Megacollybia marginata - eine zweite Megacollybia in Europa!

Begonnen von Christoph, 9. Juni 2019, 19:06

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Christoph

Servus Josef,

ich gehe davon aus, dass Megacollybia marginata bei uns recht weit verbreitet ist. Die Frage ist nur, ob die dunklen Schneiden als Erkennungsmerkmal ausreichen, sprich ob nicht auch Megacollybia platyphylla dunkle Schneiden haben kann.

Zudem ist nicht klar, wieweit die Hutfarbe bei M. marginata variiert, ob sie also immer deutliche Brauntöne zeigen bzw. ob nicht auch M. platyphylla am Hut Brauntöne zeigt.

In solchen Fällen könnten Amateure der universitären Mykologie helfen - es müssten "nur" Freiwillige Megacollybien sammeln, sehr gut dokumentieren (auch anatomisch mal alles durchchecken - anhand einer einheitlichen Merkmalslictse) und dann ein Geldgeber (z. B. ein bundesweit agierender Verein, der Geldmittel zur Verfügung hat) die Sequenzierung der gesammelten Proben bezahlen.

Würden sagen wir mal 100 Kollektionen (50 mit und 50 ohne gefärbte Schneiden, davon jeweils sagen wir mal 25 mit und 25 ohne dunkelbraunen Hut) sequenziert werden, wären das ca. 3000 Euro. Danach wäre dieses Problem geklärt, da eine Korrelation zwischen Trennmerkmalen und DNA-Sequenz festgestellt würde oder es würde sich zeigen, dass wirklich nichts außer der Sequenzierung greift, das Problem also nicht gelöst werden kann.

Das größte Problem dürfte der Geldgeber für sowas sein. Wenn die Leute, die die Funde dokumentieren und durchmikroskopieren, reine Amateure sind, könnte sowas vielleicht auch über Citizen Science-Töpfe kofinanziert werden.

Aber ohne Sponsor wird sowas nicht klappen. Leider ist die BMG zu klein dafür. Und ob größere Vereine Interesse haben, sowas zu fördern, weiß ich natürlich nicht.

Auf alle Fälle lohnt es sich aber, solche Funde auch ohne konkretes Projekt zu dokumentieren und zu belegen, denn vielleicht werden in der Zukunft solche Beleg ja gebraucht - z. B. zur Sequenzierung. Vielleicht setzt ja auch mal eine Uni einen Studenten an die Sequenzierung ran, der dann solche Belege bräuchte.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Josef

Habe heute im Allgüu eine Megacollybia mit schwarzer Lamellenschneide gefunden.
Der Frk. wird gerade getrocknet.
Beste Grüße, josef

Christoph

Lieber beli,

eine rein weiße Megacollybia, also ein Albino, habe ich bisher auch nicht gesehen. Hatte der Pilz auch die typischen, dicken, auffälligen Rhizomorphen und den extrem zähen Hartgummistiel?

Sieht interessant aus - vielen Dank für's Vorzeigen!

Liebe Grüße,
Christoph
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beli

Hallo

Ein Interessantes über Megacollybia  Beitrag .

Ich habe in Anfang May 2015 nähe Waging a S an ca 500 m ü NHN in ein Mischwald ( dominiert alte dicke Buche aber auch gibt etwas Fichte und andere Bäume ) Interessante Pilze gefunden . Es war 4 Exemplaren , 2 etwas ältere (nicht alte) und 2 Jüngere . alle in ca 1 bis 2 Quadratmeter . Hab gemeint das um Megacollybia sp , platyphylla gehet aber weiße Form (Albino ?) . Hab leider Wurzeln nicht nachschauen .
Gibt Albino (weiße) Form ?? Was kann das für Pilze sein ?
LG beli !

