Sistotremastrum suecicum

Begonnen von Gernot, 6. Februar 2018, 13:58

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Christoph

Servus beinand,

dass es mittlerweile das Werkzeug der Sequenzierung (auch für Amatuere erschwinglich) gibt, ist auch hier extrem hilfreich. So kann man beispielsweise, wenn man eine Kollektion hat, die wirklich beispielsweise Sistotremastrum guttuliferum entspricht, überprüfen, ob das wirklich plausibel ist.

Natürlich macht man das nicht bei jedem Fund, aber man kann es prinzipiell abklären. Und dann kann man auch die anatomischen Merkmale besser werten und anwenden, anhand derer man dann weiterhin z. B. bei der Kartierung vorgeht, um die jeweilige Art zu bestimmen.

Auch kann so überprüft werden, inwieweit sog. Exoten wie aus Chile auch bei uns vorkommen. Und nein, so abwegig ist das gar nicht. Man denke an Phlebia nothofagi - Holzpilzfreunden sicher ein Begriff (der Geruch allein ist einzigartig). Nothofagus, die Südbuche, kommt nur auf der Südhalbkugel vor, die Art aber bei uns in Buchenwäldern.

Ich selber hatte früher auch nicht so auf Öltröpfchen geachtet, da ich Cortis meist am Trpckenmaterial bestimmt hatte und nur die in meiner "Freizeit" gesammelten auch frisch anschauen konnte. Es kann gut sein, dass man, wenn man das "echte" S. guttuliferum (oder S. chilensis) gesehen hat, das eben anders aussieht wie die Öltröpfchen, die man offenbar bei S. niveocremeum beobachten kann. Das ist aber pure Spekulation. Am besten geht man klassich vor - man dokumentiert Sistotremastrum-Funde, sammelt erstmal Daten im Abgleich mit dem Wissenszuwachs über die Telleria-Arbeiten und schaut dann weiter - vielleicht dann auch mal sequenzieren.

ZitatFE12 kennt immerhin noch lateclavigerum als dritte Art (mit Zystiden).

Das mit den "zwei Arten" vs. "vier Arten" meinte ich auch in Bezug auf die zystidenlosen, denn S. lateclavigerum fällt ja wegen der Cystiden eh weg (wobei ich diese Art nicht aus eigener Anschauung kenne).

ZitatIch werde jedenfalls versuchen, zukünftige Aufsammlungen aus diesem Komplex wieder zu dokumentieren und hier zur Diskussion zu stellen.

Das würde mich sehr freuen und ich bin auch neugierig. Eine vermeintlich geklärte, "langweilige" (weil artenarme) Gattung wird wieder richtig spannend.  :)

(und was die Zitate etc. angeht - immer gerne)

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Gernot

Hallo zusammen,

ich stimme Pablo zu, in dieser Gruppe würden sich sicher weitere ausführliche morphologische und genetische Untersuchungen lohnen. Aus derzeitiger Sicht ist die tatsächliche Variabilität der Arten anscheinend unglaublich schwer einzuschätzen. Bei dem im verlinkten Thread gezeigten Foto GT 11009 von Gérard Trichies bin ich natürlich auch skeptisch... Ich werde jedenfalls versuchen, zukünftige Aufsammlungen aus diesem Komplex wieder zu dokumentieren und hier zur Diskussion zu stellen.

Christoph, vielen Dank auch nochmals für die Literaturzitate und die direkt eingebundenen Illustrationen!

Schöne Grüße
Gernot

PS: Mit so einem intermediären Thanatephorus fusisporus/ochraceus/brevisporus hatte ich vor einiger Zeit auch schon einmal zu kämpfen...

Beorn

Hallo, Christoph & Gernot!

Momentan denke ich ernsthaft darüber nach, mein Verständnis von S. niveocremeum zu revidieren: Das ist wohl zu breit.
Ob ein "Chilenischer Scheinschütterzahn" in Europa vorkommt, ist zwar fraglich, aber S. guttuliferum wäre ja ebenso möglich wie eine weitere, noch nicht definierte Art.

