreunde,
ersteinmal vielen Dank für die Aufnahme!
Mir wurde dieses Forum empfohlen, als ich versucht habe einen Raufußröhrling zu bestimmen, den ich für den Wollstieligen Raufußröhrling hielt.
Dieser wuchs aber direkt aus der sandigen Erde heraus, verfärbte sich beim Anschnitt leicht rosa, blaute nur ganz schwach an der Stielbasis, hatte einen ganz krummen Stiel und eine verkürtzte Huthaut, die ganz feine Schuppen aufwieß.
Er wuchs auf einem Erdwall in einer Moor/Heidelandschaft zwischen Großen Fichten, Eichen und kleinen Birken. Er roch angenehm pilzig und eine Kostprobe viel angenehm mild aus.
Ich würde mich rießig freuen, wenn ich tatsächlich einen so seltenen Pilz in meinem Gebiet (Nordfriesland) nachweisen könnte.