Saftlinge

Begonnen von hans, 12. Februar 2009, 18:53

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Peter

ZitatVielleicht liegt das aber auch daran, dass man im höheren Gras nicht so genau nachschaut *g*

Hallo Jürgen,

danke für den Literaturtipp. Lothar Krieglsteiner hat sich viel in höheren Krautschichten verkrochen. Ich habe es ihm dann gleich getan und mache es noch, mit wachsender Begeisterung. Auch auf den Wiesenpilztagungen von Dr. Oertel wird im hohen Gras gepflügt- mit gutem Erfolg. Die Aussage mancher Pilzler, dass mit der Verfilzung von Beständen die Pilze verschwinden, ist wohl eher auf den aufrechten Gang der Beobachter zurückzuführen. Ich rate hier zu mehr Demut- auf die Knie.

Beste Grüße, Peter



"Seit Millionen Jahren haben unzählige Organismen auf unserer Erde gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben. Es gibt nur eine Ausnahme: Der Mensch."

Der Juergen

#14
Au! Da fällt mir jetzt noch was wichtiges ein, Hans,

einen ziemlich ungewöhnlichen Saftlingsstandort; nämlich zwischen Seegras-Seggen in einem Stieleichen Eschen-Bestand auf teilweise staunassem Boden (über Sand/Schotter). Der Saftling, den ich damals hatte nicht bestimmen können, ist dort standorttreu. Der ist vielleicht in der Ecke C. ceracea oder C. glutinipes einzuordnen. Ein kleiner, schlanker, schleimstieliger, zitronengelber Saftling. Mal sehen, ob ich mich dem diese Saison mal widme.

Grüßle
Juergen

Verbesserung: Das muss natürlich Hygrocybe ceracea und H. glutinipes heißen, nicht mit "C" *g* Da war ich mal wieder gedanklich bei meinen Schleierlingen *g*

Der Juergen

Hallo Peter,

das mit dem bodennahen Mikroklima hatte ich unlängst gelesen (Reichholf J. "Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends") - da gibts noch ein paar andere oder zusätzliche Theorien, die die Artenvielfalt auf nährstoffarmen Standorten erklären. Interessant ist ja die Tatsache, dass auf  einem der nährstoffärmsten Böden, die so ziemlich unerreichbar größte Artenvielfalt herrscht: Auf den ausgelaugten, sandigen Kaolinböden der tropischen Regenwälder.

Meine eigene Beobachtung auf Wacholderheiden ist diese, dass die Artenvielfalt auf kurzrasigen Arealen größer scheint, als im höheren, dichteren Gras. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass man im höheren Gras nicht so genau nachschaut *g* Lichte Wälder mit Seegras-Seggen-Beständen schau ich z.B. nicht mal mit dem A... an:-) Aber weiß man, was da alles fruktifiziert? Ist vielleicht eine ganz interessante Biozönose.

Grüßle
Juergen

hans

Danke Jürgen, die von Dir aufgeführten Zusammenhänge sind tatsächlich +/- klar bzw. nachvollziehbar (danke für den Tip wg. Mikroklima, auch wenn ich nicht sicher bin, ob das ein selektiver Faktor für die Fruchtkörperbildung von Saftlingen ist). Mit "Artenvielfalt hervorbringen" meine ich auch etwas anderes: Unabhängig von unseren geliebten Pilzen besteht das Phänomen hoher Artenvielfalt bei marginalen Umweltbedingungen, und zwar bei Arten, die in anderen Habitaten nicht oder nur selten vorkommen. Man sollte doch meinen, dass ein eingeschränktes Nahrungsangebot auch nur ein eingeschränktess Artenspektrum stützen kann. Das ist wohl häufig auch so, aber bei einzelnen Organismengruppen scheint es entgegengesetzt zu laufen.

Nix Genaues wissen wir also noch nicht. Ich hoffe aber, dass uns Beiträge wie die Deinen und die Ergebnisse aus den Isotopenanalysen weitere Hinweise zu den geheimnisumwitterten Saftlingen liefern können 8)

Servus, Hans

Peter

ZitatGanz in deiner Nähe haben wir im letzten Herbst diese Wiese entdeckt:

Tolle Entdeckung,

macht nur weiter so Rudi, bis wir die Saftlinge wieder von den Roten Listen streichen müssen 8). Dein "Camarophyllopsis" würde mich interessieren, hast du ein Exsikkat?
Die Gattung ist aufgrund der rundzelligen HDS-Struktur leicht kenntlich. Hast du nur das eine Makro geschossen? Würde mich bei der Artenfülle nicht wundern.