Nach wie vor bin ich bei einigen Kriterien skeptisch, als da wären die Öltröpfchen in den Hyphen (was meiner ansicht nach wohl alle Arten der Gattung können - nur vermutlich eben nicht konstant) und die Größe der Basidien: Die scheint stark zu streuen innerhalb einzelner Kollektionen. Wenn man dem Link von drei Beiträgen zuvor nochmal folgt und hochscrollt bis zur ersten im Portrait gezeigten Kollektion: Das müsste - ausgehend von den Sporenwerten (dort tatsächlich um 6-8 x 2,5-3 µm) - die typischste und eindeutigste "niveocremeum s.str." sein. Übrigens mit teilweise ellenlangen Basidien, von denen ich zwar keine Maße notiert habe, die aber locker über 30µm lang sein müssten.

am Rande: In CoNE wird nach der Sporenlänge zwischen niveocremeum und suecicum getrennt. Im Text sind die Breiten dann aber auch sehr unterschiedlich angegeben, bei suecicum mit 1,5-2 (wie ja auch im unten verlinkten Artikel).
In FE12 wird im Schlüssel die komplette Sporengröße abgefragt, die Sporenbreite von suecicum wird dort mit maximal 2,5µm angegeben.
FE12 kennt immerhin noch lateclavigerum als dritte Art (mit Zystiden).
Die Frage ist nur: Wenn man für suecicum auch Sporenbreiten bis 3µm akzeptiert (siehe bei den italiensichen Kollekgen diskutierte Kollektion, danke für den Link, Gernot), was macht man dann bei Kollektionen, wo sich die Sporenbreiten um 5-6,5 x 2-3 oder meinetwegen auch 5,5-7 x 2-3 bewegen (so nämlich auch schon gesehen und analog zum Fund bei naturamediterraneo)?

Das könnte in der Tat so eine Sache sein, wie zB auch mit dem Thanatephorus-fusisporus-ochraceus-Problem. Dort macht die Trennung der beiden Arten ja auch erst in dem Moment Sinn, wo man für die "intermediären" Kollektionen eine dritte Art (Thanatephorus brevisporus) akzeptiert.

Das wäre eigentlich eine schöne Aufgabe, dieses Problem mal bezogen auf den Europäischen Raum zu untersuchen. Dann müssste man halt mal eine Reihe Kollektionen einsammeln, ausführlich untersuchen (auch mit Fokus auf Tröpfchen, Hyphencharakteristika, Basidiengröße, Substrat/Ökologie) und sequenzieren. Wenn es tatsächlich darauf hinausliefe, daß sich nur anhand der Sporen eine Trennng festmachen ließe, bräuchte man ja auf jeden Fall die Genetik als weiteres Merkmal, um das möglichst solide zu untermauern und die Variationsspielräume der einzelnen Arten nachvollziehen zu können.


LG, Pablo.

Christoph

Noch ein Nachtrag - vorhin war ich etwas in Eile. Ich habe jetzt den Thread in dem italienischen Forum genauer angesehen. Die Kollektion GT 11009, die von Gérard Trichies vorgestellt wird, hat variable Sporen, darunter auch allantoide, mal ellipsoide und ein paar zylindrische. Und mit einer Breite von bis 3,5(-3,8) µm sind sie deutlich zu breit. Da würde ich gerne mal die tiefere Trama sehen, ob die Hyphen da kurzzellig sind (wg. S. guttuliferum).

Wie gesagt - damals ging man von weltweit zwei Arten aus und nicht von vier. Zum Glück kann man im Notfall die ITS sequenzieren, um sicher zu gehen - falls mal wieder so ein Sistotremastrum außerhalb der Kanaren bzw. von Madeira gefunden werden sollte.

Liebe Grüße,
Christoph

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Christoph

#7
Servus Gernot,

bei Kollektionen aus dem Mittelmeerraum muss man vorsichtig sein, wenn die Sporen (wie im von dir zitierten Forum) zu breit für ein normales Sistotremastrum suecicum ist.

Sistotremastrum guttuliferum ist ja aus Makaronesien beschrieben worden, also fast schon Mittelmeerraum - und erst 2012, also noch nicht weitreichend bekannt: Telleria et al.(2012): Sistotremastrum guttuliferum: a new species from the Macaronesian islands. Mycol. Progress DOI 10.1007/s11557-012-0876-0

Ich zeige aus Telleria et al. (2012) und Telleria et al. (2014) jeweils eine Abbildung. Die Sporenform ist wichtig - wenn die nicht deutlich zylindrisch ist, wäre ich vorsichtig (bei dir ist die Sporenform ja ideal und genau richtig - und ich nehme mal an, wenn ich die Fotos anschaue, dass sie keine 3 µm an Breite erreichen).


