Lactifluus sect. Volemi - die Milchbrätlinge

Begonnen von Christoph, 6. September 2017, 23:12

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Christoph

#6
Servus Helmut,

ich war leider die ganze Woche krank bzw. bin es noch, weshalb ich mich etwas rar gemacht habe. Aber besser spät als nie:
Ich kann keinen makroskopischen Unterschied ausmachen. Ich vermute, dass die nur zerstreut vorkommenden Huthauthaare eben keinen nennenswerten Einfluss auf die Makroskopie machen.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Helmut

Servus Christoph,

oft ist es doch so, dass die Mikroskopie der Huthaut sich auch in makroskopischen Merkmalen niederschlägt. Ist da viellleicht auch ein kleiner Unterschied zu sehen, zumindest mit entsprechender Erfahrung?

Gruß Helmut

Christoph

Servus Peter,

ja, ganz klar Lf. oedematopus. Die breite Haarbasis ist mir auch aufgefallen, weshalb man neben der Länge die Art schon beim ersten Blick ins Mikroskop erkennen kann (finde ich).

In Sachen Ökologie scheint es keine Unterschiede zwischen den Arten zu geben.

Die Kartierungsdaten müssen halt als Lf. volemus agg. verwendet werden. Zusätzlich kann man "s.str.-Karten" machen. Bei Pflanzen ist das schon lange üblich (z.B. bei Rubus). Ich habe das jahrelang angeregt, aber offenbar will man das bei den Mykologen so nicht. Man muss die Daten aber nicht wegwerfen, da auch als Aggregat die Info wichtig sein kann (z.B. wegen Rückgangstendenzen des ganzen Aggregats).

Liebe Grüße,
Christoph
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Peter P.

#3
Hallo in die Runde,
da haben wir hier bisher (seit einigen Wochen) nur Lactifluus oedematopus, längste Haare um die 55 µm, allerdings bis 5 µm breit in Basisnähe. Nicht, daß da gleich wieder eine zu sequenzierende "breithaarige" Art zu erwarten ist. Langhaarige waren noch nicht dabei, es wird wohl auch schwierig werden bei den beiden Arten. Gibt es eigentlich prägnante Unterschiede in der Ökologie und wie wird eigentlich mit den tausenden Funddaten als Lactarius volemus umgegangen ?
Die beiden Lactifluusse "volemus" und "oedematopus" gab's ja schon 'mal 1891 (siehe Synonymliste aus IF), beruhte der Unterschied u.a. auch auf der Haarlänge ?
LG Peter P.

Lactarius ichoratus (Batsch) Fr., Epicr. syst. mycol. (Upsaliae): 345 (1838) [1836-1838]
Lactarius lactifluus (L.) Quél., Enchir. fung. (Paris): 131 (1886)
Lactarius oedematopus (Scop.) Mussat, in Saccardo, Syll. fung. (Abellini) 15: 185 (1901)
Lactarius testaceus (Pers.) Guég., Bull. Soc. mycol. Fr. 24: 259 (1908)
Lactarius volemus f. gracilis R. Heim, Revue Mycol., Paris 27: 143 (1962)
Lactarius volemus (Fr.) Fr., Epicr. syst. mycol. (Upsaliae): 344 (1838) [1836-1838] f. volemus
Lactarius volemus subsp. oedematopus (Scop.) Sacc., Syll. fung. (Abellini) 5: 448 (1897)
Lactarius volemus (Fr.) Fr., Epicr. syst. mycol. (Upsaliae): 344 (1838) [1836-1838] subsp. volemus
Lactarius volemus var. aberrans P. Bouchet, Bull. Trimestriel Féd. Franç. Soc. Sci. Nat. 17: 51 (1959)
Lactarius volemus var. albus Maire, Mém. Soc. Sci. Nat. Maroc. 45: 89 (1937)
Lactarius volemus var. asiaticus Dörfelt, Kiet & A. Berg bis, Feddes Repert. 115(1-2): 169 (2004)
Lactarius volemus var. bourquelotii Boud., (1976)
Lactarius volemus var. euvolemus Maire, Mém. Soc. Sci. Nat. Maroc. 45: 89 (1937)
Lactarius volemus var. flavus Hesler & A.H. Sm., North American Species of Lactarius (Ann Arbor): 165 (1979)
Lactarius volemus var. oedematopus (Scop.) Fr., Epicr. syst. mycol. (Upsaliae): 345 (1838) [1836-1838]
Lactarius volemus var. subrugatus Neuhoff, Pilze Mitteleuropas (Stuttgart): 188 (1956)
Lactarius volemus var. subrugosus Peck, Ann. Rep. N.Y. St. Mus. nat. Hist. 38: 130 (1885)
Lactarius volemus (Fr.) Fr., Epicr. syst. mycol. (Upsaliae): 344 (1838) [1836-1838] var. volemus
Lactifluus ichoratus (Batsch) Kuntze, Revis. gen. pl. (Leipzig) 2: 857 (1891)
Lactifluus oedematopus (Scop.) Kuntze, Revis. gen. pl. (Leipzig) 2: 857 (1891)
Lactifluus volemus (Fr.) Kuntze, Revis. gen. pl. (Leipzig) 2: 857 (1891)
Freiheit ist, das sagen zu dürfen, was andere nicht hören wollen.
Anonymus

blacky

#2
Lieber Christoph,
das ist sehr interessant, auch wenn es die Sache für nicht so Versierte wie mich, deutlich schwerer macht. Aber das hilft ja nichts. Also vielen Dank für deine ausführlichen Darlegungen, vor allem auch die Diskussionen mit den anderen Profis. So etwas würde man ansonsten niemals mitbekommen.
Liebe Grüße.
Thomas
Keine Verzehrfreigaben. Alle Beiträge, Auskünfte und Darlegungen sind unverbindlich.

