Liebe Foristi,
ich beschäftige mich seit geraumer Zeit (allerdings nur nebenbei) mit Scheidenstreiflingen. In dieser interessanten Sektion ist noch vieles nicht geklärt, die Artkonzepte unterschiedlicher „Schulen“ stehen sich gegenüber, viel Chaos wurde angerichtet durch mehrfach ungültig publizierte Namen, provisorische (!) Epitypisierungen usw.
Ich möchte versuchen, in diesem Thread – ähnlich wie bei anderen Gattungsthreads – Diskussionen rund um Scheidenstreiflinge zu bündeln, dabei auch die eine oder andere Art vorzustellen, Hinweise aus der Literatur zu geben und/oder diese zu kompilieren.
Gerade auch durch den Einzug der Genetik wird sich wohl manches zukünftig lichten, was bislang schwer greifbar war.
Ich möchte aber als Einstieg in Diuskussionen rund um Scheidenstreiflinge auf einen schon älteren, aber äußerst interessanten Artikel hinweisen und dessen Inhalt widergeben:
Kotilová-Kubicková L (1982): Occurence of amyloid substance in the plasma in hyphae of basidiocarps of some Amanita species (Agaricales). Ceska Mykol. 36(2): 114-117.Neville & Poumarat (2009) folgend nenne ich die in diesem Artikel vorgestellte Reaktion einfach „
K-K-Reaktion“ (nach dem Doppelnamen der Autorin).
Kotilová-Kubicková (1982) hat die Tramahyphen von zufällig ausgewählten
Amanita-Arten mit Melzers auf Amyloidie getestet – an und für sich sehr einfach zu bewerkstelligen. Und sie hat dabei festgestellt, dass doch einige Arten stellenweise amyloides Plasma besitzen. Hierbei erwies sich die Sollbruchstelle von Hut und Stiel (dort finden sich viele Kugelzellen, ähnlich einem Täubling) als besonders deutlich amyloid. Die Amyloidie beschränkt sich auf wandnahe Plasmabereiche, gerne in der Nähe der oder direkt an den Septen.
Folgende Arten wurden von „K-K“ untersucht (++ - starke K-K-Reaktion, teils auch in anderen Fruchtkörperbereichen als der Sollbruchstelle, selbst im Velum; + erkennbare Reaktion; - keine Reaktion):
Amanita gemmata ++
Amanita muscaria ++
Amanita pantherina ++
Amanita regalis ++
Amanita ceasarea +
Amanita beckeri +
Amanita crocea +
Amanita friabilis +
Amanita fulva -
Amanita inaurata +
Amanita mairei -
Amanita umbrinolutea -
Amanita vaginata -
Amanita spissa -
Amanita rubescens -
Amanita strobiliformis -
Amanita vittadinii -
Amanita citrina -
Amanita phalloides -
Amanita porphyrea -
Amanita virosa -
Amanita ovoidea -Es fällt auf, dass nur die Fliegenpilzverwandtschaft, der Kaiserling und manche Scheidenstreiflinge reagieren. Es ist aber nicht klar, was genau hier
Amanita mairei, Amanita vaginata, Amanita umbrinolutea sind – 1982 wurden die Arten teils anders als heute definiert (und auch heute ist vieles unklar bei den Streiflingen).
Neville P & Poumarat S (2009) greifen die K-K-Reaktion auf und verwenden sie, um innerhalb der Streiflinge Arten zu unterscheiden.
So ist
Amanita ochraceomaculata K-K-negativ, während die sehr ähnliche
Amanita betulae K-K-positiv reagiert (und durch weitere, dezente Merkmale wie etwas gefärbte Lamellenschneiden, eine etwas festere Volva, Mykorrhiza mit
Betula statt
Picea usw. unterschieden ist).
