Was ist Boletus satanoides sensu Singer?

Begonnen von Till, 6. Juli 2018, 19:10

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Christoph

Servus Till,

sehr gerne doch :-).

ZitatEs hatte bei uns wolkenbruchmäßig gegossen, was möglicherweise zu der ungewöhnlich dunklen Hutfarbe beigetragen hat.

Das macht natürlich neugierig. Falls du ein Foto vorzeigen würdest, wäre das natürlich schön  ;D

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Till

Hallo, Christoph -

danke für den Tipp. Ich habe den Artikel noch nicht gelesen, aber aufgrund des Hinweises von Rudi, dass bei ihm sehr unterschiedlich gefärbte Satanspilzhüte vorkommen, und seiner Bemerkung zum Geruch (erst würzig, dann beim Trocknen urinartig), habe ich unseren Traunsteiner Fund vorerst doch zu satanas gestellt. Es hatte bei uns wolkenbruchmäßig gegossen, was möglicherweise zu der ungewöhnlich dunklen Hutfarbe beigetragen hat.

Aber den Klofac-Artikel kenne ich, wie gesagt, noch nicht.

Gruß, Till

Christoph

Servus Till,

noch ein kleiner Nachtrag:

Schau dir mal den Artikel von Wolfgang Klofac an:

Klofac W. (2003): Zur Interpretation von Purpurröhrlingen. Fritschiana (Graz) 42: 28–34. - online hier lesbar: https://www.zobodat.at/pdf/fritschiana_42_0040-0047.pdf (dort einfach auf S. 28 durchblättern, es ist das ganze Heft als eine Datei online.

Dort wird ausführlich auch über die Interpretation der früheren Beschreibungen diskutiert. Sehr lesenswert.

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

Lieber Till,

man wird heute kaum noch die Tafel 16 von Singer interpretieren können. Das Hauptptoblem damals war, dass einigen Autoren (Singer, Pilat, Dermek, Engel) nicht klar war, dass das Erscheinen roter Farbtöne am Hut eine Alterserscheinung waren. Grau- bis jeißhütige (junge) Exemplare und ältere, rötliche bis weinrötliche Exemplare wurden unterschiedlichen Arten zugeordnet. Letztere wurden Boletus rhodopurpureus genannt, erstere wurden als Boletus satanoides / B. spendidus ssp. splendidus, B. splendidus ssp. moseri, Boletus legaliae etc. genannt.

Smotlacha hatte in seiner Originaldiagnose von Boletus rhodopurpureus dessen Schwärzen am Hut auf Druck erwähnt, aber das wurde von den oben genannten Autoren nicht beachtet. Redeuilh hat dann später in den 90er Jahren darauf hingewiesen und Boletus rhodopurpureus neu interpretiert (bzw. im Originalsinn). Heute trennt man da ja Gattungen...

Singer war bereits klar, dass es unter den "Grauen" (die aber später eben auch rot werden dürfen) eine Berg(unter)art und eine Flachland(unter)art gibt. Jetzt ist es so, dass die Flachlandart alt stark nach Sellerie riecht und sehr schmale HDS-Hyphen aufweist, während die Gebirgsart breite HDS-Hyphen hat und nicht so intensiv riecht, dafür aber alt röter wird als die Flachlandart und dann eben alt immer wieder als Boletus rhodopurpureus fehlinterpretiert wurde.

Leider hat Singer die HDS-Maße der beiden Taxa wohl verwechselt, da er der Gebirgsart die schmalen und der Flachlandart die breiten HDS-Hyphen zugeordnet hat. Eine weiteres Problem war die Angabe der Symbionten, denn die Gebirgsart sollte unter Nadelbäumen, die Flachlandart unter Laubbäumen wachsen.

Heute weiß man, dass auch Rubroboletus rubrosanguineus, die Gebirgsart, bei Buchen vorkommt und ins Flachland hinabsteigt (hat breite HDS-Hyphen), während die Tieflandart nur bei Laubbäumen (v.a. Eiche) vorkommt und nicht ins Gebirge aufsteigt (Rubroboletus legaliae, schmale HDS-Hyphen).

Geht man davon aus, dass es (abgesehen von der Gattung Imperator, die sehen wirklich anders aus...) zwei "Falsche Satanspilze" bei uns gibt (R. rhodoxanthus hat ja viel gelberes Fleisch und blaut nur oben im Hut und R. pulchrotinctus kommt bei uns m.w. nicht vor, die Blum'schen Boletus pseudosatanas & Co. lasse ich mal außen vor), dann bleibt nur die Frage, wie man sie nennt.

Boletus splendidus ist alt, aus dem Jahr 1894, Boletus satanoides aus dem Jahr 1920, Boletus legaliae aus dem Jahr 1968 und Boletus rubrosanguineus aus dem Jahr 1983.

Man hat sich aber entschieden, die beiden jüngsten Namen zu wählen: Boletus legaliae für die Flachlandspezies, die so stark nach Sellerie riecht und Boletus rubrosanguineus für die Gebirgsart, die besonders gerne im Alter dunkler wird.

Boletus satanoides wurde, wenn ich es gerade richtig im Kopf habe, von Smotlacha als Laubwaldart beschrieben, der Typus stammt aber aus dem Nadelwald und passt nicht zum Protolog (oder umgekehrt? jedenfalls gab es da Verwirrung). Ich weiß nur, dass Boletus satanoides als nomen dubium abgeleht wurde, da man darunter beide heutigen R. legaliae und R. rubrosanguineus verstand.

Auch bei Boletus splendidus kann man wohl nicht klar sagen, welcher Art man den Namen zuordnen soll.

