Fototechnik: Extrem-Makros mit digitaler Fokuserweiterung

Begonnen von AK_CCM, 7. Februar 2009, 10:29

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

AK_CCM

#4
Hallo Pilz- und Fotofreunde,

im ersten Teil meiner Beitragsserie habe ich das Prinzip erläutert, wie man durch digitale Fokuserweiterung Extrem-Makros mit großem Abbildungsmaßstab bei gleichzeitig großer Schärfentiefe erzeugen kann. In diesem Beitrag beschreibe ich, wie man eine Fokusserie eines Motivs als Basis für die digitale Fokuserweiterung erstellt. Zur Übung empfehle ich, mit einem größeren Fotoobjekt zu beginnen – in unserem Beispiel der Dickschalige Kartoffelbovist (Scleroderderma citrina):

Bild 1
Bild 2
Bild 3
Bild 4
Bild 5
Bild 6
Bild 7

Die Bildfolge besteht aus 7 Bildern mit unterschiedlichem Fokus. Entgegen meines ersten Beitrags beginnt die Fokusserie aber nicht erst beim Fruchtkörper selbst sondern ein gutes Stück davor. Dadurch wird später im montierten Bild der gesamte vordere Bereich scharf angezeigt, was dem menschlichen Sehempfinden entspricht. Dagegen würde das montierte Bild unnatürlich wirken, wenn der Vordergrund unscharf abgebildet ist, dahinter der scharfe Fruchtkörper und schließlich der unscharfe Hintergrund folgen. Nachbearbeitet und geschnitten kommt das dabei heraus:



Grundsätzlich gilt: Je kleiner das Fotoobjekt und je offener die Blende, desto mehr Einzelbilder werden für die Montage benötigt. Umfasst die Fokusserie zu wenige Fotos, unterbrechen später auf dem montierten Bild unscharfe Bereiche das ansonsten scharfe Motiv. Um die optimale Menge an Einzelbildern herauszufinden gilt: ,,Versuch macht kluch."

Bei Extrem-Makros umfasst eine Bildfolge bisweilen 30 Bilder und mehr. Daraus resultiert jedoch ein neues Problem: Der Fokus zwischen den einzelnen Fotos lässt sich über die Kamera nicht fein und gleichmäßig genug justieren. An dieser Stelle wird weiteres Zubehör notwendig: ein Einstell-/ Makroschlitten. Dabei handelt es sich um ein Schienensystem, mit dem die Kamera in Millimeterschritten und feiner zum Objekt bewegt wird. Hierzu befinden sich Rändelräder am Schlitten, über die sich mit Drehbewegungen die Position der auf dem Schienensystem befestigten Kamera verändern lässt. Wer die Kamera über 2 Achsen bewegen will, braucht einen Kreuzschlitten.


Bild: Einstellschlitten Novoflex Castel-Q (links) und Kreuzschlitten Novoflex Castel-Cross-Q

Zur Creme de la Creme zählen die Schlitten von Novoflex. Die Firma sitzt in Memmingen im Allgäu und genießt den Ruf, besonders präzise und langlebige Geräte herzustellen. Doch das lässt sich Novoflex auch etwas kosten: Der Castel-Q kostet zwischen 170 und 200 Euro, der Castel-Cross-Q schlägt sogar mit 350 bis 370 Euro zu Buche.

Wem die Abstufung zwischen den Einzelbildern selbst mit einem Einstellschlitten nicht fein genug ist, sollte sich die Adaption von Prof. Dr. Ulrich Kirschbaum ansehen:



Der Flechtenspezialist nutzt einen Einstellschlitten zur Grobfokussierung und ein Mikroskopstativ zur Feinjustage des Fokus'. Die Details der Kameraadaption sind direkt in der Grafik ersichtlich. Mit den extrem fein abgestuften Einzelbildern lassen sich fantastische DFF-Bilder montieren, beispielsweise:


Extrem-Makro der Blutaugenflechte (Ophioparma ventosa)

Insbesondere für die Ascomyceten-Freunde unter den Pilzkundlern dürfte diese Methode lohnenswert sein, da die Größe der Fruchtkörper oftmals im Millimeterbereich liegt.

Viel Spaß beim Fotografieren

Gruß, Andreas

Der Juergen

#3
Hallo Andreas,

Vielleicht wäre es gut, noch zu erwähnen, dass diese Technik auch "stacken" genannt wird, dann hat man alle Termini beisammen.