Christoph

#1
Hallo zusammen,

die Milchbrätlinge wurden kürzlich in drei unterschiedliche Arten aufgetrennt. Vollzogen wurde das von van de Putte et al. (2015): Lactifluus volemus in Europe: three species in one – revealed by a multilocus
genealogical approach, Bayesian species delimitation and morphology. Fungal Biology (2015), doi: 10.1016/j.funbio.2015.08.015


Demzufolge kann man die mitteleuropäischen Brätlinge wie folgt auftrennen:

Es gibt einen Brätling mit kurzen Huthauthaaren - d.h. die Haare sind nur bis maximal 60 µm lang (sie sind bis 3 µm dick, lang, dünn, auffällig; Haarbasis deutlich breiter). Am besten kann man die Huthauthaare in einem Skalpschnitt von oben interpretieren (Gernot erwähnte das bereits in einem anderen Thread). Dieser Brätling heißt Lactifluus oedematopus und ist dadurch problemlos zu bestimmen. Makroskopisch fällt ein oftmals vorhandener, deutlicher Orangeton im Hut auf. Er ist farbenfroh und wird gerne als Brätling in der Literatur abgebildet.

Als Typus für Lactifluus volemus s.str. wählte das Autorenkollektiv einen Brätling mit langen Huthauthaaren (bis über 100 µm lang!). Hierbei trennen sie davon zwei Arten ab: eine blasse Art, die auch gerne eine abgesetzt dunkle Hutmitte zeigt - das ist dann Lactifluus subvolemus, den sie neu beschreiben.
Dunkle, teils fast leberbraune Fruchtkörper sind dann typische Lactifluus volemus s.str.

Alle drei Arten lassen sich genetisch auftrennen.

Im Prinzip sieht es also wie folgt aus:

Helle, blasse Hüte, lange HDS-Haare: Lf. subvolemus
Hut von hell bis dunkel, gerne mit Orangeton, kurze HDS-Haare(!): Lf. oedematopus
Dunkle, düstere Hüte, HDS-Haare lang: Lf. volemus s.str.

Ich habe während der Seminarwoche der ARGE Österr. Pilzberater heuer in Kärnten alle drei in der Hand gehabt und auch mikroskopiert. Die Einteilung war hier gut nachvollziehbar. Ich habe auch mit Irmgard Krisai-Greilhuber darüber diskutiert und haben da ein entsprechendes Artkonzept gemeinsam.

Aber... Ja, aber... van de Putte et al. (2015) weisen explizit darauf hin, dass Lf. volemnus s.str. manchmal untypisch blasse Fruchtkörper hervorbringen kann, die dann nur genetisch von Lf. subvolemus getrennt werden können (es gibt da eine Überschneidung in der Ausprägung), während umgekehrt auch Lf. subvolemus (vor allem jung) so dunkel daherkommen kann, dass das dann sehr nach Lf. volemus s.str,. aussieht.

Ich habe das gestern ausgiebig mit Lothar Krieglsteiner diskutiert, der auch gerade im BayerWald ist. Er vertritt die Ansicht, dass es wohl sehr schwer fallen dürfte, diese beiden immer makroskopisch zu trennen (Lf. volemus vs. Lf. subvolemus), zumal sie offenbar mikroskopisch nicht getrennt werden können (oder wurde nur ein "geniales" Merkmal übersehen / nicht gefunden?).

Was aber klar definiert ist: Lf. oedematopus - es ist wirklich recht simpel: von der Huthaut einen sehr dünnen Skalp mit der Rasierklinge abschneiden, diesen dann sofort in Wasser mikroskopieren. Die beiden HDS-Typen kann man mit mininmaler Übung direkt auf den ersten Block unterscheiden. Ich messe dann aber auch noch aus, um richtige Fakten zu erhalten.

Ich empfehle daher folgenden Weg:
Bitte achtet auf Lf. oedematopus. Der ist dank der Mikroskopie leicht bestimmbar und sollte eigens kartiert werden.
Richtig typische, äußerst blasse, langhaarige Brätlinge können als Lf. subvolemus bestimmt werden. Dunklere müssten dann las Lf. volemus agg. bezeichnet werden.
Typisch dunkle, fast leberbraune Brätlinge mit langen Haaren wäre dann Lf. volemus s.str.

Dass Lf. volemus / Lf. subvolemus wohl nicht immer klar unterschieden werden können, macht z.B. das Kartieren der beiden quasi unmöglich. Notfalls muss man einfach nur zwischen Lf. oedematopus und Lf. volemus s.l. unterscheiden und sich um das "s.l." nicht zu kümmern.

Hier nun die Fotos der drei Arten, die ich in Kärnten machen konnte...


Lactifluus subvolemus - typisch sehr blass, lange HDS-Haare


Lactifluus oedematopus - gut an den kürzeren HDS-Haaren unterscheidbar; gerne mit Orangetönen


Und zu guter letzt der echte Millibratling - dunkler Hut, lange HDS-Haare.

LG
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)