Neues aus der Wissenschaft - Interessanter Artikel aus der Mycologia (Amanita)

Begonnen von Christoph, 11. Februar 2012, 23:37

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Christoph

Servus Andreas,

dass auch Amanita vittadinii im Verdacht steht, sprob zu sein, war mir nicht klar. Ich habe mich aber bisher auch mehr um Scheidenstreiflinge gekümmert. Zudem gibt es mehr krautige Ektomykorrhizapflanzen als Sonnenröschen und Knöterich (der lebendgebährende aus den Alpen). Ich habe dazu hier ja einen Thread beigesteuert.

Entoloma ist ein Sonderfall. Die "ektotrophen" Entolomen haben - mir fällt kein anderes Wort dazu ein - "seltsame" Mykorrhizen, jedenfalls nicht typische Ektomykorrhizen. Dazu gehört auch, dass manche an ansonsten gar nicht ektomykorrhizabildende Bäume gehen (wie z.B. Malus, Prunus). Vielleicht ist das eine relativ rezente Neubildung. Ob über die Systematik der Rötlinge i.w.S. das letzte Wort schon gesprochen ist, ist zudem wohl die Frage. Bezüglich der Parasiten bei Entoloma sind ja beispielsweise die Pilzparasiten alle zu Clitopilus umgestellt worden... (jedenfalls wurde es vollzogen) - und das würde wieder eine Gattung mit recht einheitlicher Trophie ergeben, da wohl alle (fast alle?) Clitopilus-Arten irgendwie an anderen Pilzen hängen.

LG
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

mollisia

Hallo Christoph,

also ich finde das nicht so sehr verwunderlich. Insbesondere dann nicht, wenn es ein Pilz aus der Gruppe des Igel-Wulstlings ist. Denke doch mal an Amanita vittadini. Diese Art gilt in Europa als einzige nicht-mykorrhizierende Amanita-Art. Sie wächst oft weitab jeden Baumes, und zwar in beweideten Grünflächen. Eigentlich ziemlich schrottige, nährstoffreiche Biotope, d. Da gibts auch keine Sonnenröschen oder sowas. Schau Dir mal das Bild in der Flora von Sachsen-Anhalt an, die Art bildet sogar Hexenringe in den Wiesen!

Entoloma scheint ja molekular gesehen monophyletisch zu sein, soweit mir das im Kopf ist. Da hast Du auch Mykorrhizabildner und Saprotrophe nebeneinander, sogar Parasiten sind dabei.

beste Grüße,
Andreas

Christoph

Servus beinand,

bei mir wurde ein Weltbild ein bisserl ins Wanken gebracht. Das klingt jetzt zwar sehr hochtrabend, aber in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Mycologia fand ich einen Artikel über eine Amanita-Art.

Die Arten der Gattung Amanita sind ja typische Ektomykorrhizapilze, gehen also eine intensive Symbiose z.B. mit Bäumen ein. Da die Gattung praktisch weltweit (gut, außer Antarctica) verbreitet und zudem recht artenreich ist, sollte man sich über wenig wundern. Es wird aber seit längerem darüber spekuliert, dass in der Gattung auch saprobe Arten vorkämen. In Nordamerika gibt es nämlich Offenlandarten, also Arten, die in reinem Grasland vorkommen.

Mich hat das bislang wenig gestört, da auch einige krautige Pflanzen Ektomykorrhizen bilden können. Jedenfalls haben Wolfe et al. Amanita thiersii näher untersucht. Ektomykorrhizapilze zeigen gewöhnlich ein typisches Isotopenverhältnis von 15N zu 14N und 13C zu 12C. Diese Amanita weicht von dem üblichen Muster deutlich ab!

Zudem zeigt Amanita thiersii große Enzymaktivität (Glykosid-Hydrolasen; Celluloseabbau) und wächst recht gut auf Agarplatten die mit Traubenzucker angereichert werden (oder in denen aufgeschlossenes Gras enthalten ist – ich meine natürlich Poaceae).

Was ist nun so ungewöhnlich daran? Nun, bisher zeigte sich meistens (immer?), dass Gattungen, die saprobe und ektotrophe Arten beinhalten, künstlich waren und auf Konvergenz der Fruchtkörper beruhten / beruhen, so z.B. bei Paxillus vs. Tapinella. Warum sollten auch einzelne Arten wieder saprob werden, wenn sich einmal eine so praktische Symbiose eingestellt hat? Jetzt ist Amanita thiersii aber eine typische Amanita. Hier ein Link zu Bildern und Beschreibung: http://pluto.njcc.com/~ret/amanita/species/thiersii.html
Sie ist nahe mit unserer Amanita solitaria, dem Igelwulstling sowie Amanita strobiliformis, also dem Fransigen Wulstling, verwandt.

Soweit aus der aktuellen Ökophysiologie bezüglich Amanita thiersii.

LG
Christoph

Literatur:
Wolfe BE, Kuo M & Pringle A (2012) Amanita thiersii is a saprotrophic fungus expanding ist range in the United States. Mycologia 104(1): 22-33.
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