Grüßle
Juergen

p.s.: Naja, DIESEN Andreas Kuntze finde ich jetzt nicht so prickelnd; da gibts einen, der viel bessere Portraits macht ... ohne Stacken *g*

Marco

Hallo Andreas,

Bei mir liegt der Einstellschlitten einsatzbereit im Fotorucksack und CombineZ auf dem Rechner. Einen Einstellschlitten sollte man laut einigen DFF-erfahrenen Fotografen schon benutzen. Damit soll man eine größere Präzision erreichen.

Hatte jedoch noch keine Gelegenheit, DFF-Aufnahmen auszuprobieren. Das werde ich aber bald mal machen und dann hier ggf. Ergebnisse zeigen.

Beste Grüße,
Marco

AK_CCM

#1
Hallo Pilz- und Fotofreunde,

wer schon einmal kleine Pilze mit seiner Kamera abgelichtet hat, kennt das Problem mit dem niedrigen Schärfebereich: Lichtet man beispielsweise einen Becherling ab, ist vielleicht der vordere Becherrand scharf aufgenommen, während der hintere Rand verschwommen angezeigt wird. Oder der hintere Becherrand glänzt mit knackiger Schärfe, dafür liegt der vordere Rand außerhalb des Schärfebereichs. Wie gelingen jetzt Bilder, die den Fruchtkörper vollständig scharf abbilden?

Klar: Einfach die Kamera ein Stück zurücksetzen, denn mit zunehmendem Motivabstand vergrößert sich auch der Schärfebereich. Nachteil: Dadurch verkleinert sich der Abbildungsmaßstab. Weiter kann der Fotograf die Blende bis zum Anschlag schließen (hohe Blendenzahl), auch das erhöht die Schärfentiefe. Allerdings wird dadurch auch der Hintergrund detailreicher eingefangen, d.h. das Freistellen eines Objekts (scharfes Motiv vor unscharfem Hintergrund) ist nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich.

Deshalb möchte ich in diesem Beitrag eine computergestützte Montagetechnik vorstellen, um insbesondere kleine Pilzfruchtkörper mit einem möglichst großen Abbildungsmaßstab und möglichst großer Schärfentiefe zu dokumentieren: die digitale Fokuserweiterung (engl. Deep Focus Fusion, kurz DFF).

Als Basis der Montage dient eine Bildfolge eines Motivs aus +/- derselben Kameraposition aber mit unterschiedlicher Fokussierung. Nehmen wir an, das Fotoobjekt ist kleiner Becherling. Dann stellen wir zuerst auf den vorderen Becherrand scharf und schießen ein Foto. Dann legen wir den Fokus schrittweise nach vorne und knipsen dabei weitere Aufnahmen. Abgeschlossen wird die Serie mit einem Foto, auf dem der hintere Becherrand scharf zu sehen ist.

Im nächsten Schritt werden die Einzelfotos zu einem einzigen Bild zusammengefügt. Dabei werden die einzelnen scharfen Bereiche kombiniert, so  dass ein einziges Bild mit hoher Schärfentiefe entsteht. Auf unser Beispiel gemünzt erhalten wir also ein Foto, das den Becherling vom vorderen bis zum hinteren Becherrand scharf darstellt.

Das manuelle Verschmelzen der Bilder mit einem Bildbearbeitungsprogramm ist jedoch zu aufwändig. Denn mit jeder Fokusänderung ändert sich geringfügig auch der Abbildungsmaßstab. Deshalb müssen die einzelnen Bilder der Serie vor der Überlagerung in ihrer Größe und ggf. Position transformiert werden. Diesen Job übernehmen spezielle Programme:

CombineZP (kostenlos): http://www.hadleyweb.pwp.blueyonder.co.uk/CZP/News.htm
Helicon Focus (60 bis 300 US-Dollar): http://www.heliconsoft.com/heliconfocus.html

Welche beeindruckenden Ergebnisse mit der DFF-Technik möglich sind, könnt ihr beispielsweise auf dem Titelbild der Mycologia Bavarica 10 sehen:



Peter Widmann hat das Bild mit der Arachnopeziza aurelia mit Hilfe einer Bildfolge und der Digitalen Fokuserweiterung erzeugt. Auf den Geschmack gekommen? Dann empfehle ich euch einen Blick in die Bildergalerie von Andreas Kuntze - hier ist so mancher Augenöffner dabei.

Ich hoffe, der Beitrag macht einige Pilzfreunde neugierig, die DFF-Technik selbst auszuprobieren. Mit CombineZP steht jedenfalls eine kostenlose Software parat, die zum Experimentieren einlädt. Alles was man dafür noch braucht ist eine Digitalkamera und ein Stativ oder ein anderer stabiler Untergrund (Kirschkernkissen, Reissäckchen etc.) - viel Vergnügen.

Viele Grüße aus dem Süden Bayerns

Andreas