Die Gattung Gloeoporus ist polyphyletisch - und was daraus folgt...

Begonnen von Christoph, 11. April 2019, 22:59

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Christoph

Servus Rudi,

sehr schöne Fotos - danke für's Verlinken  :)

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Rudi

Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

Christoph

Servus Christian,

vielen Dank für deinen Einwurf! Ich habe mich nämlich (versehentlich) zu unklar ausgedrückt und bei einem Punkt einen Fehler gemacht.

Daher erstmal ganz grundsätzlich, um das ganze etwas besser zu strukturieren:

Die Gattung Meruliopsis wurde von Bondartsev für Xylomyzon taxicola Pers. aufgestellt, insofern ist Meruliopsis taxicola der Typus der Gattung.

Binder et al. (2013) haben in ihrer unglaublich aufwendigen Studie (Multigenanalyse passt hier wirklich - bis zu 356 Gene wurden untersucht, aber nicht für alle Taxa. Für den Hauptstammbaum waren es weniger (ich finde gerade nicht die Anzahl, das fehlt in der Legende der dortigen Fig. 4). Sie haben auch schon deutlich gemacht, dass Meruliopsis taxicola nicht in die Gattung Gloeoporus gehört. Meruliopsis taxicola gehört zwar auch in den "phlebioid clade", steht aber den Gattungen Ceriporia, Ceriporiopsis und Byssomerulius nnäher.
Jung et al. (2018) bestätigen das. Als ich den Artikel las, hätte ich nochmal den von Binder et al. (2013) durchackern sollen und beide vergleichen. Jung et al. (2018) ging es ja primär um die Beschreibung zweier neuer Gloeoprus-Arten und die Bestätigung, dass Meruilopsis taxicola (und ein paar wenige weitere "Gloeoporusse" nicht zu Gloeoprus gehören).

Das wollte ich zusammenfassen. Für mich ist dabei der Name Meruliopsis corium so fest "eingebrannt", dass ich ganz übersehen hatte, dass in beiden Artikeln "Meruliopsis" corium wieder Byssomerulius corium ist. Byssomerulius corium wiederum ist nah mit Meruliopsis taxicola verwandt, aber eben nicht kongenerisch.

Ergo: Unser an Kiefern wachsender Ex-Gloeoporus ist wieder und definitiv Meruliopsis (da der Gattungstypus); Gloeporus ist zwar in der entfernten Verwandtschaft (alles rund um Phlebia), aber dort in einem anderen Ast des Stammbaums.
Meruliopsis taxicola ist zusammen mit anderen Meruliopsis-Arten wie z. B. M. albostramineus auf dem selben Hauptast wie Byssomerulius, Ceriporia, Ceriporiopsis, Irpex, Trametopsis, Leptoporus usw., hier aber am nächsten mit Ceriporia und Leptoporus verwandt (aber nicht ganz sauber aufgelöst).
Binder et al. (2013) hatten weniger Arten aus Gloeoporus s.str. und Meruliopsis (usw.) analysiert, da sie ja über die ganzen Porlinge hinweg ihre Bäume gerechnet hatten.

Ich hatte beim Schreiben nur automatisch den "Lederartigen Fältling" zu Meruliopsis gesteckt. Ich bessere das gleich im Ausgangbeitrag aus.  ;)

Liebe Grüße,
Christoph



Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Älbler

Hallo Christoph,

was haben dann Binder et al. 2013 falsch gemacht? Dort steht "Byssomerulius" corium weit weg von "Gloeoporus" taxicola auf entfernten Ästen! Also kein "Support" für eine Verwandschaft auf Gattungsebene (Meruliopsis)! Neben Gloeoporus dichrous ist im Stammbäumchen dafür "Gelatoporia" pannocincta platziert. In manchen Systematiken finde ich daher diesen Ceriporiopsis pannocinctus im Verein der Gloeoporuse. Was aus der Arbeit von Binder et al. wohl hervorgeht.

Viele Grüße
Christian

Christoph

#1
Servus beinand,

in der Mycolical Progress wurde relativ aktuell die Gattung Gloeoprus unter die (genetische) Lupe genommen:

Paul Eunil Jung, Hyun Lee, Sheng-Hua Wu, Tsutomu Hattori, Michal Tomšovský, Mario Rajchenberg, Meng Zhou & Young Woon Lim (2018): Revision of the taxonomic status of the genus Gloeoporus (Polyporales,
Basidiomycota) reveals two new species. Mycological Progress https://doi.org/10.1007/s11557-018-1400-y

Die Gattung Gloeoporus wurde aufgestellt, um dem subtropsichen Gloeoporus conchoides Mont. eine eigene Gattung zu "gönnen". Bei uns ist ein Vertreter der später eben durch weitere Arten erweiterten Gattung Gloeoprus dichrous. Ich habe diesen Porling oder "Fast-Porling" selber erst einmal im Rahmen eines Projekts im Bayerischen Wald im Naturwaldreservat "Kleiner Arbersee" finden können. Ich kann leider kein Foto zeigen, da ich damals mit Suchen und Finden beschöftigt war. Heinz Holzer hatte den Fund fotografiert - es gibt also Bilder, aber das nur nebenbei. Man kann ja leicht googeln und ein paar Bilder ansehen, falls jemand die Art nicht kennt.

Recht bekannt ist auch "Gloeoporus" taxicola, der nur selten an Taxus, aber häufiger an Kiefer wächst. Die Studie von Jung et al. (2018) zeigt, dass dieser Pilz in eine andere Gattung gehört - nämlich in die Gattung Meruliopsis. Dort stand die Art bereits, da Bondartsev die Kombination bereits vorgeschlagen und ausgeführt hat (edit: bzw. die Gattung für ihn beschrieben hat, Meruliopsis taxicola ist der Gattungstypus). Letzten Endes hatte er wohl recht. Man muss auch ehrlicherweise sagen, dass bereits frühere molekulare Studien gezeigt haben, dass die Art zu Meruliopsis gehört. Aufgrund der makroskopischen Ähnlichkeit mit Gloeoporus dichrous (auch wenn die Farben etwas anders sind und die Duplexstruktur im Fleisch gehlt) wird die Art aber immer wieder bei Gloeoporus gelassen. Gloeoporus dichrous bleibt in seiner Gattung...

Ich versuche es mir zu merken und werde wieder Meruliopsis taxicola sagen (unter diesem Namen habe ich die Art kennengelernt). Die Verwandtschaft mit Meruliopsis corium wurde mehrfach bestätigt (den ich früher als Byssomerulius corium kennenlernte). Edit: "Meruliopsis corium" heißt jetzt (wieder / immer noch) korrekterweise Byssomerulius corium und ist mit Meruliopsis allerdings im phlebioid clade relativ nah verwandt (näher als Meruliopsis zu Gloeoporus).

Die wissenschaftlichen Namen ändern sich von Jahr zu Jahr, die umgangssprachlichen von Region zu Region.

Der Rest der Studie betrifft außereuropäische Taxa. Interessant ist vielleicht, dass mit Gloeoporus africanus und G. orientalis zwei neue Arten beschrieben wurden, die Gloeoporus dichrous äußerst ähnlich sind (erstere aus Afrika, letztere aus Japan). Beide Arten wurden in sehr naturnahen Habitaten gefunden, scheinen also Urwaldreliktarten bzw. Naturnähezeiger zu sein. Ich selber habe den europäischenm Gloeoporus dichrous auch in einem urwaldartigem Bestand gefunden. Die Naturverbundenheit ist hier also eine Eigenschaft der ganzen näheren Verwandtschaft.

Liebe Grüße,
Christoph

Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)