Sistotrema guttuliferum (aus Telleria et al. 2012)


Sistotrema chilensis (aus Telleria et al. 2014)

Liebe Grüße,
Christoph
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Gernot

Servus, Christoph & Pablo,

es freut mich, dass sich so eine interessante Diskussion zu meinem Beitrag entwickelt hat. :)

-) Unterschiede zu S. niveocremeum: Meine Erfahrung mit diesen Pilzen hält sich durchaus noch in Grenzen, weshalb ich es kaum wage, von weiteren Unterschieden zwischen S. suecicum und S. niveocremeum zu berichten. Meine bisherigen Aufsammlungen von letzterer Art waren jedenfalls aufgrund der Sporenmaße leicht zu bestimmen, so auch die vorliegende Kollektion von S. suecicum (von den "exotischen" Arten abgesehen...).

Ein durchaus auffälliges Merkmal waren jedoch die ziemlich langen Basidien, die beim Frischmaterial in Wasser bis 40 µm (und zum Teil noch mehr) erreicht haben! Dies ist mir bei meinen Aufsammlungen von S. niveocremeum nicht aufgefallen aber es kann natürlich sein, dass ich darauf einfach nicht geachtet habe oder dass dieses Merkmal grundsätzlich sehr variabel ist (das erscheint mir wahrscheinlich). In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf folgenden Thread hinweisen: https://www.naturamediterraneo.com/forum/topic.asp?TOPIC_ID=178456. Die dort diskutierte Aufsammlung stammt ebenfalls von Laubholz und weist auch diese extrem langen Basidien auf, die aber bei erneuter Messung dann deutlich kleiner ausfielen. Insgesamt scheint mein Material mit dem dort diskutierten ganz gut übereinzustimmen.

-) Basidien: Ja, diese einfallenden Sterigmen konnte ich zum Teil beobachten.

-) Öltropfen in den Hyphen: Das ist interessant, denn ich hab an dem Tag neben S. suecicum noch ein Sistotrema (zeige ich später) mikroskopiert und bei einem dieser Pilze sind mir tatsächlich diese zahlreichen Öltropfen aufgefallen. Leider habe ich mir das nicht notiert und auch nicht entsprechend fotografisch dokumentiert. Nachdem Pablo schreibt, er hätte das schon oft bei S. niveocremeum beobachtet, denke ich mal, dass die Öltropfen vermutlich bei der hier diskutierten Kollektion vorhanden waren. Ich müsste das am nun getrockneten Material nochmals überprüfen. Allerdings bin ich auch ein wenig skeptisch, ob das wirklich so ein gutes Merkmal ist...

Schöne Grüße
Gernot

Christoph

Servus Pablo,

ja, sie haben einen ITS-Stammbaum. Ich füge ihn hier ein (aus Telleria et al. 2014 - siehe unten).

Ich schicke dir einfach mal den Artikel per Mail, dann kannst du selbst vergleichen. Die Sporen von S. chilensis sind breiter als von S. suecicum - ich hatte mich mit den Maßen nur auf die Länge bezogen, da Gernot nur die Länge angegeben hat. Sie entsprechen in den Maßen dem, was du angibst. Schau mal selbst den Artikel durch - du hast ja mikroskopiert und kannst besser vergleichen als ich per Fotos (aus dem verlinkten Thread). Wer weiß, vielleicht kommt S. chilensis auch hierzulande vor?!  ;)

Ach ja, hier der Stammbaum:



Liebe Grüße,
Christoph
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Beorn

Hallo, Christoph!

Das ist schon mal sehr interessant, danke!
Funde hatte ich bisher nur an Laubholz, allerdings mit teils schon innerhalb einer Kollektion sehr variablen Basidien. Allerdings nicht "regelmäßig" bei Überreife an der Spitze eingefallen, jedenfalls sehe ich das nur vereinzelt auf meinen Bildern.
Allerdings: Öltropfen in den Hyphen in Subhymenium und Subikulum hatte ich bisher immer und reichlich beobachtet. Nach dem Schlüssel müsste ich also zu guttuliferum und chilensis kommen, aber bei den Kollektionen mit bis zu 8µm langen sporen scheiden die beiden Arten aus.
Einzig >diese Kollektion< (das ist eine von den "kurzsporigen") könnte da noch rein passen. Da müsste ich vielleicht noch mal das Exsikat raussuchen (hoffentlich hab' ich's noch) und Hyphen ausmessen.

