Der Gyromitra-Fred

Begonnen von Christoph, 19. April 2017, 23:48

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Christoph

Hallo zusammen,

ich möchte noch auf eine interessante Publikation hinweisen:

Kempton PE, Wells VL (1973): Studies on the fleshy Fungi of Alaska VI. Notes on Gyromitra. Mycologia 65: 396-400 (über cyberliber frei lesbar).

Die beiden Autoren haben von einem Fruchtkörper von Gyrmoitra esculenta, den sie im Wochenabstand "besucht" haben, jeweils ein Fruchtkörperstück entnommen und die Sporen untersucht, gemessen (usw.), um zu dokumentieren, wie die Sporenmaße und die Oberfläche vom Alter abhängen. Dies haben sie fünfmal getan, also über fünf Wochen den Fruchtkörper beobachtet.

Hierbei veränderten sich die Sporenmaße von (15,5-)18,5-20 x 9-10,5(-12,5) µm (erste Probennahme) innerhalb einer Woche zu (17,0-)18,5-24,0(-26,0) x (9-)11-12,5 µm,
bei Probennahme 3 zu (18,5-)21,5-24,5 x 11-12,5 µm ,
bei Probennahme 4 zu (20-)21,5-24,5(-27,5) x 11-13 µm
und bei Entnahme Nr. 5 schließlich blieben die Maße stabil, aber die Sporen quellten in KOH stark auf (die Messungen erfolgten in KOH 2,5% und die Sporen wurden nach der sofortigen Messung teils eine halbe Stunde in der Lauge belassen, um zu beobachten, ob sich das Perspor ablöst oder dieses aufquellt). Es wurden so nach längerem Belassen in der Kalilauge Sporenbreiten von 13-15 µm, teils bis 18,5 µm Breite festgestellt.
Das Perispor war bei Entnahme 1 unauffällig, wurde im Laufe des Alterns aber immer deutlicher sichtbar, schließlich mehr als 2 µm dick, insbesondere an den Sporenpolen. Nach den fünf Wochen löste sich das Perispor auch in Wasser ohne KOH-Zusatz ab.

Es bleibt das Problem, dass die Sporenmaße sehr stark vom Alter abhängen, was das Bestimmen schwer macht. Das gilt aber eben auch und insbesondere für die Ausprägung des Perispors und damit auch der Ornamente.

Um Vergleichbarkeit zu ermöglichen, sollten folglich für die Sporen nur sehr ausgereifte Fruchtkörper verwendet werden. Das Problem ist ja aber so oft, dass man eben die Fruchtkörper oft früher findet und man nicht immer problemlos im Wochentakt diese besuchen kann, um dann das optimale Stadium abzuwarten.

Das macht es nicht einfacher... von jungen Fruchtkörpern kann man allerdings die Finger lassen ;-). Ach ja, die Sporen der untersuchten Giftlorchel haben auch ihre Form im Lauf des Reifens des Fruchtkörpers verändert.

Den Artikel findet man übrigens hier: http://www.cybertruffle.org.uk/cyberliber/ - dort auf Journals, da dann auf Mycologia, dort wiederum auf "65" klicken und bei Seite 396 anfangen und durchblättern. Die Seiten kann man per rechter Maustaste als jpg speichern / runterladen.

Liebe Grüße,
Christoph

Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Christoph

Servus beinand,

noch ein kurzes Update:

Ich habe den ursprünglichen Thread zu Gyromitra parma aufgetrennt, weil darin ein Nebenstrang zum Thema Gyromitra leucoxantha erhalten war. Jetzt sind sie getrennt und daher im Nachhinein beide Diskussionen zu den beiden Arten leichter zu finden.

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

#12
Servus beinand,

ich habe den ursprünglichen Thread aufgetrennt in den Schlüssel und diesen Diskussionsthread. Deshalb fängt der "Lesezähler" wieder von vorne an (was ja egal ist - wem es wichtig isl, muss nur 2412 dazu addieren).

Ich möchte hierbei gleich auf eine interessante Gyromitra-Kollektion und -diskussion hinweisen, die Schorsch begonnen hat: http://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1731.0.html

Es handelt sich dabei um einen Fund von Gyromitra cf. leucoxantha - nach aktuellem Stand.

Ich selbst habe heute auch wieder eine Gyromitra-Kollektion unter dem Mikroskop gehabt. Im EU-Forum wurde ein Scheibenlorchelfund aus dem eigenen Garten vorgestellt: https://www.pilzforum.eu/board/thread/40580-scheibenlorcheln-und-%C3%BCberraschung-im-eigenen-garten

Ein Fruchtkörper wurde mir vom Threadautor und Finder zugeschickt und ich konnte ihn untersuchen. Wie so oft gibt es keine freien Sporen, aber es gab genug relativ reife Sporen in den Asci, die bereits ihre Anhängsel und auch ihr Ornament zeigen - es ist sehr fein netzig und die Anhängsel sind spitz endend, dabei gerne gebogen (wenn oben nach links zeigend, dann untern nach rechts).

