Umkehrschlüsse und Speisewertangaben - Erfahrungswert oder auch nur geraten?

Begonnen von Christoph, 29. Juli 2018, 01:15

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Christoph

Servus Anni,

freut mich - danke für das Lob für unser Forum.  :)

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)


Christoph

Servus Renate,

jetzt kann ich auf deinen Beitrag eingehen :-)

Zitat1. was macht der Pilzberater im Einzelfall?
2. welche Empfehlungen werden allgemein gegeben?

Ich habe diesbezüglich heute schon auf Rikas Beitrag beispielhaft skizziert, wie ich das als Pilzberater handhabe. Generell empfehle ich, nur das freizugeben, was man gut genug kennt - oder wenn man eine Allgemeinregel anwendet, ohne die Art zu erkennen (Stäublingsregel, Täublingsregel usw.), dann dies entsprechend klar zu kommunizieren und damit die Verantwortung wieder zurückzugeben. Man kann ja nicht garantieren, dass eine unbekannte Art wirklich essbar ist, sondern nur aussage, dass dies eben sehr wahrscheinlich sei.

ZitatZu 1: Keiner will jemand anderen einen giftigen Pilz freigeben und z. B. Beim Erlengrübling im Zweifel sagen, der schaut für einen Röhrling komisch aus, da muss ich erst nachschauen. Man muss nicht alles essen was vielleicht essbar ist. Vielleicht sprechen wir im Pilzberaterkurs nochmal drüber.

Wir werden ausführlich darüber sprechen. Den Erlengrübling gebe ich nebenbei bemerkt eh nicht frei (geschützte Art und mir zu nah mit Paxillus verwandt). Aber das ist ein gutes Beispiel - man kann ja über Umkehrschlüsse die giftigen Dickröhrlinge ausschließen, also müsste die Art theoretisch essbar sein... so rein theoretisch. Aber es wäre wieder etwas Unbekanntes (das Fallbeispiel annehmend, dass der Pilzberater die Art nicht kennt) - und da schützt man sich eben selbst, indem man Unbekanntes nicht freigibt.

ZitatZu 2. Viele Dinge sind ,,allgemeines Volkswissen". Diese Regeln habe ich auch gelernt, sie stehen auch so in Büchern. Würde man hier eine Veränderung haben wollen, dauert das.

Das ist klar. Nur müssen die "Experten" hier teils den Büchern voraus sein - Stichwort Grünling als Beispiel. In den Büchern dauert das immer länger. "Allgemeines Volkswissen" ist eben meist ein "ungefähres Wissen".

ZitatProblematisch ist m.E. Der Klimawandel, der uns Neuzugänge bringt. Ansonsten essen die Leute das, was schon immer gegessen wurde.

Ja, der Klimawandel bringt wirklich Probleme mit sich. "Zuwanderung" von Paralepistopsis amoenolens (Clitocybe amoenolens) ist ein Beispiel. Wer weiß, wann z.B. mit Gyroporus ammophilus der "Gifthase" bei uns nachgewiesen wird? Gerade das macht manche Regeln schwieriger, da diese ja nur regional galten.

ZitatSind bei den ,,Alten" doch giftige dabei, so muss das der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Was die ,,alten" Pilze betrifft, wird es ohne konkrete Vergiftungsfälle oder Angabe von Giften schwer sein, die Leute davon zu überzeugen, das anders zu handhaben, sie haben das von den Eltern so gelernt und geben das so weiter.

Letzteres ist klar - siehe Kahler Krempling, siehe Grünling (usw.)

ZitatBei den Neuzugängen werden die erfahrenen Pilzgänger sich (hoffentlich) erkundigen. Aber da kommen wir jetzt an die Grenzen.

Und da wird es ebena uch für Pilzberater "spannend".

ZitatDurch Tschernobyl ist ein Loch in der Wissensweitergabe Eltern - Kind gewesen.