Wie ist der Schutzstatus dieses Gebietes? Mit solch einer Artenausstattung bei nur einem Besuch sollte es besonders geschützt werden.

Beste Grüße, Peter
"Seit Millionen Jahren haben unzählige Organismen auf unserer Erde gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben. Es gibt nur eine Ausnahme: Der Mensch."

Peter

ZitatSchon eine ungemähte Wachholderheide kühlt das Mikroklima so ab, dass da die typischen Thermophilen ausbleiben.

Hallo Juergen,

da habe ich andere Erfahrungen. Ich denke es kommt nicht nur auf das Kleinklima, sondern auch auf das Großklima an. Die Goaslweide am Ammersee ist in Teilen auch eine
Wacholderheide, bedingt durch Rinderbeweidung mir sehr unregelmäßigem, also teils auch "ungemäht" hoher Krautschicht. Hier kommen genügend, durch das Seeklima bedingte thermophile Arten, wie Boletus satanas, rodoxanthus uvm. vor.

Dennoch ist deine Beobachtung sehr interessant und sollte mit einem Arteninventar dokumentiert werden.

Grüße, Peter
"Seit Millionen Jahren haben unzählige Organismen auf unserer Erde gelernt, im Einklang mit der Natur zu leben. Es gibt nur eine Ausnahme: Der Mensch."

Der Juergen

Hallo Hans,

Zitat von: hans am 13. Februar 2009, 17:41
Dass nährstoffarme Biotope paradoxerweise (?) zuweilen eine hohe Artenvielfalt hervorbringen, ist in der Ökologie bekannt. Aber meines Wissens nach sind die Mechanismen noch unklar.

Es gibt da ein paar Theorien dazu. Auf mit Stickstoff gut versorgten Böden haben "genügsamere" Arten der Extremstandorte keine Chance, weil sie von den wüchsigeren (zu denen viele kultivierte, also optimierte Arten zählen) verdrängt werden. Auf nährstoffreichen Standorten setzen sich dann diese wenigen, "wüchsigen" Arten schneller durch.

Dann gibt es noch das Mikro- oder Bodenklima. Die mittleren, bodennahen Temperaturen bei wüchsiger Vegetation, sind niedriger! Das bedeutet, dass auf Fettwiesen, Getreidefeldern oder euthrophierten Standorten die richtig thermophilen Arten gar nicht vorkommen können. Schon eine ungemähte Wachholderheide kühlt das Mikroklima so ab, dass da die typischen Thermophilen ausbleiben.

Grüßle
Juergen



hans

Tolle Sache, Rudi, herzlichen Dank! Ich schieb noch ne Frage nach: Wie würdest Du die Witterungsumstände nach Deiner Erfahrung für das Fruktifizieren von Saftlingen zu der Fundzeit und davor einschätzen? Optimal. förderlich, neutral, eher negativ?

Dank & Gruß, Hans

Rudi

Servus Hans,

Ganz in deiner Nähe haben wir im letzten Herbst diese Wiese entdeckt:
http://pilzseite.de/Pilzgalerie/Hygrocybe/Saftlingswiese%20Torhaus%20Aurora/FrameSet.htm
Bisher 18 verschiedene Saftlinge wuchsen da gleichzeitig.
Insbesondere coccinea, virginea und chlorophana standen hier auch dicht an dicht.
Moose waren auch vorhanden- die hab ich aber leider nicht beachtet.
Nächstes Jahr wird das nachgeholt!

LG Rudi
Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

Der Juergen

Hallo Hans,

Zitat von: hans am 13. Februar 2009, 17:29
Hast Du noch Informationen, inwieweit an den Standorten Moose als Begleiter auftraten?

Leider hab ich dazu gar keine Notizen, weil ich bisher Moose als Begleitflora nicht erfasst habe.

