Lentinus oder Neolentinus? – Ein Blick in die Gloeophyllales

Begonnen von Christoph, 26. März 2019, 23:14

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Christoph

#1
Servus beinand,

mittlerweile setzt sich langsam aber sicher durch, dass die frühere Gattung Lentinus ein bisserl zerlegt wurde (wie so viele anderen Gattungen auch, man denke nur an Boletus). Doch hier ist die Zerlegung viel grundlegender und tiefgreifender.

Die Vertreter der Gattung Lentinus sind Weißfäuleerzeuger, haben also u.a. Phenoloxidasen in ihrem Enzymrepertoire – sie können sowohl Zellulose (mit Zellulasen) als auch Lignin (mit Hydrolasen und Oxidoreduktasen) abbauen. Die Vertreter der Gattung Neolentinus hingegen schaffen nur Braunfäule (haben also nur Zellulasen).

Schaut man in die aktuellen (und auch schon älteren) DNA-Stammbäume, so fällt auf, dass Lentinus s.str. nah mit Polpyorus, Coriolopsis, Pycnoporus (usw.) verwandt ist, also zu den Polyporales s.str. gehört, während Neolentinus ganz woanders, nämlich in den Gloeophyllales steht. Nebenbei bemerkt ist auch der in den Tropen so häufige ,,Lentinus" sulcatus jetzt eine Heliocybe sulcata, der auch in den Gloeophyllales verortet ist (und eben auch ein Braunfäulepilz ist).

Will man also bei Holzbewohnern eine Aussage über Verwandtschaft tätigen, so ist auch und gerade der Fäulnistyp wichtig. Hier also auch.

Alle Gloephyllales-Vertreter können nur Braunfäule auslösen. Die Polyporales s.str. sind alle Weißfäulepilze. Die Boletales, als Beispiel einer anderen Ordnung (in die auch Holzpilze wie Kellerschwamm, Hausschwamm usw. gehören) sind wiederum alles Braunfäulepilze (die Mykorrhizapilze darunter haben auch nur Zellulasen), die Russulales wiederum alle Weißfäulepilze (also auch Peniophora, Bondarzewia, Stereum, Heterobasidion usw.). Der Fäulnistyp ist also auf Ordungsebene grundelegend.
Die alte, weitgefasste Gattung Lentinus war also sogar über Ordnungsgrenzen hinweg künstlich.

Die genetische Aufarbeitung zeigt im ,,Fine-Tuning", dass auch die Gattung Gloeophyllum innerhalb der Gloeophyllales polyphyletisch ist. So steht der Fenchelporling in einem anderen Clade als der Seppidrahdium (also der Zaunblättling). Die Gattung Osmoporus ergab also durchaus Sinn, weshalb ich die Blättlinge weiter als Gloeophyllum bezeichne (logo...), während ich den Fenchelporling wieder Osmoporus odoratus nenne. Und seit mir klar ist, wie grundlegend die Aufspaltung von Lentinus ist, sage ich auch ganz brav Neolentinus adhaerens und Neolentinus lepideus und Lentinus tigrinus.

Vielleicht nicht ganz Zufall: Lentinus tigrinus ist essbar, so wie manche Polyporus-Arten (auch wenn diese Gattung ebenfalls zerlegt wurde, aber das nur nebenbei gesagt), während Neolentinus, soweit ich weiß, nichts in der Pfanne zu suchen hat.

Wer ein bisserl selber nachlesen will, dem empfehle ich u.a. den schon etwas älteren Artikel

Ricardo Garcia-Sandoval, Zheng Wang, Manfred Binder & David S. Hibbett (2011) Molecular phylogenetics of the Gloeophyllales and relative ages of clades of Agaricomycotina producing a brown rot. Mycologia 103(3): 510-524, DOI: 10.3852/10-209

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)