Christophs Russula-Portrait Nr. 2: Russula grata

Begonnen von Christoph, 12. August 2019, 13:23

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Christoph

Russula-Portrait Nr. 2: Russula grata Britzelm. 1893 var. grata

Russula grata Britzelm. 1893 var. grata [= Russula laurocerasi Melzer var. fragrans (Romagn.) Kuyper & Vuure 1985 ss. Kränzlin 2005]

Fundort: Deutschland, Bayern, Niederbayern, Lkr. Regen, Gemeinde Lindberg, Nationalpark Bayerischer Wald, Bärenloch, am Langschachtenbach an dem unteren Rand des Urwalds Ruckowitzhänge.

Funddatum: 3. August 2019

leg. Hahn C., det. Hahn C.

Beleg-Nr. CH2019080310

Es handelt sich hierbei um einen Einzelfruchtkörper, der an einer steilen Böschung eines kleinen Grabens, der im Langschachtenbach mündet, gewachsen ist. Die Makroskopie kann man, denke ich, gut an den Fotos erkennen:







Die Hutfarbe ist ein freudiges Ockergelb mit kleineren, etwas brauneren Stellen. Der Hutrand war noch nicht sehr stark höckerig erhaben gerieft, aber die Riefung an sich ist deutlich erkennbar und bereits gut ausgeprägt, die Buckelchen fangen ebenfalls an, sich zu bilden. Die Huthaut ist etwas gummiartig und schmierig.

Das Fleisch ist weiß, im Stiel hier noch fast voll – die ersten Kammern waren gerade dabei, sich zu bilden. Der Geruch war beim Aufnehmen deutlich nach Marzipan / Bittermandel, dazu kam noch eine unangenehm käsige Komponente. Später war der Geruch wieder rein bittermandelartig, sobald man aber mit dem Fruchtkörper hantiert (z.B. die Lamellen verletzt), kommt die unangenehme Komponente wieder durch. Der Geschmack ist mäßig scharf.

Die Lamellen sind cremeweiß (hier wurde kein Sporenpulverabwurf gemacht, da es ein Einzelfruchtkörper war und die Bestimmung schon makroskopisch klar war), Schneiden ebenfalls weiß; fast alle Lamellen gehen durch, nur sehr vereinzelt mal eine Zwischenlamelle zu sehen.

Der Stiel ist zylindrisch mit abgerundeter Stielbasis, glatt bzw. etwas längsstreifig, weiß – und nur an der untersten Stielbasis etwas ockerlich.

Chemische Reaktionen: Guajak – sofortige und sehr intensive Reaktion auf dem Stiel; KOH (20%) an der Stielspitze und der Stielbasis nur schwach reagierend, nur etwas ins Ockerliche gehend.







Mikroskopie:

Sporen fast fast kugelig bis breit ellpisoid, 7,75-8,7-10 x 6,5-7,9-9,5 µm

Q = 1,03-1,11-1,22

Ornament bis 2 µm hoch, sehr kräftige, aber relativ wenige Grate bildend; immer wieder geht ein Grat wie ein Reifen um die ganze Spore herum; die kürzeren Grate können sich auch verzweigen, es wird aber kein Netz gebildet. Insgesamt erinnern die Sporen mehr an die von einem Milchling als an Täublingssporen:



Pileocystiden einzellig, sehr schmal, an der Spitze immer wieder mir einem gerne länglich ausgezogenen Knöpfchen, in SV grau, teils auch deutlich reagierend; ca. 34-82 x 3,25-5,5 µm:



Ökologie:
Es handelt sich um einen Dornfarn-Buchen-Tannen-Wald mit eingestreuten Fichten auf Urgestein (Gneis), also an und für sich sauer. Man findet aber am Fuß der Ruckowitzhänge immer wieder Basenzeiger – Kalk ist aber im Boden nicht vorhanden. Die Quellflur scheint aber hier eine Rolle zu spielen und es gibt auch im Bergstock an sich (Großer Falkenstein, unterhalb der Ruckowitzschachten) immer wieder Basalteinsprengsel, die die bessere Basenversorgung erklären könnten.

Für das Aufsammeln lag natürlich sowohl eine Betretungsgenehmigung als auch eine Sammelgenehmigung vor. Die Kollektion gelang während eines Kartierungswochenendes des Pilzkundlichen Vereins Vorarlberg im Nationalpark Bayerischer Wald.