Peter

#7
Guten Abend Zusammen,

wie heisst es doch so schön? "Wissenschaft ist der aktuelle Stand der Unkenntnis" ;D ;D

Der Beleg von Christoph schlummert noch im Labor in Wien, da kam eine Woche vor der geplanten Bearbeitung ein Virus dazwischen.

Ich habe letztes Jahr nach dem Beitrag von Christoph einige Dutzend Breitblattrüblinge in Bayern angesehen. Mal hatten sie gefärbte Schneiden, mal nicht, mal viel, mal wenig. Mal waren die Hüte grau, mal braun, mal feucht, mal trocken, mal rissig, mal glatt.

Ich stelle hier mal ein paar Bilder von vermeintlichen "marginatas" ein, die auf die makroskopischen "Trennmerkmale" Bezug nehmen.

Bild 1 zeigt den vermeintlichen Deutsch-Bayerischen Erstfund aus dem NP Bayerischer Wald :o :o

Bild 2 + 3 eine Kollektion aus dem Allgäu, die ein bisschen gefärbte Schneiden hat, an 90 % der Schneiden aber ungefärbt ist.

Bild 4 zeigt deutlich graue Hüte einer Kollektion mit gefärbten Schneiden.

Dieses Jahr kann ich gleich zu Saisonbeginn auf die Variationsbreite achten und wenn es die Zeit zulässt, auch mal Übergangsformen zum Sequenzieren sammeln.


Beste Grüße, Peter
"Seit Millionen Jahren haben unzählige Organismen auf unserer Erde gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben. Es gibt nur eine Ausnahme: Der Mensch."

Christoph

Servus beinand,

es gibt ein erfreuliches und spannendes Update. Ich hatte ja schon die Fotos aus dem BayerWald hier im Thread gezeigt. Zudem hatte ich bereits den Fund aus Vorarlberg von uschi Österle erwähnt (siehe einen Betrag weiter unten).

Uschi hatte den Beleg ja nach Wien zu Irmgard geschickt, die ihn sequenziert hat - und siehe da, es ist wirklich Megacollybia marginata! Die Sequenzdaten waren eindeutig. Uschi hat den Fund mit Foto im Funga-Austria-Forum vorgestellt: https://www.funga-austria.at/viewtopic.php?f=10&t=432

Mein Fund aus dem Bayerwald soll ja auch in Wien sequenziert werden (im Rahmen des Böhmerwaldprojekts). Das österreichische Barcoding-Projekt war aber schneller. Daher weiß ich noch nicht, was das aus dem BayerWald am Ende war.

Man sollte allerdings in der Tat auf die Hutfarbe achten - eine neuere Publikation behandelt Funde von Megacollybia marginata aus Südkorea. Und dort wird darauf hingewiesen, dass der Hut von M. marginata in der Tat brauner sei als der von M. platyphylla:

Chang Sun Kim, Jong Won Jo, Young-Nam Kwag, Jae-Gu Han, Bhushan Shrestha (2014): Taxonomic Re-evaluation of Megacollybia Species in Korea. Mycobiology 42(1): 22–26

Das wäre dann wirklich ein zweiter Hinweis. Und in Bezug auf die beiden Funde aus dem BayerWald und aus Vorarlberg stimmt es ja, dass beide auffällig braunlastig waren, was die Hutfarbe angeht.

Wenn es dann losgeht, achtet einfach mal verstärkt auf die dunkelschneidigen Breitblätter.

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

Liebe Irmgard,

das ist in der Tat eine schöne Kollektion! Mittlerweile habe ich im Bayerischen Wald bei einer Exkursion des Pilzkundlichen Vereins Vorarlberg ebenfalls eine dunkelschneidige Megacollybia aufsammeln können. Leider ist der Fruchtkörper schon etwas mitgenommen, aber die Lamellen waren nicht eingetrocknet:





Auffällig war der Hut, der doch ziemlich braunstichig und nicht so normal grau gefärbt ist. Uschi Österle (die Obfrau des Vereins) hat danach auch in Vorarlberg eine entsprechende Kollektion machen können.

