Servus Helmut, servus alle hier

ich habe nochmal wegen
Russula nana vs. Russula grisescens ein bisserl nach gelesen. Ich beziehe mich hier auf die beiden Publikationen von Pidlich-Aigner (2007 und 2017): Bemerkenswerte Russula-Funde aus Ostösterreich 4 und 16 (ÖZP 16 und 26).
Das Problem ist: beide Arten grauen am Stiel...
Bislang gab es gar keine Probleme, da in der alpinen Zone bisher nur Russula nana (mit passender Makroskopie) bekannt war, während es von Russula grisescens "da oben" keine Nachweise gab. Das hat sich eben geändert - ich zitiere aus Pidlich-Aigner (2017: 155): "Verwirrend ist die Tatsache, dass die von Marxmüller (2014) dargestellten R. nana-Fruchtkörper auf S. 275 nach den molekulargenetischen Untersuchungen von Hampe & Eberhard (in Marxmüller 2014) R. grsecens zugehörig sind. So erscheint es sinnvoll, dass Sarnari (1998) für den borealen Raum, wo diese beiden Arten gemeinsam auftreten können, die Nähe derbeiden Arten beschrieben hat..."
Ich habe das tolle Werk von Helga Marxmüller nicht persönlich (ich mache ja auch nicht sooo viel mit Russula), aber da kann man das, was Helmut Pidlich-Aigner schreibt, nachlesen / nachprüfen. Jedenfalls gibt es damit einen ersten alpinen Nachweis von Russula grisecens.
Was tun? Man muss genauer hinschauen... nur wie unterscheiden sich die beiden? Russula grisecens beschreibt Pidlich-Aigner (2007) und Russula nana Pidlich-Aigner (2017) - ich vergleiche die beiden Beschreibungen, da die meisten alpinen Russulae vermutlich von uns in Österreich gesammelt werden...
Nehmen wir die
Sporen...
Russula nana: 7,0-10,0 x 6,1-7,7 µm, im Schnitt 8,5 x 6,9 µm
Russula grisescens: 6,5-9,3(-9,8) x 5,7-7,8 µm, im Schnitt 7,9 x 6,7 µm
Viel Unterschied sehe ich da nicht - Russula grisecens scheint tendenziell etwas kleinere Sporen zu haben, aber ob das wirklich ein sicheres Merkmal ist, wage ich doch sehr zu bezweifeln; da sind sie sich schon sehr ähnlich...
Sporenornament:
Russula nana: Protuberanzen bis 0,5 µm hoch, aus Warzen und Stacheln, diese durch Grate und feine Linien teil- bis gesamtnetzig verbunden..."
Russula grisescens: Protuberanzen bis 0,8 µm hoch, bestehend aus vereinzelten isoliert stehenden Stacheln und Warzen, vor allem aber aus feinen Linien und Ausläufern, seltener aus kurzen Graten, oft teilnetzig, aber niemals gesamtnetzig;
Hat man also ein Gesamtnetz, so ist es Russula nana - die muss das aber nicht haben. Einseitige Unterscheidungsmöglichkeit.... die Sporenzeichnung bei Pidlich-Aigner (2007: 29) erscheint mir aber durchaus netzig - nicht ganz so vollständig wie bei den von Pidlich-Aigner (2017: 154) gezeichneten von Russula nana, aber durchaus netzig... Und 0,5 µm hohes Ornament vs. 0,8 µm hohes - hm, an der Auflösungsgrenze - da bin ich auch skeptisch.
Makrochemie - bei beiden im Prinzip gleich, bei Russula grisescens vielleicht langsamer (Eisensulfat: rosa; Gujak blaugrün bis braunoliv; Phenol braun)
Sporenpulver: beide 1a, aber Russula nana getrocknet 1b, Russula grisecens getrocknet deutlich nachdunkelnd, bis 2d!
Das wäre ja was - fragt sich, wie das bei dem Beleg aus Marxmüller (2014) aussah. Helga hatte den Pilz ja auch als Russula nana bestimmt.
Hymenialcystiden:
bei beiden ziemlich gleich, vielleicht bei Russula grisescens einen Tick kleiner.
Pileocystiden: ziemlich gleich
Geschmack:
Russula nana: (fast) mild bis scharf
Russula grisescens: immer (?) scharf
Ökologie:
Russula nana: bei Zwergweiden, alpin
Russula grisescens: "alle Fundstellen auf ausgesprochen saurem Boden, meist im Sphagnum, zumindest aber im Moos bei Picea abies (L), an zwei Stellen auch mit Alnus incana (L.) MOENCH und Betula pendula ROTH, einmal auch Pinus silvestris L., zweimal ohne Angabe von Begleitbäumen." (Pidlich-Aigner 2007: 30)
Man muss das aber mit "auch bei Salix in der alpinen Zone" ergänzen...
Schaut man in den Schlüssel bei Pidlich-Aigner (2017: 131), tauchen die beiden Arten sogarh in unterschiedlichen Series auf - das liegt daran, dass Pidlich-Aigner den "berüchtigten" Schlüssel von Reumaux & Moenne-Loccoz (2003) ins Deutsche übertragen hat ("Les Russules Émétiques").
Entscheidend sei hier die Ökologie:
4a) In montanene Nadelwäldern (Stirps Hydrophila) oder bei Laubbäumen der Ebene und collinen Stufe (Stirps Mairei), mittelgroße bis große Frkp.; Basidien 4-sporig, keulig ................................. Ser. Mairei
4b) Bei Laubbäumen der Ebenen und collinen Stufe, Frkp. klein und gebrechlich; Basidien 4-sporig, normalerweise zylindrisch ............................................. Ser. Ulixis
Russula nana soll in der Series
Ulixis stehen - "Laubbäume der Ebenen und collinen Stufe" - das passt nicht zu hochalpinen Zwergweiden (bis auf "Laubbaum" i.w.S.),
Russula grisecens in der Series
Mairei, Stirps
HydrophilaRussula grisescens kann auch sehr kleine Fruchtkörper ausbilden und das Fleisch ist weich und mürbe (laut Pidlich-Aigner 2007). Aber der Schlüssel stellt ja kein Merkmal der Beschreibungn der Größe und Konsistenz gegenüber - man kann das Merkmal daher nicht anwenden.
Bleiben die Basidien - laut Schlüssel sind sie also bei Russula nana zylindrisch - in der Beschreibung von Pidlich-Aigner (2017: 153) steht "Basidien ... clavat-fusiform"
Kurzum: ich finde, den Schlüssel kann man nicht wirklich verwenden (ich habe das Originalwerk Reumaux & Moenne-Loccoz 2003 - und kann vieles darin nicht nachvollziehen)
Zwei Arten, die sich so sehr ähneln, stehen sicher nicht in unterschiedlichen Series...
Man muss also (auch hier, wie bei so vielen anderen früher einfachen Arten) genauer hinsehen und z.B. den Sporenabdruck prüfen und das Ornament und die Maße der Sporen sehr exakt prüfen - wobei sich zeigen wird, inwiefern das wirklich taugt. Und am Ende wird dann doch fast alles "da oben" Russula nana sein. Genetsich sind es getrennte Arten...
Liebe Grüße,
Christoph