Ich glaube, dass das mittlerweile durch das verbesserte Informationsabgeobt abgefedert wird (Foren, Internet, viele Pilzbücher...) - vielleicht ist das sogar ein kleiner Vorteil, weil man so weg kommt vom "ich erlerne drei Arten und die sammle ich in Unmengen" und dafür ein breiteres Wissen aufbaut und (hoffentlich) dadurch auch nachhaltiger - und vorsichtiger - sammelt.
Wenn ich an die Personen denke, die Stockschwammerl mündlich überliefert bekommen (ohne dass die Quelle, sprich der Großvater, den Gifthäubling kennt...).

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

Servus Renate,

jetzt hatte ich einen ausführlichen Beitrag als Antwort auf dein letztes Posting verfasst - und dann habe ich mich vertippt und irgendeine Tastenkombi erwischt, die den Browser geschlossen hat. Ich werde daher später auf deinen letzten Beitrag reagieren und nochmal ausführlicher zu antworten versuchen  ;)

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

Servus Rika,

vielen Dank für den interessanten Link - Amanita pekeoides wird dort tatsächlich als giftig eingestuft. Inwiefern das belastbar ist, kann ich nicht abschätzen, da ich die Art nicht kenne geschweige denn Fälle von Vergiftungen nach dem Verzehr kenne. Interessant ist esd aber definitiv - ich gehe erstmal davon aus, dass die Angabe stimmt.  ;)

ZitatIch finde es auch schwierig zu beurteilen, tendiere aber zur "alten" Praktikabilität. Anderenfalls werden die Hürden zum Pilzberater doch sehr hoch, dann reicht sichere Artkenntniss von 200-300 Arten bei weitem nicht mehr aus.

Ja, genau das ist das Hauptproblem - wenn man als Pilzberater Scheidenstreiflinge oder auch Täublinge auf Artebene bestimmen soll, dann wäre das eine kaum überwindbare Hürde. Letzten Endes müsste ich dann auch meinen Schein zurückgeben. Unabhängig davon kann ich natürlich durchaus das eine oder andere Artenaggregat oder die eine oder andere Art an sich makroskopisch erkennen (oder glaube das zumindest). So gebe ich persönlich bei mir unbekannten Täublingen diese nur sehr ungern frei auch wenn sie mild schmecken, da ich nicht gerne Pilze zum Verzehr freigebe, die ich nicht kenne. Täublingsregel hin oder her. Das sehe ich als eine Art Kompromiss - ich mache nicht den absoluten Umkehrschluss, indem ich alle milden Täublinge als generell essbar tituliere, mache mich aber auch nicht verrückt dabei.

Konkretes Beispiel: ein Sammler bringt drei Täublingsarten mit zur Kontrolle, die ich nicht kenne. Ich erkläre ihm die Täublingsregel, nehme mir als Beispiel einen Ledertäubling aus dem Korb, erkläre, dass es zu jedem der Ledertäublinge eine ähnliche scharf schmeckende, giftige Art gibt und erkläre die allgemeine Täublingsregel. Dann bestätige ich, dass alle Pilze im Korb Täublinge sind (nach Sichtung derselben natürlich), gebe noch den Tipp, dass die Arten, die auffallend fruchtig riechen meist eh scharf schmecken. Am Schluss rate ich ihm ab, Täublinge zu sammeln, die man nicht auf Artebene kennt, da man ja auch auf Einzelarten emfpindlich reagieren kann (individuelle Unverträglichkeit), weshalb es schon allein deshalb hilfreich wäre, die Arten zu kennen, die man gegessen hat. Dann gebe ich noch den Tipp, welche essbaren Täublinge man gut makroskopisch erkennen kann - mit dem Rat, diese bei geführten Exkursionen sich nochmal zeigen zu lassen - und gebe ihm den Korb mit den Täublingen zurück.

Ich selber weigere mich, in jeden reinzubeißen, dann erzähle ich wahrheitsgemäß, dass ich manche "scharfen" als mild empfinde, da ich sehr gerne Chillies esse und überlasse es seiner Verantwortung, ob er alle Täublinge kosten will oder die Pilze hier lässt und das sammelt, was er zu kennen meint (und wieder vorlegt).

