Agaricus osecanus (= A. nivescens) - Schwachgilbender Anisegerling

Begonnen von Christoph, 11. August 2019, 18:27

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Christoph

Servus Werner,

sehr gern geschehen! Es freut mich, dass dir die Doku so gut gefällt. Und viel Erfolg beim Bestimmen von Anisegerlingen - bin schon gespannt, was du alles findest und rausbekommst  :)

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Werner E.

GriasDi Christoph,
super Dokumentation!👍
Damit kann man was anfangen.
Die Scheu mich tiefer in die Bestimmung der Anisegerlinge einzuarbeiten ist wieder ein Stückchen geringer geworden.
😉
Danke dafür!
An liabn Gruaß,
Werner

Rudi

Ja, danke Christoph!

Da werd ich mal die Augen aufmachen. Sowas ist mir noch nie aufgefallen. Dafür gibts hier reichlich arvensis und an einer Stelle auch urinascens- ob jetzt auch?

LG Rudi
Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

blacky

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Christoph

#1
Servus beinand,

Egerlinge des Offenlands fruktifizieren gerne in der heißen Jahreszeit direkt nach Regengüssen. Bei mir hatte es gewittert – genau die richtige Zeit, um auf weiße Schwammerl in grünem Gras zu achten. Um aber ehrlich zu sein: es war ein Zufallsfund.

Jedenfalls fielen mir schon direkt beim Einparken am Waldrand große, weiße Egerlinge auf. Es waren mehrere völlig überständige und ein knackfrischer Fruchtkörper:



Die überständigen habe ich nicht fotografiert - die waren nur noch Hülle und Maden - sie waren zwar wirklich völlig hinüber, aber sie haben fleißig das Gras unter ihnen durch ihr Sporenpulver fast schwarz eingefärbt – Sporenabwurf vor Ort, sehr praktisch. Auffällig war, dass die überständigen Schlappen nicht gelb verfärbt waren, wie ich das von Agaricus arvensis oder Agaricus urinascens her kenne.

Der Fruchtkörper des jungen Exemplars war als Grundfarbe weiß, am Hut auch mit schmutzigen, etwas grauockerlichen Tönen:



Der Ring ist eindeutig hängend und zweischichtig – das Velum partiale bildet die weiße, häutige Grundlage des (eben) hängenden Rings, das Velum universale wiederum den auffallend blass cremegelben Zahnradkranz:


Das Velum universale ist auch an der Stielbasis in Form von gelb-ockerlichen Velumflocken zu sehen:



Der Fruchtkörper gilbte nicht am Hut, auch nicht bis zum Abend und der dann folgenden Mikroskopiersession - im Schnitt gilbte nur das Fleisch der Stielbasis etwas, aber nicht richtig gelb, sondern mehr ockerlich. Neben dem deutlichen Velum universale an der Stielbasis war das Nicht- bzw. Kaumgilben erstmal das auffallendste Merkmal. Dazu kam der Geruch, der höchstens ansatzweise nach Anis zu bezeichnen wäre. Für mich spielte da mehr der normale, würzige Egerlingsgeruch hinein, dazu eine Komponente, die mich an Heu erinnerte, gemischt mit einer undefinierbaren, etwas unangenehmen Komponente und im Hintergrund nur etwas Anis. Insofern ließ der Geruch schon an Agaricus urinascens denken, der aber deutlicher gilbt (und auch deutlicher nach Anis riecht, wie ich finde).

Die Schaeffer-Reaktion ist am Hut und am Stiel positiv, die KOH-Reaktion an allen Teilen des Fruchtkörpers kühl zitronengelb:







Am Stiel habe ich (wegen Platzmangel) keinen Kreuztest gemacht, sondern erst Anilin auf die Stelle gegeben und dann später dorthin die Salpetersäure - die Reaktion ist hier sehr deutlich, fast schon rotorange. Das Aufschäumende Fleisch ist eine Folge der Salpetersäure (65%, dampfend).




(KOH-Reaktion auf dem Hut größer dargestellt - der Farbton ist ein künstliches, kühles Gelb)

Der Jungspund hatte immerhin bereits 10 cm Hutdurchmesser und der Stiel war stolze 12x 2 cm – die alten Schlappen waren deutlich größer.

Die Lamellen waren – typisch für Anisegerlinge – nur blass graurosalich, etwas schmutzig im Farbton und alles andere als leuchtend.