Kurze Diskussion:
Mit Russula fragrantissima gibt es eine nahestehende Art (die ich noch nicht selber in der Hand hatte), die sich aber durch kräftigere, größere Fruchtkörper mit nur wenig gerieftem Hutrand und einen reinen, zudem sehr starken Anisgeruch direkt erkennen lassen soll (wobei es auch Beschreibungen mit der Angabe Bittermandel gibt) – die stinkige, ölige Käsekomponente  fehlt bei dieser Art. Mit dem Mikroskop lässt sich die Bestimmung dann ganz einfach absichern, denn Russula fragrantissima hat breitere Pileocystiden und das Sporenornament ist stärker verzweigt, teils fast netzartig und nicht so wuchtig.
Russula illota riecht nur nach Bittermandel ohne die Käsekomponente und hat die typischen, dunkel gefleckten Lamellenschneiden, ist also bereist makroskopisch ein ganz anderer Pilz (zudem sind die Hutfarben düsterer, sehen fast wie eine gammlige Russula foetens von oben aus).

Jetzt gibt es nur noch ein bisserl Verwirrung in der Nomenklatur und die ,,var. fragrans". Zunächst zur Nomenklatur – Britzelmayr beschrieb 1893 seine Russula grata. Romagnesi hatte die Beschreibung falsch gedeutet und übersehen, dass nach Britzelmayr Russula grata nach Mandel riecht. Daher hatte Romagnesi für den Mandeltäubling den Namen Russula laurocerasi Melzer 1920 aufgegriffen. Diese soll aber ein etwas feineres, nicht ganz so grobes Sporenornament aufweisen. Dem stellte er eine Russula fragrans Romagn. 1954 gegenüber, die im Fleisch mild sein soll, nur nach Mandel ohne die ölige Komponente riechen soll und die eben das sehr grobe Sporenornament haben soll. Später wurde dies dann zu einer Varietät von Russula laurocerasi umkombiniert: Russula laurocerasi var. fragrans (Romagn.) Kuyper & Vuure 1985

Geht man von einer Konspezifität aus (eben nur Trennung auf Varietätsebene), dann hat aber Russula grata als der ältere Name Priorität. Dass Romagnesi und die Autoren, die ihm folgten (z.B. Einhellinger) Russula grata verwarfen und den Namen Russula laurocerasi verwendeten, sagt ja nicht, dass dies richtig ist. Der Mandeltäubling ist also Russula grata. Jetzt geht es nur darum, ob es der Mandeltäubling mit gröberem oder etwas feinerem Ornament ist und wie der heißen soll. Kränzlin (2005) – Pilze der Schweiz Bd. 6 – trennt die beiden Taxa auf Varietätsebene und nennt die grob ornamentierte Russula laurocerasi var. fragrans, die feiner ornamentierte Russula laurocersai var. laurocerasi. Allerdings gibt auch Kränzlin (2005) den Geschmack der var. fragrans als scharf an (entgegen der Definition von Romagnesi). Kränzlin (2005) erwähnt aber mit keinem Wort den käsig-öligen Beigeruch (also bei keiner der beiden Varietäten). Mein Fund roch später auch auffallend und rein nach Bittermandel, aber durch Verletzen kam dann eben doch das ölige wieder zum Vorschein. Ich selber halte – konform mit z.B. Sarnari – nicht viel von der Trennung auf Varietätsebene. Es bleibt eigentlich nur das Sporenornament übrig. Und auch da sieht man eigentlich Übergänge in der Literatur – z.B. die beiden Tafeln von Marxmüller von Russula grata.
Man kann es aber auch geschickt lösen – man nennt die grob ornamentierte Sippe einfach Russula grata. Und wenn man eine Kollektion hat, die weniger grobschlächtig ornamentiert ist, dann kann man den Namen Russula grata var. laurocerasi (Melzer) Rauschert 1981 verwenden. Damit erspart man sich ein bisserl die Diskussion um weitere Merkmale wie z.B. Geschmack und genauer Geruch, denn da sind die Interpretationen – wie oben erklärt – in der Literatur widersprüchlich.  Was nicht heißen soll, dass man nicht auf diese Merkmale achten sollte – sie scheinen nur nach dem aktuellen Stand hier zu variabel zu sein, um zwei Taxa von Marzipantäublingen im engeren Sinn zu unterscheiden. Dementsprechend nenne ich die hier vorgestellte Kollektion Russula grata var. grata. Sie entspricht genau dem, was in den Pilzen der Schweiz als Russula laurocerasi var. fragrans abgebildet ist.

Hier geht's zum Portrait Nr. 1 (Russula foetens).

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)