So - grob umrissen - mache ich es jedenfalls. Natürlich erkläre ich auch, wie man Kostproben nimmt, aber in den Vordergrund stelle ich, dass dies nur der letzte Test sein soll, ob die Art, die man zu kennen meint, nicht doch eine scharfe, giftige Art ist. Würde man in jeden Täubling beißen, brennt die Zunge recht bald und dann schmeckt erstmal alles scharf - geht also eh nicht wirklich.

Wie gesagt, es muss ja alles praktikabel bleiben. Bei Scheidenstreiflingen bekomme ich meist eh nur Amanita fulva in die Beratung, manchmal auch A. submembranacea. Die meisten Streiflingssammler gehen vermutlich nicht zur Pilzberatung.

Liebe Grüße,
Christoph

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(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Renate

Hallo zusammen,

Kann man das vielleicht aufsplitten?

1. was macht der Pilzberater im Einzelfall?
2. welche Empfehlungen werden allgemein gegeben?

Zu 1: Keiner will jemand anderen einen giftigen Pilz freigeben und z. B. Beim Erlengrübling im Zweifel sagen, der schaut für einen Röhrling komisch aus, da muss ich erst nachschauen. Man muss nicht alles essen was vielleicht essbar ist. Vielleicht sprechen wir im Pilzberaterkurs nochmal drüber.

Zu 2. Viele Dinge sind ,,allgemeines Volkswissen". Diese Regeln habe ich auch gelernt, sie stehen auch so in Büchern. Würde man hier eine Veränderung haben wollen, dauert das. Das muss veröffentlicht werden, Eingang in die Literatur finden, dann von den Leuten gelesen und sogar umgesetzt werden. Bis hier eine Veränderung stattfindet gehe ich von mindestens einem Jahrzehnt wenn nicht länger aus.

Problematisch ist m.E. Der Klimawandel, der uns Neuzugänge bringt. Ansonsten essen die Leute das, was schon immer gegessen wurde.

Sind bei den ,,Alten" doch giftige dabei, so muss das der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Was die ,,alten" Pilze betrifft, wird es ohne konkrete Vergiftungsfälle oder Angabe von Giften schwer sein, die Leute davon zu überzeugen, das anders zu handhaben, sie haben das von den Eltern so gelernt und geben das so weiter.

Bei den Neuzugängen werden die erfahrenen Pilzgänger sich (hoffentlich) erkundigen. Aber da kommen wir jetzt an die Grenzen. Durch Tschernobyl ist ein Loch in der Wissensweitergabe Eltern - Kind gewesen. Und viele interessieren sich jetzt für Pilze, denen die Basis fehlt und für die wären solche Regeln gut aber denen fehlt halt die Erfahrung sie anzuwenden und zu erkennen, der ist von je her dagewesen oder das ist ein Neuzugang, der nicht unter diese Regeln fallen kann, bzw. der ist so selten (weicht von dem was ich kenne soweit ab), dass ich auch nachschauen muss.

Tatsächlich ein Problem.

Viele Grüße
Renate



UmUlmHerum

Servus Christoph & alle anderen!

Anscheinend gibt es nicht sehr viele Meinungen zu diesem Thema... Ich finde es auch schwierig zu beurteilen, tendiere aber zur "alten" Praktikabilität. Anderenfalls werden die Hürden zum Pilzberater doch sehr hoch, dann reicht sichere Artkenntniss von 200-300 Arten bei weitem nicht mehr aus.

Da gerade Besuch aus Neuseeland hier ist, haben wir vorhin mal wieder in der Site http://hiddenforest.co.nz/fungi/ geschmökert. Passend zu diesem Thema empfehle ich, im "Family Menu" die Gattung Amanitaceae anzuwählen und die dortigen Arten anzuschauen, z.B. ein angeblich giftiger Scheidenstreifling (vorletzter Pilz in der Aman.-Übersicht).