Der erste Blick ins Mikroskop zeigte dann sehr kleine Sporen:
(5,25-) 6-6,5-7 x (4-) 4,25-4,6-5 µm; Q = 1,22-1,41-1,56



Die Sporen sind nicht wirklich kugelig. Ich weiß nicht, wer sich den sonst im Netz üblichen Namen "Rundsporiger Egerling" ausgedacht hat... Es ist einer der Anisegerlinge und er gilbt nur schwach. Das wäre eher ein treffender Name (und nicht so irreführend wie "rundsporig"). Schwachgilbender Anisegerling wäre mein Vorschlag.

Richtige Cheilocystiden fehlen, die Schneide ist aber steril bzw. es ist eine relativ breite, sterile Zone mit kurzgliedrigen Hyphen, die statt in jeweils großen, deutliche Cystiden zu enden, auch an der Hyphenspitze aus kurgliedrigen, mehrzelligen Elementen besteht (katenulate Marginalzellen bzw. Cheilocystiden). Die Endzellen messen 12,5-28,5 x 6,5-10 µm, sie sind meist eiförmig, seltener etwas gestreckter.

Die Hyphen des Velum universale (Zahnradflocke) sind 6-13 µm dick, die Septen wirken eingeschnürt, die Zellen sind so um die 30-45 µm, seltener bis 90 µm lang.

Die Hyphen des Velum partiale bestehen aus längeren, schmaleren Zellen, so um die 70-110 x 4-8 µm, die Septen sind nicht oder nur selten eingeschnürt.

Bei der Merkmalskombination ist eigentlich alles klar – und endlich habe ich ihn gefunden (ich suche schon länger nach dieser Art): es ist Agaricus osecanus (im engen Sinn, A. osecanus var. squarrosipes unterscheidet sich um den namensgebend schuppigen Stiel unterhalb des Rings).

Ich denke, man kann diese Art schon makroskopisch gut eingrenzen, da es sich eben um einen Anisegerling handelt, der fast nicht gilbt, wenig nach Anis riecht, aber eben entsprechend mit KOH reagiert (und natürlich überall Schaeffer-positiv ist). Zudem ist das auffallende Velum universale an der Stielbasis möglicherweise ein guter Hinweis. Dafür habe ich aber noch zu selten die anderen der Gruppe (A. arvensis, A. urinascens) gesehen. Bei mir sind die alle leider ziemlich selten.

Egerlinge sind zwar meist schwer bestimmbar, es gibt aber eben auch Ausnahmen. Agaricus osecanus ist so eine Ausnahme. Man muss nur sehr genau auf die Vela achten, die Abziehbarkeit des Rings, die Makrochemie, die restliche Makroskopie und ein bisserl mikroskopieren. Ist ja alles keine Zauberei.

Laut pilze-deutschland (falls aktuell) wäre es der erste Nachweis für Südbayern. Jetzt gehe ich aber davon aus, dass nur wenige sich intensiver mit großen, weißen Egerlingen beschäftigen. Viele werden vermutlich sowas einfach in die Pfanne hauen (wenn man nichts von dem extrem hohen Cadmiumgehalt weiß), statt sauber zu bestimmen. Daher sind Aussagen zur Häufigkeit schwierig.

Ach ja, zur Ökologie. Der Fundort (Dürabuch, Gemeinde Egenhofen, Lkr. Fürstenfeldbruck, Oberbayern) liegt im Tertiärhügelland und ist daher eher bodensauer. Es war aber eine kleine Wiesenfläche zwischen einem Maisfeld und einem völlig begrasten Feldweg. Das Myzel war recht groß und Fruchtkörper reichten vom Weg bis in die Wiese hinein. Der Weg kann im Untergrund daher durchaus Kalk zur Verfügung stellen – je nachdem, was da früher mal hingeschüttet wurde. Die Schotterebene (Kalk) ist nicht weit weg und manchmal wurde ja auch Bauschutt, Mörtel usw. auf die Wege gehauen. Jetzt ist der Weg dort aber wie gesagt eine ,,Grünfläche" mit verdichtetem Boden geworden. Ich kann also keine genaue Aussage zum Boden-pH oder zur Basenversorgung sagen.

Achtet mal auf solche Egerlinge – jetzt ist genau die richtige Jahreszeit. Also: auf, auf, die Egerlinge warten auf euch...

Liebe Grüße,
Christoph


Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)