Der Gyromitra-Fred

Begonnen von Christoph, 19. April 2017, 23:48

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Christoph

Servus beinand,

es gibt Neuigkeiten an der Gyromitra-Front (zuvor - @Pablo: ich habe bei deinem Beitrag das Einbinden der Bilder repariert).

Wolfgang Klofac und Irmgrad Krisai-Greilhuber haben in der aktuellen Österreichischen Zeitschrift für Pilzkunde einen interessanten Artikel publiziert:

Klofac W & Krisai-Greilhuber I ("2019" 2021): Gyromitra inflata, die Wiederenteckung einer verschollenen oder fehlinterpretierten Art. Öst. Z. Pilzk. 28: 93-106.

Es geht um den schwierigen Gyromitra-esculenta-Formenkreis. Ich habe hier ja schon Gyromitra (esculenta var.) bubaci vorgestellt, die standorttreu bei Erlangen vorkommt.

In dem Gyromitraschlüssel, den ich hier im Forum ins deutsche übertragen habe, sind auch mehrere Taxa des Giftlorchelformenkreises enthalten. Das paper zitiert auch den Schlüssel hier im BMG-Forum.

Jedenfalls, um den Artikel kurz zusammenzufassen, stellt sich heraus, dass schon allein mit der ITS-Region mehrere Taxa innerhalb von Gyromitra esculenta s.l. trennbar sind. Das war schon vorher bekannt. So wurde ja diese Artengruppe bereits für die Neubeschreibung von Gyromitra vevenata aus China genetisch untersucht - Li HJ et al. (2020): Gyromitra venenata, a new poisonous species discovered from China. – Mycosystema 2020(9): 1706–1718. Doi: 10.13346/j.mycosystema.200146.

Jedenfalls konnte eine Kollektion von "Gyromitra esculenta", welche Wolfgang Klofac 2013 bei Wien aufgesammelt wurde, genetisch von Gyromitra esculenta s. str. trennen.

Die AutorInnen diskutieren, welchem Taxon man diese Kollektion zuordnen kann und stießen dabei auf die Beschreibung der Gyromitra inflata von Cooke, Mycogr., Vol. 1. Discom. (London)(no. 6): 248 (1879)

Dieses Taxon wurde ausführlich in der Originalbeschreibung definiert, beschrieben und abgebildet. Die Kollektion passt gut auf diese Beschreibung, weshalb dieser Name wieder aufgegriffen wird.

Die Strunkbasios zeigt beispielsweise gerne lachsrötliche, teisl bis blauviolettliche Töne und der Hut ist deutlicher 3-5-zipfelig als die weniger zipfelige Gyromitra esculenta s.str.

Zudem wird mit Gyromitra esculenta fm. rubiformis eine weitere Form von gyromitra esculenta s.str. beschrieben. Diese Form fällt durch recht kleine Fruchtkörper und weniger hirnartig gewundene, sondern mehr brombeerartige Hüte auf (Form, nicht Farbe).

Der Artikel ist frei zum download hier zu haben: https://www.univie.ac.at/oemykges/oesterreichische-zeitschrift-fuer-pilzkunde/

Viel Spaß beim Lesen - bald ist ja Frühling. Fragliche Kollektionen von Gyromitra inflata lassen sich ja genetisch zuordnen. Es bleibt spannend bei den Lorcheln.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Beorn

#28
Hallo zusammen!

Ergänzend zu Armins Fruchtkörpern "im besten Alter" hätte ich von Gyromitra perlata noch eine schön alte, vollreife Kollektion um einen vermodernden Fichtenstumpf herum, die sogar einen Sporenabwurf hergab. Viel länger als 35µ waren die Sporen zwar nicht, aber das passt wohl dennoch so ins Konzept.

Interessant: Das Ornament finde ich schwer darzustellen.
Ganz furchterregend wirken sich Baumwollblau und Kongorot aus, da platzt das Exospor irgendwie weg und rollt sich zu den enden hin von den Sporen ab.
Ist das immer so in dieser Gattung?
Beide Färbemittel wende ich verdünnt an und erhitze wenn dann nur das BWB und nicht mit Präparat drin (sondern vorm Einlegen des Präparates).

Einigermaßen erkennbar ist das Ornament auf den Bildern am ehesten noch in Melzer...
















Liebe Grüße, Pablo.