Viele Grüße – Rika
(gestern und heute bis 34°C und ständiger Wind; letzte Nacht um 24°° hatte es noch 27°C – auf dem Land, am Ortrand auf 550 mNN ... und kein Regen in Sicht)




Christoph

Hallo zusammen,

dieses Thema finde ich persönlich sehr spannend. Es kam in einem anderen Forum kürzlich zu diesem Thema - dort spielten aber andere, off-topic-Elemente mit hinein, weshalb die Diskussion dann abgewürgt wurde. Deshalb versuche ich hier, das Thema rein sachlich im Pilzberater-Bereich zu starten. Zudem war es am Rande schon Thema bei dem Thread zum tödlich giftigen Röhrling aus Australien.

Worum geht es nun konkret in diesem Thread? Um Aussagen zum Speisewert anhand von Umkehrschlüssen.

Ein "historisches" Beispiel:
Alle Riesenschirmlinge sind essbar. Das bezpg sich früher auf die Arten mit beweglich-verschiebbarem Ring und als Abgrenzung zu den "kleinen" Schirmlingen, unter denen viele giftige Arten zu finden sind.

Wie sieht das heute aus? Nun, "Macrolepiota" puellaris (jetzt bei Leucoagaricus) hat Vergiftungen ausgelöst. "Macrolepiota" venenata wurde als giftige Art beschrieben (jetzt in der Gattung Chlorophyllum) und Chlorophyllum brunneum ist ohnehin als giftig bekannt. Chlorophyllum molybdites ist schon lange als giftig bekannt, galt aber früher als Exot. Mittlerweile kommt diese Art auch in den Beneluxstaaten, in England und natürlich im Mittelmeerraum vor.

Die frühere Aussage war also objektiv gesehen falsch - es gibt auch giftige "Riesenschirmlinge". Und seitdem haben viele plötzlich etwas Sorge, Safranschirmlinge (Chlorophyllum olivieri) zu sammeln, weil sie Sorge vor Verwechslungen haben. Die Zeiten ändern sich...

Ich hatte früher auch mal "gelernt", dass alle Weichritterlinge (bis auf die widerlich schmeckenden) essbar seien und es reiche, die Gattung zu erkennen. In dem schönen Bilderbuch "Funghi d'Italia von Boccardo, Traverso, Vizzini & Zotti (2008) steht auch bei jedem Weichritterling "essbar" (comm. als Abkürzung für commestibile). Im selben Buch wird allerdings Amanita echinocephala auch als essbar bezeichnet, obwohl diese Art bekannterweise nierentoxisch ist (und es werden alle weiteren Sektionsgenossen als essbar bezeichnet, auch wenn sie - wie man heute weiß - giftig sind).

Was habe ich noch an einfachen Regeln gelernt?

Ach ja, bei Röhrlingen sind nur manche Rotporer giftig. (Satanspilzgruppe)

Heute weiß man, dass der "Falsche Hasenröhrling" (Gyroporus ammophilus) teils heftig giftig wirkt. Zudem ist auch der Schönfuß giftig (wenn man ihn runterbekommt). Und selbst der Galenröhrling hat schon Probleme verursacht (auch hier, wenn man ihn runterbekommt). Interessanterweise wurde im Parallelforum über Probleme mit dem Mährischen Röhrling berichtet (Aureoboletus moravicus) - der ist aber so extrem selten, dass er kaum gegessen wird.
Der Erlengrübling teilt mit den Kremplingen die gleichen Inhaltsstoffe - kann er das Paxillus-Syndrom auslösen?

Warum Umkehrschlüsse?

Früher war kein giftiger, heimischer Riesenschirmling bekannt. Man wusste aber, dass solche Pilze mit verschiebbarem Ring gesammelt werden - auch von Einsteigern, die diese Anfängerregel beachten. Dass der Parasol (alle Arten? Auch Macrolepiota olivascens?) essbar ist, ist und war ja unstrittig. Auch "der" Safranbschirmling. Man hat aber aus dem "man kennt keine giftigen" im Umkehrschluss daraus gemacht "alle sind essbar". Und da wird es eben problematisch.

