Coprinus sterquilinus ?

Begonnen von Volker, 16. Mai 2019, 09:54

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Volker

Hallo Christoph,
na das war mal ausführlich, vielen Dank dafür. Ich werde mir die PDF mal anschauen, das ist ja alles hochinteressant. Man lernt einfach nie aus.
Gruß Volker

Christoph

#6
Servus Volker,

im Fall von Coprinus ist es eigentlich glasklar. Dass der Schopftintling und seine Verwandten zu den Agaricaceae gehören, wurde parallel (und unabhängig voneinander) genetisch und morphologisch erkannt.

Die Rhizomorphen der Agaricaceae haben einen für diese Familie typischen Aufbau - und die Rhizomorphen von Coprinus s.str. sind genau solche Agaricaceae-Rhizomorphen, die sich von den Rhizomorphen der Psathyrellaceae unterscheiden (Coprinopsis, Coprinellus und Konsorten).
Das rote Pigment, das die Lamellen verfärbt, bevor der Fruchtkörper zerfließt, ist das geiche, das auch die Lamellen der Egerlinge rosa färbt.
Der bewegliche Ring fehlt bei den Psathyrellaceae ebenfalls, tritt aber bei verschiedenen Agaricaceae auf.

Und wie gesagt: die genetischen Stammbäume zeigen, dass Coprinus comatus und Coprinus sterquilinus sowie die weiteren später beschriebenen Gattungsgenossen zu den Agaricaceae gehören.

Als das damals rauskam, war die Frage, wie man jetzt vorgeht - denn Coprinus comatus ist der Typus der Gattung Coprinus. Um die Gattung zu halten und nur die wenigen Schopftintlinge i.w.S. umzubenennen, hätte man den Typus wechseln müssen. Da aber Coprinus comatus die bekannteste Art aus der Gattung ist und auch fachübergreifend zitiert wird (z.B. Medizin), war klar, dass sich der Begriff "Coprinus comatus" eh halten wird. Man hat beschlossen, dass die Schopftintlinge dem Code entsprechend bei Coprinus bleiben und alle anderen Tintlinge umkombiniert werden müssen. Dabei hat man dann gleich die Psathyrellaceae neu untersucht und dann phylogenetisch passende Gattungen definiert, weshalb dann die Tintlinge in mehrere Gattungen verteilt wurden.

Das Zerfließen wurde also (mindestens) dreimal "erfunden:

Bei Coprinus s.str.
bei den Psathyrellaceae
und in der Gattung Conocybe (z.B. Conocybe deliquescens)

Coprinus comatus ist insofern auch etwas Besonderes, da sich dieser Pilz von Nematoden ernährt - er fängt sie mit "spiny balls", lähmt sie dann und frisst sie auf. Inwieweit das auch andere Arten der Gattung machen, weiß ich nicht. Ich könnte es mir aber gut bei Coprinus sterquilinus auch vorstellen, da im Mist ja auch viele Nematoden sind.

Wer mehr darüber lesen will:

Hong Luo, Yajun Liu, Lin Fang, Xuan Li, Ninghua Tang, and Keqin Zhang (2007): Coprinus comatus Damages Nematode Cuticles Mechanically with Spiny Balls and Produces Potent Toxins To Immobilize Nematodes. APPLIED AND ENVIRONMENTAL MICROBIOLOGY, June 2007, p. 3916–3923

Das pdf ist online verfügbar: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1932715/pdf/2770-06.pdf

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Volker

Hallo Rudi
Vielen Dank auch für deine Einschätzung. Ein tolles Bild dieser Art, sehr schön. Tja mit den Eingruppierungen ist es so eine Sache, da gibt es ja immer wieder viel gegensätzliche Meinungen und Einstellungen.

Gruß Volker

Rudi

Hallo Volker,

für mich auch eindeutig Coprinus sterquilinus.
Zur Einordung sag ich besser nix.

LG Rudi
Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

Volker

#3
Moin Christoph,
Danke für deine Einschätzung und ja, es bleibt da nicht viel übrig was es sein könnte.Noch eine Frage, wird Coprinus nun zu Agaricaceae eingeordnet? Ich würde Coprinus zu Agaricaceae stellen. Coprinellus und Coprinopsis bleiben dann bei Psatyrellaceae?
Gruß Volker

Christoph

Servus Voker,

sieht für mich klar nach Coprinus sterquilinus aus. Die Gattung Coprinus s.str. ist mittlerweile deutich gewachsen - ich glaube sechs Arten in Europa - aber mit dem Substrat und dem einheitlich hellen Hut wüsste ich keine andere Art, die passt.

Liebe Grüße,
Christoph
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(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Volker

Hallo
am Sonntag, 12.05.2019 habe ich diese Pilze auf einem Pferdemisthaufen fotografiert ohne ihn näher zu untersuchen. Ich hatte nichts dabei um ein Exemplar mitzunehmen. Meiner Meinung nach müßte das Coprinus sterquilinus ein. Kann man hier ohne Mikroskopie sicher sein? Schopftintlingsähnliches Aussehen, tiefsitzender Ring (wahrscheinlich verschieblich) könnten doch hinweisend sein? Was meint ihr ?
Funddaten: Deutschland, Saarland, Bexbach, 12. Mai 2019, Höhe 249 m. NN, Pferdemisthaufen

Gruß Volker