Insofern handelt es sich um Gyromitra perlata. Hierbei ist anzumerken, dass van Vooren einen Neotypus von Gyromitra perlata definiert hat (eine Kollektion von Elias Fries) und der Meinung ist, dass der Name Gyromitra ancilis (ist älter) fallen gelassen werden sollte. Es sei nicht klar, was Persoon darunter verstand.

Egal, wie der Pilz jetzt korrekt heißt, Gyromitra perlata oder Gyromitra ancilis, sie hat Sporen, die häufig auffallend asymmetrisch sind - eine Seite ist dabei manchmal sogar gerade, die andere dafür deutlicher gebogen - es kommen aber auch normal ellipsoide Sporen vor. Gyromitra perlata hat sehr lange und große Sporen: 40-46 x 13-17(-20) µm (Maße am Neotypus) - das betrifft aber nur freie Sporen, also völlig reife Sporen. Die Sporen im Ascus des Neotypus sind kleiner: 25-30 x 12,5-14 µm.

Die Maße des mir zugesandten Belegs betragen: 26,5-28,6-30,5 x 10,5-12,0-13,25 µm; Q = 2,1-2,4-2,9

Die Maße passen ganz gut zum Neotypus, auch wenn dort die Sporen etwas breiter sind - der Fruchtkörper, der mir geschickt wurde, war auch noch jünger. Die Sporenform passt aber sehr gut.

Letzten Endes ist es wirklich wichtig, bei den Gyromitrae nur gleichreife Fruchtkörper miteinander zu vergleichen. Und sie werden wirklich erst sehr sehr spät komplett reif.

Hier die Mikrofotos der Sporen:


asymmetrische Sporen von Gyromitra perlata (vom Trockenbeleg in Wasser)


netziges Ornament (in Baumwollblau, zur Kontraststeigerung in Schwarz-Weiß dargestellt)


Spore mit nur partiell ausgebildeten Ornament, dieses dafür besonders deutlich ausgebildet (in Baumwollblau)


Sporen in Baumwollblau

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

#11
Ich habe beim Schmökern der Mycologia einen weitern, interessanten Artikel über die Gattung Gyromitra entdeckt:

Andrew S. Methven, Steven E. Zelski & Andrew N. Miller (2013) A molecular
phylogenetic assessment of the genus Gyromitra in North America, Mycologia, 105:5, 1306-1314,
DOI: 10.3852/12-397

Der Artikel geht zwar über nordamerikanische Gyromitrae, aber manche Arten kommen hüben wie drüben vor. Was aber vielleicht interessant ist: In einem Stammbaum der (leider nur) auf der LSU nrDNA basiert, fällt die Gattung Pseudorhizina in die Gattung Gyromitra. Dem folgend haben die Autoren die beiden Pseudorhizinen zu Gyromitra umkombiniert.

Es wird sich zeigen, ob sich das bei einem mehr Gene beinhaltenden Baum auch bestätigt. Im Moment sieht der Stammbaum etwas nach einem Gießkannenstammbaum aus (einzelne Arten/Artengruppen sind gut definiert, aber die Stellung zueinander bleibt schlecht aufgelöst.

Hynotria cerebriformis und Hydnotria cubispora stehen laut diesem Stammbaum ebenfalls innerhalb der Gattung Gyromitra (nahe Gyromitra melaleucoides, aber auch schlecht aufgelöst - bootstrap < 70%).

LG
Christoph
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Rudi

Der Rudi hat einfach die Gyromitras übersehen- zumindest die hier im Forum...

Einen Zipfel hatten wir vor 2 Jahren im Kreis Würzburg gefunden, siehe dazu die Bilder ab Nr.2:
http://pilzseite.de/Pilzgalerie/Gyromitra/fastigiata/FrameSet.htm

melaleuca aus B/W (Mergentheim) gabs heuer auch wieder reichlich-siehe Bild. Lothar Krieglsteiner hat die Art ja schon 1995 in Würzburg (Bot. Garten) gefunden!

LG Rudi
Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

Christoph

Da hätte der Rudi auch dran denken können  ;) - Gyromitra melaleuca: er hat diese seltene Art ja auf seiner Homepage vorgestellt: http://www.pilzseite.de/Pilzgalerie/Discina/melaleuca/FrameSet.htm

Auf Pilze-Deutschland werden zwei Fundpunkte dargestellt, davon einer in Bayern. Der Fund, den Rudi zeigt, stammt aus Baden-Württemberg und wäre dann eventuell der Zweitfund (ich weiß nicht, wie aktuell die Verbreitungskaerte ist).

Ich selber habe Gyromitra melaleuca auch erst einmal gesehen - ich wurde dankendwerterweise zu einem Fundpunkt hingeführt. Die Fundstelle ist grenznah zu Bayern in Vorarlberg, genauer gesagt in Bregenz.