Ein zwei letzte historische Beispiel:
"Pilze an Holz kann man alle essen, wenn sie wiech genug sind - sie sind höchstens bitter". Dr. Haas hatte sich deshalb in der Nachkriegszeit mit Gifthäublingen vergiftet (die galten als essbar). Heute kennt man mit dem Zimtfarbigen Weichporling sogar einen stark giftigen Porling. Diese "Regel" ist heute überholt und einfach falsch.
"alle milden Schleierlinge sind essbar" - und dann traten Massenvergiftungen durch Verzehr von Rauköpfen auf (Polen, Nachkriegszeit). Die "Regel" wurde auf "alle milden Schleimköpfe sind essbar" (noch im Moser-Schlüssel kleingedruckt lesbar) eingeengt. Als dann Cortinarius splendens und Verwandte in Verdacht gerieten...

Nun zur aktuellen Situation - da fallen mir zwei allgemein anerkannte Umkehrschlüsse ein:

1. "Alle milden Täublinge sind essbar"

und

2. "alle Scheidenstreifling sind essbar"

Letzteres hat sich indirekt auch in die Prüfungsordnung der BMG-Pilzberater geschlichen und ist auch in der Positivliste der DGfM zu finden.

Müsste es nicht besser heißen "unter den milden Täublingen ist (bei uns) noch keine giftige Art bekannt"? Russula olivacea ist ja offenbar nur ungenügend erhitzt sehr unangenehm.

Wurde aber wirklich jede milde Art ausreichend oft von "Freiwilligen" getestet? Wie sieht es mit sehr seltenen Arten oder Arten aus besonderen Habitaten aus?

Bei den Scheidenstreiflingen - wie oft wurde beispielsweise Amanita nivalis gegessen? Wer sammelt im Hochgebirge Scheidenstreiflinge? In der nordischen Tundra werden m.W. die Täublinge und Milchlinge siliert und teils noch Rotkappen gesammelt, aber keine Streiflinge.

Und was ist mit Amanita friabilis? Wer sammelt im Herbst in Erlenbrüchen kleine, zerbrechliche, extrem seltene Erlen-Scheidenstreiflinge?

In Japan galt auch die Regel, alle milden Täublinge seien essbar. Dann wurde auch Russula subnigricans (ein Schwärztäubling) gesammelt - es gibt mehrere Todesfälle - hier wird direkt und nach nur einer Mahlzeit bei geringen Mengen, die verzehrt werden, eine intensive Rhabdomyolyse ausgelöst. Das Toxin ist mittlerweile bekannt. Wurden die eruopäischen Arten auf das Toxin hin untersucht? Meines Wissens nicht - denn wer isst schon Schwärztäublinge? Gut, ich meine mich zu erinnern, dass es zu Russula nigricans Rezepte gibt - aber wer hat schon Russula anthracina var. insipida probiert? Richtig bestimmt und verspeist? (ist mild im Geschmack)

Wenn ich Pilzberatung anbiete, gebe ich jedenfalls unbestimmt Täublinge nicht gerne frei, nur weil sie mild sind. Das liegt nicht nur daran, dass für mich Chili-Esser auch manche leicht scharfe Arten "mild" schmecken, sondern daran, dass ich ungern unbestimmte Pilze zum Verzehr freigebe. Die Geschmacksprobe nehme ich kulinarisch gesehen nur, um eine Makrobestimmung abzusichern (falls man knapp daneben liegt, hat man keinen scharfen erwischt, der dann wirklich Probleme machen würde).

Wie weit soll man gehen? Soll man es der Praktikabilität wegen dabei belassen, dass "alle" Scheidenstreiflinge essbar sind (dann muss man als Pilzberater nur die Sektion Amanita sect. Vaginatae erkennen) und dass alle milden Täublinge essbar sind (dann muss man viel weinger Täublinge kennen, was makroskopisch eh sehr tricky ist und viel Erfahrung erfordert).

Oder sollte man es nur bei einer Liste als wirklich essbar bekannter Arten (oder auch Artenaggregaten?) belassen und eben nicht jeden Scheidenstreifling in der Pilzberatung als essbar freigeben?

Wo sollte man sinnvollerweise die Grenze ziehen? Oder sollte man es bei den jetzigen "Grundregeln" belassen und jeweils auf Vergiftungen warten, um erst dann diese zu revidieren (wie bei "Macrolepiota")?

Was meint ihr?

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
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