Grüßle
Juergen

hans

Grüß Dich Christoph!
Erst mal danke für Deine "unüblichen" Standorte. Auch hier die Frage nach den Moosen.
Zur kleinräumigen Ballung: Bitte kein Missverständnis wg. des "gemeinsamen" Mycels. Ich hatte geschrieben "als ob", war nur zur Verdeutlichung der engen Vergesellschaftung gedacht. Dass nährstoffarme Biotope paradoxerweise (?) zuweilen eine hohe Artenvielfalt hervorbringen, ist in der Ökologie bekannt. Aber meines Wissens nach sind die Mechanismen noch unklar. Deine Symbiosevermutung wird durch die mykorrhizatypische N- bzw. C-Isotopensignatur bei Saftlingen gestützt, ohne dass jemals Symbiosepartner gefunden worden wären. Peter und ich haben Saftlings-Proben einem Forschungsteam in England zur Verfügung gestellt, das sich "unsere" Signaturen anschauen wird. Die Spannung steigt mit jedem Tag 8).
Bis bald, Hans

hans

Danke Jürgen, für Deinen Beitrag! Hast Du noch Informationen, inwieweit an den Standorten Moose als Begleiter auftraten?

Servus, Hans

Christoph

Servus Hans,

Hygrocybe conica wächst gerne in Wäldern auf Waldwegen, in Schotterbereichen, geht auch in Gärten, die gut gedüngt sind.

Hygrocybe cantharellus wächst auch gerne im Wald in Sphagnum-Schlenken, also in bodenfeuchten/nassen, sauren Fichtenwäldern.

Viele Saftlinge wachsen nicht nur im Offenland, sondern auch in Gebüschsäumen, v.A. Schlehengebüschen (Lothar Krieglsteiner hatte hier mal geforscht und einiges interessanets gefunden.

Die Ballung auf kleinem Raum ist m.E. nicht untypisch. Das gibt es auch bei anderen gattungen, selbst im Wald (z.B. bei Ramaria). Ich denke, es besagt, dass hier auf kleinem Raum ideale Bedingungen für Saftlinge herrschen, sodass sie sich zahlreich ansiedeln. Vermutlich leben sie in irgendeiner Symbiose (man kann sie nicht auf Agar anzüchten, keine Chance!) und machen sich nicht so viel Konkurrenz. Deshalb bin ich immer sekptisch, wenn ich höre "zwei Taxa seien aus dem selben Myzel gewachsen". Man kann das genetisch überprüfen. Im Gelände sind solche Aussagen aber mehr geraten als gewusst. Würden nicht rote und gelbe neben weißen Saftlingen wachsen, sondern drei weiße Saftlinge, wäre "bewiesen", dass alle drei dasselbe seien.  ;) Oder doch nicht?

LG
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Der Juergen

Hallo Hans,

so geballt habe ich verschiedene Saftlingsarten noch nicht vorgefunden, aber ich sag Dir mal meine ungewöhnlichen Standorte:

1. Hygrocybe obrussea in einem lichten Buchenwald, oberhalb einer künstlichen Straßenböschung
2. Hygrocybe psittacina in einem lichten Mischwald (Buchen, Eschen, Eichen + versch. Edellaubbäume)
3. Hygrocybe psittacina in hohem Riedgras, Bachaue mit vielen Eschen.
4. Hygrocybe conica in einem lichten Buchenwald, Waldwegrand im Gras.

Grüßle
Juergen

hans

Liebe Mitkartierer,

mich plagt seit letztem Herbst eine Beobachtung auf einer Schafweide bei Amorbach:
Verschiedene Saftlinge erschienen zur gleichen Zeit dicht an dicht am gleichen Ort. Damit meine ich tatsächlich, dass Fruchtkörperaggregate von H. virginea mit coccinea, chlorophana oder mucronella so untermischt waren, als ob sie aus dem gleichen Mycel sprießen würden, teilweise auch als Teil von virginea-Hexenringen (s.a. http://www.pilze-amorbach.de/).

Meine Frage und Bitte. Wer hat solche oder ähnlich auffällige Beobachtungen bei Saftlingen gemacht? Auch würden mich Fundorte von Saftlingen interessieren, die vom Üblichen der Magerwiesen/Weiden abweichen.

Danke und beste Grüße aus dem bayerischen Odenwald, Hans