Neues über Risspilze – z. B. Inocybe geophylla-Komplex (3x weiß und 8x violett)

Begonnen von Christoph, 25. Mai 2022, 22:20

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Christoph

Servus beinand,

demnächst wird die kommende Mycologia Bavarica (Band 22) verschickt werden. Ein Bisserl dauert es noch, aber nicht mehr lange. Ich möchte, da für die Kartierung relevant, einen der Aufsätze schonmal spoilern:

Bandini D, Oertel B & Eberhardt U (2022): Noch mehr Risspilze (3): Einundzwanzig neue Arten der Familie der Inocybacaea. Mycol. Bav. 22: 31-138.

Ich werde jetzt nicht alle 21 neuen Arten vorstellen, denn dafür ist ja der Artikel selbst gedacht. Ich möchte aber auf einen Aspekt hinweisen, nämlich in Bezug auf Inocybe geophylla s.l.

Bislang galt (sage ich mal so), dass man Inocybe geophylla makroskopisch erkennen kann, wenn man ein Bisserl Erfahrung mit weißen Risspilzen hat. Es gibt ein paar wenige, auf den ersten Blick ähnliche Arten, aber die seidige Huthaut hatte dann doch eine makroskopische Bestimmung ermöglicht.

Bei "den zwei" violetten "Varietäten" ging man auch entsprechend vor. Die Farbe der Hutmitte, ob auch violett oder eher ockerlich half zu unterscheiden. Jedenfalls war das mein Stand. Das kann man aber jetzt alles mehr oder weniger ad acta legen.  Ich fange mal bei den Violetten an:

Es gibt da mittlerweile folgende Arten:

Inocybe aphroditeana
Inocybe ionolepis
Inocybe lilacina (ausgerechnet die ist noch nicht in Europa nachgewiesen!)
Inocybe lilacinomaculata
Inocybe pallidicremea
Inocybe sublilacina
Inocybe syringae
Inocybe tyrii

Ditte hat für diese Arten in ihrem Artikel eine Vergleichstabelle angefertigt, um die Hauptmerkmale zusammenzufassen. Einfach ist es dennoch nicht. Kollektionen von jung bis alt, die keinen Frost abbekommen haben und typisch sind, kann man wohl mit der Kombination von Makro- und Mikromerkmalen bestimmen, aber einfach erscheint mir das nicht (per Sequenzierung ist es natürlich leicht, wenn die Sequenzierung gut klappt, aber das ist aufwendig und auf Dauer teuer).

Was Inocybe geophylla "s. str." angeht, ist es nicht viel besser.

Inocybe lilacinomaculata kann im Alter weiß ausblassen, aber das hat man bei Kollektionen mit jungen bis mittelalten Fruchtkörpern im Griff. Mir ist aber nicht klar, wie man hier Inocybe cygnea makroskopisch von Inocybe geophylla unterscheiden kann. Wer also Inocybe geophylla kartiert hat, muss ein agg. oder ein s.l. dahinter stellen. Sollten aber Belege vorhanden sein, kann man diese mikroskopisch auseinanderklamüsern. Mit Inocybe oloris gibt es nocht eine "I. geophylla".

Wie kann man die Arten unterscheiden?

Inocybe cygnea hat Sporen, die im Schnitt um 8,8 µm Länge aufweisen. Inocybe geophylla hingegen hat kürzere Sporen, die im Schnitt um die 8,2 µm lang sind. Zudem zeigt Inocybe cygnea relativ häufig dickwandige, sich gabelnde Caulozystiden, sie wiederum bei Inocybe geophylla fehlen. Inocybe cygnea hat eine deutlichere, weiße Velipellis als I. geophylla, aber Ditte schreibt selber, dass die beiden Arten makroskopisch praktisch nicht auseinanderzuhalten sind, da die Ausprägung der Velipellis alters- und witterungsabhängig ist.

Inocybe oloris hat mit im Schnitt um 9,4 µm langen Sporen noch größere Sporen als Inocybe cygnea, ist also mikroskopisch leichter von Inocybe geophylla anhand der Sporen zu unterscheiden.  Makroskopisch ist sie durch die besonders dicke, weiße Velipellis erkennbar, die erst spät verschwindet. Dann kann der Hut auch ein bisserl strohfarbene Töne zeigen bzw. "nur elfenbeinweiß" sein. Gegabelte Caulozystiden fehlen auch hier, sodass man Inocybe oloris von Inocybe cygnea trennen kann.

Inocybe oloris scheint subalpine Habitate auf Kalk zu besiedeln, aber die Verbreitnung ist natürlich noch nicht gut erforscht, da die Art ja erst jetzt neu beschrieben wird.

Inocybe cygnea ist bisher nur aus Österreich bekannt (Wegränder bei Nadelbäumen, v.a. Picea, auf Kalk).


Ich empfehle allen Risspilzfreunden und -freundinnen die Lektüre der neuen Mycologia Bavarica. Kartierer können ihre Inocybe geophylla-Funde nachträglich durch exakte Mikroskopie (oder Sequenzierung) revidieren/prüfen. Wer macht den Erstnachweis von Inocybe cygnea für Deutschland? Wie häufig ist I. cygnea im Vergleich zu I. geophylla s.strictissimo?
Inocybe oloris ist in Bayern vorhanden, da der Holotypus aus dem bayerischen Allgäu vom Breitenberg bei Pfronten stammt. Aus der Schweiz und aus Kirgisistan ist I. oloris anhand von Sequenzdaten aus Bodenproben nachgewiesen.

Ich hoffe, dass ich hiermit etwas Ansporn zum Mikroskopieren von Inocybe geophylla-Kollektionen liefern kann und keine Resignation verbreite, dass nun auch diese Art nicht mehr makroskopierbar ist. Bei den violetten steige ich im Moment aber selber nicht durch, weshalb ich hier noch nichts zusammenfasse. Auf alle Fälle sind für mich "violette geophyllas" sauspannend. Wenn ich schöne Kollektionen haben sollte, werde ich mich an die Bestimmung rantrauen. Mal schaun, was dabei rauskommt. Im Notfall kann entweder Ditte helfen (sofern sie Zeit hat) oder die Sequenz die Bestimmugn wertneutral überprüfen. ITS reicht aus, das ist ja schonmal was.  ;)

Liebe Grüße,
Christoph



Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)