Christoph

Servus beinand,

und noch ein Foto von Gyromitra esculenta var. bubaci - Boris Zurinski hat sie fotografiert, bevor ich sie dann als Beleg bekam. Der Fundort war übrigens eine kleine Brandfläche mit verkohltem und nicht verkohltem Totholz.



Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

#26
Servus beinand,

ich möchte einfach noch ein paar schöne Fotos von Frühjahrslorcheln zeigen - in dem Fall aus dem Bayerischen Wald - genauer: aus dem Ablegwald bei Rabenstein - aus dem Jahr 2014.









Mikroskopiert wurden die Lorcheln nicht, denn damals dachte ich, die Sachlage sei klar. Ich habe leider auch keinen Beleg, aber an der Fundstelle wachsne jedes Jahr Lorcheln in großer Menge - ich kann bei Gelegenheit nachsammeln. (Heinz hat die Lorcheln getrocknet, aber wo der Beleg ist, weiß ich eben nicht.)

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

Servus Armin,

herzlich willkommen hier bei uns. Wir kenne uns ja eh vom pilzforum.at  :)
Es freut mich, dass du dich vom Mitleser zum aktiven Mitschreiber gewandelt hast. Und danke für die schönen Lorchelfotos!

Liebe Grüße,
Christoph
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carter

#24
hallo zusammen...

als kurze vorstellung...   mein heimatforum ist das https://www.pilzforum.at/
und möchte mich in hier als mitleser verabschieden und mit einigen beiträgen aktiv werden...

weil`s hier so schön reinpasst __gyromitra perlata__ gefunden vor 2 wochen


liebe grüße_________armin






Christoph

Servus beinand,

ich verknüpfe hier - damit der Thread vollständig ist - noch meine Vorstellung von Gyromitra esculenta var. bubaci



Ich habe zusammen mit Boris Zurinski nochmal nachgesucht - wir fanden nur noch kleine Exemplare, von denen manche schon sporenreif waren. Auch hier waren die Sporen auffallend groß, aber nicht ganz so lang. Vielleicht streut Gyromitra esculenta doch extrem in den Sporenmaßen. Wir werden jedenfalls die Fundstellen der großsporigen Frühjahrslorchel weiter beobachten. Boris findet die ja jedes Jahr in "seinem Wald".

Liebe Grüße,
Christoph

P.S.: @Werner: 's g'freit mi, dos Di da Schlissl so g'schmeidig zua recht'n Art g'fiat hod.
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Christoph

Servus Marie,

das ist halt das Problem mit den Lorcheln - wenn man sie findet, sind sie meist noch zu jung. Und man findet sie nicht vor der Haustür, sondern da, wo man so schnell nicht mehr hinkommt. Den Weg zu den Risslochfällen kenne ich - ich hatte mal eine Fahrgenehmigung für den gesamten Arber (hatte ein NWR am Arber kartiert). Zu Fuß ist es schon ein Stück von Bodenmais aus - und dann müsste man die Lorchel auch noch finden... Der Schnee dürfte nicht tragisch sein, ich gehe davon aus, dass sie den aushält.

Es gibt mehrere Snow-Board-Lorcheln. Gyromitra accumbens wäre auch möglich, aber makroskopisch ist das alles nur reinste Spekulation.

Liebe Grüße,
Christoph
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Marie

Auch Hallo Gelbfieber,

erstmal vielen Dank für dein Angebot, aber ich hab den Pilz nicht mitgenommen, war nur einer und dann tat er mir doch zu leid,, außerdem brauchen diese Pilze doch so lange um Sporenreif zu werden, aber wenn wer im Bayerwald zu gange ist, ich gebe gerne die Funddaten preis. Momentan bei dieser  Wettervorhersage könnte es allerdings nochmal draufgeschneit haben, war auf Moorwiese auf dem Weg zum Arber, etwa Höhe 1000m, Wanderweg Bodenmais Risslochfälle, Weg 2a

So, an Lieben Gruß

Gelbfieber

Hallo und guten Abend Rosi,

ich kann dir anbieten deinen Fund zu mikroskopieren und die mikroskopischen Merkmale zu dokumentieren.