Also nimmt man die beiden jüngsten Namen, deren Interpretation klar ist. Das heißt aber auch, dass man durch Neo- oder Epitypisierung (je nachdem, ob heute noch Originalmaterial vorliegt) die beiden alten Namen wieder ausgraben könnte und definieren und verwenden könnte.

Was aber Singer nun darunter verstand, ist nur anhand der Tafel und Beschreibung völlig unklar. Das liegt eben daran, dass man damals die Merkmale anders gewichtete und nicht klar war, dass die Hutfarbe altersbedingt schwankt. In Pilze der Schweiz Bd. 3 findet man R. rubrosanguineus dreimal unter drei unterschiedlichen Namen, was eine Folge darauf ist (jung, mittelalt, alt) bzw.unter zwei Namen, wenn man einen der frei als R. legaliae interpretiert.

Im Prinzip geht das ein wenig bis heute so. Z.B. Janda et al (2017), die zeigen, dass Boletus spinarii ein Synonym von R. legaliae ist, gehen absolut nicht auf die Mikroskopie ein (z.B. HDS): http://www.czechmycology.org/_cmo/CM69103.pdf
Vermutlich deshalb diskutieren sie nicht die Abgrenzung zu anderen Taxa, sondern zeigen (wie auch der Artikel natürlich richtig in der Überschrift ankündigt) nur die makroskopische Variationsbreite. Bei der Synonymisierung hätte ich aber zumindest auch die Anatomie der beiden Typen verglichen.

Der Geruch wird auch unterschiedlich interpretiert - die R. legaliae vom Blutsee riechen wirklich auch frisch intensiv nach Sellerie, Halema (2016): Rubroboletus le-galiae (Boletales, Basidiomycota), a species new for Poland. Acta Mycol. 2015;50(2):1066. http://dx.doi.org/10.5586/am.1066, beschreibt den Geruch als schwach pilzig, getrocknet nach Maggi - andere Autoren als nach Heu (vermutlich Duftgras? also auch Liebstöckl/ Maggi?).

Vielleicht gibt es da auch eine gewisse Variationsbreite im Geruch. Ich empfehle dir aber den oben verlinkten Artikel von Janda et al. (2017) hinsichtlich der Makroskopie von R. legaliae. R. rubrosanguineus kennst du ja und wenn dein Pilz anders aussieht, ist es spannend. R. legaliae wäre für uns hier ein außergewöhnlicher Fund, da er es eigentlich sehr heiß mag.

Ich kann auch gerne den Beleg nachmikroskopieren, wenn du magst. Wenn du und Bilder zeigen könntest, wäre das natürlich super. Dann fällt es auch leichter, den Pilz zu interpretieren. Ich empfehle aber wie gesagt, Singer, Dermek, Engel (etc.)m also alles von vor den 90er Jahren) nicht als Basis zu nehmen.

Liebe Grüße,
Christoph

P.S.: Klofac hat in seinem Boletenschlüssel auch die Tafel 16 bei Singer keiner Art zugeordnet (15 hat er, 17 hat er, 16 fehlt, wenn ich's nicht übersehen habe): https://www.zobodat.at/pdf/OestZPilz_16_0187-0279.pdf

P.P.S.: ich verschiebe das Thema in den Mykologie-Bereich, da das hier wenig mit Pilzberatung zu tun hat ;-)
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Rudi

Lieber Till,

Gerade wächst bei uns fast nur der Satan. Er ist ja bei uns in Mainfranken durchaus verbreitet.
Die Hutfarben schwanken bei ihm fast wie bei den Russulae :D
An der selben Stelle gibt es manchmal fast weisse, dann wieder hell- bis kräftig braune Hüte.
Ich halte das alles für eine Art.
Der Geruch ist jung für mich immer angenehm würzig (nach Sellerie) und wird erst spät- beim Vergammeln- unangenehm urinös.
Gestern hat es nach a bisserl Regen die Kerle so aufgeweicht und schmutzig verfärbt, dass sie von oben kaum noch erkennbar waren.
Das erste Bild hab ich schon gezeigt, vom Montag, die drei anderen von gestern.
123pilze bieten ein buntes Sammelsurium von richtigen und falschen Meinungen und Bildern, damit kann man schlecht Diagnosen stellen.
Boletus satanoides Smotl. 1920 ist ein Synonym von Rubroboletus legaliae, dieser ist jung vom Satanspilz kaum zu unterscheiden, entwickelt aber bald schöne rote Hutfarben.
vgl. hier:   http://pilzseite.de/Pilzgalerie/Boletus/legaliae/FrameSet.htm

LG Rudi
Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

PilzMichi

Hallo Till, laut 123pilze.de wird als Boletus satanoides der Falsche Satansröhrling genannt. Buche passt. angenehmer Geruch passt auch. Das Buch habe ich leider nicht.

P.S. Warte aber lieber auf eine Expertenmeinung ;)
LG Michi

Till

Hallo, Röhrlingsfreunde -

bin zeitlich sehr unter Druck und kann derzeit auch noch kein Bild präsentieren. Aber ich habe dennoch eine Frage: Wir haben heute unter alten Buchen in einem parkähnlichen Garten einen "Satanspilz" mit schon jung schmutzig-braunem Hut gefunden. Beim makroskopischen Abgleich stieß ich auf die Tafel XVI bei Singer, insbesondere die Bilder 4 u. 5 (Die Röhrlinge, Teil 2), die Singer "Boletus satanoides" nennt. Genauso sieht unser Pilz aus. Weiß jemand, wie diese Tafel heutzutage interpretiert wird? Auffallend bei unserer Art sind das schwache Blauen des Fleisches (wie bei satanas) und der eher angenehme (!), würzige Geruch.

Soviel in Eile
GRuß, Till