Gut, du weißt das ja eh alles schon - ich schreibe mehr für die Allgemeinheit  ;). Schließlich landen die beiden Belege (BayerWald und Voralrberg) eh bei dir für die Sequenzierung.

Ich bin sehr gespannt, was dabei raus kommt. Sind die beiden Funde doch "nur" Megacollybia platyphylla s.str., dann weiß man zumindest, dass man M. marginata nicht makroskopisch bzw. klassisch unterscheiden kann. Sind aber beide doch M. marginata, so würde das Merkmal der gefärbten Schneiden untermauert werden. Also ganz gleich, was rauskommt, es wird was rauskommen.

Von dem Pilz auf Pilzfinder gibt es vermutlich keinen Beleg?!

Heutzutage sind selbst banale Pilze nicht mehr banal. Spannend!

Liebe Grüße,
Christoph
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Irmi

Lieber Christoph und Helmut,

Im Rahmen eines Kurses im Jahr 2008 mit Walter Pätzold hat Matthäus Koncilja diese Megacollybia schon einmal gesehen: https://www.spotteron.com/pilzfinder/spots/144864
Die deutlich braunen Schneiden sind eindrucksvoll.
LG
Irmgard

Christoph

Servus Helmut,

schade, dass du keinen Beleg gemacht hast... Soweit ich das aber verstanden habe, sind die Schneiden von Megacollybia marginata richtig deutlich abgesetzt, fast schwarz. Auf deinem Foto sieht es mehr dezent bräunlich aus. Ich selber kenne die neu beschriebene Art aber (logischerweise) nicht aus eigener Anschauung. Jedenfalls wären solche Kollektionen sehr überprüfenswert (Sequenz...). Und vielleicht haben ja die Autoren der Studie interesse an weiteren, europäischen Kollektionen.

Deshalb auch mein Aufruf, drauf zu achten und entsprechende Kollektionen zu dokumentieren und zu trocknen  ;)

Liebe Grüße,
Christoph
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Helmut

Servus Christoph,

habe mal meine Fotos angeschaut - da sind öfter dunkle Lamellenschneiden dabei. Ein Beispiel im Anhang. Allerdings habe ich von solch scheinbar profanen Arten bisher keine Belege angefertigt.

Gruß Helmut

Christoph

Servus beinand,

es ist in der Fungal Biology ein brandneuer Artikel erschienen, der die Gattung Clitocybula ausführlich behandelt. Im Rahmen dieser Studie wurde einerseits bestätigt, dass die Gattung Megacollybia genetisch gut von Clitocybula abgegrenzt ist - somit wird die Gattungsmonographie von Hughes et al. (2007) bestätigt - dort wurde auch klar von einer eigenen Gattung ausgegangen... und andererseits wurde eine von Hughes et al. (2007) neu beschriebene Art in Tschechien nachgewiesen: Megacollybia marginata.

Die Abtrennung von Megacollybia platyphylla ist etwas tricky - im Moment ist es eben die Genetik und die schwarze Lamellenschneide von M. marginata (im Mikroskop sieht man braun gefüllte Cheilocystiden). Wie konstant das Merkmal ist, ist noch unklar mangels genügender Kollektionen.

Ergo:
Bitte achtet mal drauf, ob ihr Breitblattrüblinge mit dunklen Schneiden findet. Und falls ja - unbedingt einen Beleg machen... Per Sequenz kann man ja nachträglich nachbestimmen. Vielleicht findet sich da eine Möglichkeit.

Hier das Literatuzitat:

Vladimír Antonín, Jan Borovicka, Jan Holec, Andrej Piltaved, Miroslav Kolarík (2019): Taxonomic update of Clitocybula sensu lato with a new generic classification. Fungal Biology 123: 431-447. doi.org/10.1016/j.funbio.2019.03.004

Liebe Grüße,
Christoph
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