Eine gute Zeit
Gelbfieber & Co

Marie

So das Bild zum Beitrag

Marie

Grias'de Werner,
ein schöner Fund, und sehr anschaulich erklärt, vielen Dank dafür.
Bei der Gelegenheit möchte ich euch meinen Pilz vom Osterwochenende, Snowbank Lorchel lt Christoph, vorstellen, das schwierige daran ist das ich immer noch kein Mikroskop besitze und der Pilz deshalb wohl unbestimmt bleiben wird, was zum rätseln. Meine Ascofreundin aus den Kalkalpen meinte bei ihr heißt die Lorchel die meiner makroskopisch gleicht G. olympiana oder leucoxanta, welche allerdings im Bayr. Wald auf sauren Boden vorkommt ist ungewiss, vielleicht liest ja wer mit der da Erfahrung hat, ich stehe im wahrsten Sinne ' auf dem Schlauch'
::)
Liebe Grüße

Rosi

PS: Fotos werden nachgeliefert

Werner E.

Servus beinand,

ich hab vor drei Wochen völlig unerwartet beim Stöckchen drehen in einem jungeichendominierten Sukzessionswald bei Taufkirchen im Münchner Süden eine schöne Lorchel gefunden.
Da es in dem Waldstück nur Eichen und andere Laubbäume gibt, hoffte ich evtl. was anderes als G. gigas gefunden zu haben.
Die Mikroskopie nach dreiwöchiger Nachreifung ergab aber nun doch eindeutig G. gigas, nach dem tollen Schlüssel vom Christoph.
Als Substrat dienen scheinbar die mittlerweile finalmorschen Fichtenstümpfe, die noch überall zu sehen sind.
Die Sporen sind deutlich ornamentiert mit Anhängseln und messen ohne Anhängsel 25-28 x 11,5-12,5 mü.
Hab mich gefreut, dass die Art mit dem Schlüssel so gut zu bestimmen war.
An liabn Gruaß,
Werner

Christoph

Servus beinand,

ich möchte hier auf ein paar Beiträge querverweisen.

Zum einen gibt es eine aktuelle Version des Gyromitra-Schlüssels.
Dann möchte ich auf den Fund von Gyromitra esculenta var. bubaci hinweisen, den ich vorgestellt habe.

Und da aller guten Dinge drei sind, möchte ich auf eine Diskussion rund um Gyromitra ticiniana vs. Gyromitra gigas hinwiesen, die im EU-Forum ablief.

Ach ja, das vielleicht auch noch - es ist wieder die Zeit für die Snowbank-Lorcheln gekommen. Mir wurde per WhatsApp ein Foto einer solchen Gyromitra zugeschickt. Es könnte sich (mal wieder) um Gyromitra accumbens handeln. Aber ohne Mikroskp ist das nur geraten (Habitat, Becherfarbe - das reicht nicht aus).

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

Servus beinand,

ich möchte auf eine neu beschriebene Gyromitra-Art hinweisen:

Gyromitra antracobia Loizides, P.-A. Moreau & Bellanger in Crous et al. (2018)

Es handelt sich im eine Lorchel auf Brandstellen, die aus Zypern beschrieben wurde. Sie ähnelt makroskopisch wegen ihres hohlen, glatten, zylindrischen Stiels einer Verpel (unterscheidet sich aber durch den hirnartig gewundenen Hut) und steht genetisch betrachtet isoliert in der Gattung Gyromitra, weshalb direkt eine eigene Untergattung Gyromitra subgen. Pseudoverpa für sie geschaffen wurde.

Die Sporen ähneln mit (16–)18–21(–22,5) × (9–)10–11,5(–12) μm (Me = 19,7 × 11; Q = 1,5–2,2; Qm = 1,79) denen von Gyromitra esculenta, die aber makroskopisch direkt durch den anders ausgeprägten Stiel unterschiedbar ist.

Ob Gyromitra anthracobia auch in Mitteleuropa auftreten kann, ist natürlich ungewiss. Und es gibt ja bei uns kaum noch Feuerstellen - die Brandstellenpilze gehen stark zurück - sodass es hier bei uns wohl zu keinen Funden kommen dürfte. Aber wer weiß?

Literatur:
Loizides M, Moreau P-A, Bellanger J-M (2018): Fungal Planet 732. In Crous et al.: Fungal Planet description sheets: 716–784. Persoonia 40: 240–393 (pp. 286-287).

Es lohnt sich übrigens, die Fungal Planet-Sheets durchzugehen. Die Artikel sind open access und daher downloadbar (die Zeitschrift Persoonia ist gut zugänglich). Man findet immer wieder europäische, neu beschriebene Arten - so wie hier die Kohlenlorchel.

Liebe Grüße,
Christoph

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