Irgendwie bin ich aber skeptisch, was die Öltröpfchen als Schlüsselmerkmal betrifft. Da kann irgendwas nicht stimmen, fürchte ich. Hyphenlänge: Muss ich mir auch noch mal angucken, könnte aber auch variabler sein (innerhalb einzelner Fruchtkörper) alsim verlinkten Schlüssel angenommen.
Die Autoren haben nicht zufällig auch ein ITS - Bäumchen erstellt?


LG, Pablo.

Christoph

#3
Lieber Gernot,

schöner Fund! Ich kenne die Art allerdings nur von Nadelholz (Kiefer, Fichte). An Laubholz habe ich bislang nur Sistotremastrum niveocremeum gefunden (was die Gattung angeht). Danke für's Vorstellen!

Wenn die Basidien absporen, fallen sie typischerweise an der Spitze ein (nicht so oft und deutlich bei S. niveocremeum) - konntest du das beobachten? (auch auf Pablos Antwort bezogen, die während meines Schreibens dazukam). Dafür sind deine gezeigten Basidien wohl noch zu jung?! Ich habe mal aus den Corticiaceae of North Europe vol. 7 die Mikrotafel als Vergleich eingefügt. Da ist dieses sich Einstülpen sehr schön gezeichnet.



Die Basidienform und auch die Sporenform und -größe sind aber klarerweise typisch für S. suecicum. Nur Sistotremastrum chilensis ist abzuklären - abgesehen von untypisch kleinsporiger S. niveocremeum (was ich aber nicht nicht unter der Linse hatte - jedenfalls nicht kleinsporig, aber ich will das nicht ausschließen). Die Sporenmaße sind da ähnlich (bei S. chilensis), aber die Hyphen im Subiculum und der Fruchtkörpertrama sind mit kleinen, auffälligen Öltröpfchen gefüllt.

Für Interessierte füge ich einen Downloadlink zu einem Auszug des Artikels mit der Originalbeschreibung von S. chilensis aus dem Jahr 2014 ein - mit Weltschlüssel für die Gattung Sistotremastrum (deshalb der Link auf den Auszug - denn da fehlt die Artbeschreibung): Telleria TT, Duenas M, Martín MP (2014): Sistotremastrum chilensis (Trechisporales, Basidiomycota), a new species from Chilean Patagonia. Phytotaxa 158 (1): 93-98.
http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.432.5056&rep=rep1&type=pdf

@Gernot: du hast den Artikel sicher... sonst gib mir Bescheid  ;)

Liebe Grüße,
Christoph

P.S.: die vielen Funde aus Brandenburg unterstreichen die Bevorzugung der Kiefer als Substrat:
http://www.pilze-deutschland.de/organismen/sistotremastrum-suecicum-litsch-ex-j-erikss-1958
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
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Beorn

Hallo, Gernot!

Sehr hübscher Fund!
Neben der Sporengröße, könntest du noch irgendwelche anderen Auffälligkeiten im vergleich zu Sistotremastrum niveocremeum beobachten?
Ab und an hatte ich schon relativ undankbare, "kleinsporige" Kollektionen von S. niveocremeum, wo dann die Sporen zwar relativ kurz (bis ~6,5µm), aber immer noch um 3µm breit waren (was S. suecicum ja auch ausschließen würde).
Wenn es nur ein Merkmal zur Trennung gibt, dann auch noch mit einem gewissen Variationsspielraum, bin ich oft so nervtötend misstrauisch. Dann hilft es oft nur, die "andere" Art auch mal gefunden und untersucht zu haben, um vielleicht noch ein paar weitere Anhaltspunkte nachvollziehen zu können, auch wenn die vielleicht ebenfalls nicht ganz konstant sind. Darum die Frage, ob's noch irgendwelche Auffälligkeiten gab.


LG; Pablo.

Gernot

Servus, liebe Rindenpilzfreunde,

die im Titel genannte Art (Sistotremastrum suecicum) kam mir am Wochenende unter. Sie wuchs seitlich bzw. unterhalb an einem morschen, entrindeten, liegenden Laubholz-Stamm. Ich hab die Mikros zu schnellen Tafeln zusammengestückelt; nicht besonders schön aber die Merkmale erkennt man hoffentlich.

Die Art ist anhand der meist 6-sporigen, +- keuligen Basidien und der relativ kleinen (bis ca. 6 µm langen) Sporen ganz gut zu erkennen.







Schöne Grüße
Gernot