LG,
Christoph
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Christoph

@Christian: jetzt weiß ich, woher ich noch von der Gyromitra fastigiata wusste - ich hab's grad beim Erstellen der Linkliste wiederentdeckt: http://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1481.0.html

:D
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Christoph

Hier noch zwei Links zu den beiden Threads, in denen ich zum einen Gyromitra parma aus einem Kalkbuchenwald (mit angepflanzten Pappeln und untermischtem Ahorn neben den obligatorischen Fichten) vorgestellt habe: http://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1123.0.html

und zum anderen eine Gyromitra gigas an Laubholz, von der ich erst dachte, es könnte Gyromitra ticiniana sein, die sich dann aber doch als Gyromitra gigas herausgestellt hat:
http://forum.pilze-bayern.de/index.php/topic,1128.0.html

Und dann natürlich der Link zu einer besonderen Website:
www.lorcheln.de - sie lohnt sich! Dort wird auch Pseudorhizina californica (als Gyromitra californica) gezeigt und vorgestellt (allerdings aus den USA)
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Christoph

Servus Christian,

danke für den Link - ich wusste nicht mehr genau, woher ich einen Fund in unserer Gegend (im weiteren Sinne) im Kopf hatte. Jatzt ist es wieder klar - ich hatte das mal auf eurer Website gesehen und mir latent gemerkt (also, dass man auch hier bei uns eine Chance haben sollte, sie zu finden). Ich sollte viel öfter auf die Ehinger Seite gehen  ;)

LG
Christoph
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Älbler

Hallo Gerd, hallo Christoph,

Gyromitra fastigiata haben wir letztes Jahr im Ulmer Raum gefunden. Allerdings auf Baden-Württembergischer Seite. Hier das Artprofil auf der Ehinger Webseite:

http://www.pilzflora-ehingen.de/pilzflora/arthtml/gfastigiata.php

Ich bin dieses Jahr leider nicht dort hin gekommen um nachzusehen, ob die Lorchel nochmal fruktifiziert. Der Fundort liegt in einem Bannwaldgebiet. Dort gibt es ausreichend Totholz, so dass ich davon ausgehe, die Art auch in den nächsten Jahren wieder zu finden.

Viele Grüße
Chistian

Christoph

Lieber Gerd,

welcome back und danke für die schönen Bilder! Gyromitra parma finde ich bei uns auch außerhalb von Auwäldern an morschen, liegenden Laubholzstämmen.
Die Zipfellorchel, Gyromitra fastigiata, würde ich gerne mal sehen/finden. Sie soll ja nicht nur im Hainich / Osten wachsen, scheint bei uns aber nur sehr vereinzelt aufzutreten.

Bei mir ist heuer eh ein schlechtes Lorcheljahr - ich habe noch nicht einmal kleine, junge Riesenlorcheln finden können. Vielleicht wird's noch was.

Liebe Grüße,
Christoph
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Gerd

Hallo Gyromitra-Fans,

ich zeige einige Bilder aus meinem Fundus:

(1) Gyromitra ancilis, eine im Ulmer Raum an einigen Stellen regelmäßig vorkommende Art.




(2) Gyromitra parma, auch eine im Ulmer Raum nicht seltene Art an morschem Laubholz in Auenwäldern:




(3) Gyromitra gigas, im Ulmer Raum bevorzugt in Riedgebieten wurzelbürtig an stark vermorschten Fichtenstümpfen



Und jetzt noch zwei Arten, die m.E. im Ulmer Raum noch nicht sicher nachgewiesen wurden:

(4) Gyromitra esculenta, hier eine Aufnahme aus Mittelfranken



(5) Gyromitra fastigiata, wurde mir als Frischmaterial aus den Neuen Bundesländern zugeschickt und von mir unter einer Hecke hinter dem Haus fotografiert



Grüße
Gerd

Christoph

#2
So, dann kommt eine weitere Lorchel hier dazu - die Stock-Lorchel, Gyromitra gigas. Dieses Exemplar habe ich in Vorarlberg, Österreich, genauer gesagt im Montafon zusammen mit Bella und Werner Oswald, Uschi Österle und weiteren Gsiberger Pilzfreundinnen und -freunden gefunden. Das ist schon etwas her, nämlich vom 22. Mai 2005.





Man kann die Stock-Lorchel wohl nur sicher per Mikroskop bestimmen, zumindest bei Funden an Laubholz. Hier war es aber brav Nadelholz, auch wenn sie scheinbar am Boden wuchs. Natürlich wurde der Fund mikroskopiert  8)

LG
Christoph
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Christoph

#1
Ich stelle gleich mal ein Schmankerl in den Gyromitra-Fred, die extrem seltene Rundsporige Lorchel, Pseudorhizina Gyromitra sphaerospora (fm. gabretae). Schön sieht man an den Fotos den stark gefruchten, grubenlorchelartigen Stiel und die weinroten Farbtöne. Der Fund stammt vom 08.06.2014 aus dem Nationalpark Bayerischer Wald und zierte auch das Titelblatt der Mycologia Bavarica Bd. 15. Heinz Holzer hat mich (und andere Pilzler) zu der Fundstelle geführt. Glücklicherweise fruktifiziert die Rundsporige Lorchel dort jedes Jahr (aber es ist nur ein Fundort bekannt).





Liebe Grüße,
Christoph

Edit: Die Gattung Pseudorhizina wurde mittlerweile eingezogen (Genetik) - die Rundsporlrcheln sind jetzt wieder "echte Lorcheln".
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