Ich liste noch die Arten, die Neville & Poumarat (2009)untersuchten, hier auf:
Amanita avellanea -
Amanita battarae -
Amanita betulae +
Amanita coryli +
Amanita fulvoides -
Amanita malleata (Bon) Contu -
Amanita ochraceomaculata -
Amanita pachyvolvata -
Amanita pini (=
Amanita vaginata var.
roseilamellata) +
Amanita schaefferi (=
Amanita badia s.str.?!) +
Amanita simulans +/(+)
Amanita subfuliginosa (+)? – Material war zu schlecht erhalten, obwohl sie die Art neu beschrieben… nun gut – laut Vizzini et al. 2016 vermutlich ein Synonym von
Amanita simulansAmanita umbrinolutea +
Ich selber habe die Reaktion aus Neugierde bei
Amanita regalis frisch geprüft und fand sie sehr deutlich ausgeprägt, also nicht zu übersehen. Genauso war es beim Fliegenpilz. Bei
Amanita ochraceomaculata hingegen habe ich auch noch nie irgendeine Reaktion gesehen. Interessant ist, dass
Amanita umbrinolutea s.str. im Gegensatz zu
A. battarae positiv reagiert, was bedeuten würde, dass in der Originalstudie von K-K eben
Amanita battarae und nicht
Amanita umbrinolutea s.str. untersucht wurde. Damals wurde hier aber nicht aufgetrennt.
Amanita malleata ist ein Interpretationsproblem, weshalb ich die Autoren mit genannt habe. Hier geht es um den Komplex rund um
Amanita lividopallescens in diversen Sinngebungen. Hier fährt jeder ein anderes Konzept – ist jedenfalls mein Eindruck. Die Untersuchung fand am Typus statt, egal, womit man den Namen auch synonymisieren mag. Vizzini et al. (2016) haben Amanita lividopallescens neu emendeiert und fahren ein weites Konzept.
Amanita malleata (Bon) Contu ist trotzdem eigenständig – auch genetisch betrachtet.
Nicht ganz verstehe ich, dass Fraiture & De Beuckeleer (2014) die Reaktion bei ihrer Beschreibung von
Amanita simulans aus Belgien nicht geprüft haben. Schließlich hatte Fraiture eng mit Neville & Poumarat zusammengearbeitet.
Ich bin eigentlich nur über die Lektüre von Neveille & Poumarat (2009) über diese Reaktion gestolpert. Interessant ist, dass gerade die Arten mit amyloiden Sporen nicht im Fleisch amyloid reagieren (nur Amanita friabilis soll teils schwach amyloide Sporen besitzen).
Man kann die Reaktion auch am Herbarbeleg testen. Vielleicht wäre das ja mal eine Aufgabe für den Winter. Tulloss nutzt die Reaktion nicht, findet sie aber interessant und überprüfensweret (z. B. auf seiner Homepage amanitaceae.org) bzw. hier:
http://www.amanitaceae.org/content/uploaded/pdf/phenoxfm.pdfIch weiß nicht, wer die K-K-Reaktion selbst schon getestet hat. Ich empfehle, sich das einfach mal z.B. bei einem Fliegenpilz selbst anzuschauen, um die Reaktion klar und deutlich zu sehen und sich dann auch ins "unbekannte Land" der Scheidenstreiflinge zu wagen.

Liebe Grüße,
Christoph
Hier noch die zitierte Literatur:
Fraiture A, De Beuckeleer H (2014):
Amanita simulans, a species little known in Belgium. Steerbeeckia 33: 3-8.
Kotilová-Kubicková L (1982): Occurence of amyloid substance in the plasma in hyphae of basidiocarps of some
Amanita species (Agaricales). Ceska Mykol. 36(2): 114-117.
Neville P, Poumarat S (2009): Quelques espèces nouvelles ou mal délimitées d’
Amanita de la sous-section
Vaginatinae. Fungi non delineati LI-LII.
Vizzini A, Zotti M, Traverso M, Ercole E, Moreau P-A, Kibby G, Consiglio G, Cullington P, Ardon P, Moingeon J-M, Peintner U (2016): Variability, host range, delimitation and neotypification of
Amanita simulans (
Amanita section
Vaginatae): collections associated with
Helianthemum grasslands, and epitypification of
A. lividopallescens. Phytotaxa 280(1): 1–22.