Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft

Allgemein => Expertenforum Mykologie => Thema gestartet von: Christoph am 11. Februar 2018, 16:55

Titel: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Christoph am 11. Februar 2018, 16:55
Liebe Pilzfreundinnen und -freunde,

manchmal lohnt es sich, wenn man ein bisserl über den Tellerrand schaut und sich nicht zu sehr spezialisiert. Ich habe mich ja von lichenicolen Pilzen begeistern lassen, wobei es sich dabei neben Zitterlingen, Corticioiden meist um diverse, winzige Ascomyzeten und Imperfekte handelt.

Um so überraschter war ich, als ich auf der Seite http://www.lichenicolous.net/ vorbeigeschaut habe. Man muss nur etwas herunterscrollen und findet eine Tabelle über quasi alle (fast alle) lichenicolen Pilze. Und siehe da, unter Basidiomycota / Agaricales fand sich neben der doch sehr bekannten Arrhenia peltigerina (früher Omphalina peltigerina) auch die Gattung Gamundia (auf deutsch werden die manchmal Rußnabelinge genannt, warum auch immer).

Gamundia striatula parasitiere auf Cladonia und Peltigera (druch Fettdruck hervorgehoben, also obligat lichenicol). Zwei weitere Arten der Gattung Gamundia wurden als fakultativ lichenicol (und da als "doubtfully") bezeichnet.

Nun, ich hatte einmal eine sehr reichliche Kollektion von Gamundia striatula s.l. machen können (ich hatte sie als G. pseudoclusilis bestimmt, aber meist wird da alles zusammengeschmissen). Und eine Nachsichtung der Fotos ergab folgenden spannenden Befund:
Sie wuchsen auf einem Grünalgenrasen!

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1668.0;attach=17429;image)
Gamundia pseudoclusilis (= Gamundia striatula s.l.) an einem stark gedüngten Waldrand (und auch auf dem angrenzenden Feld) auf nacktem Boden mit grünem Algenrasen)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1668.0;attach=17431;image)

(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1668.0;attach=17433;image)

Da dachte ich direkt an die Athelien, die ja sowohl auf Flechten als auch direkt auf Algen wachsen können und diese "auffressen". Und jetzt wird es natürlich spannend: Ist Gamundia striatula s.l. obligat auf Algen angewiesen? Was ist dann mit Funden, die nur in der Streu ohne Algen gemacht wurden (wenn richtig bestimmt...). Als Beispiel nehme ich die Fotos auf Pilze-Deutschland: http://www.pilze-deutschland.de/organismen/gamundia-striatula-k%C3%BChner-raithelh-1983 - Peter Karasch hat einen Fund aus dem BayewrWald vorgestellt, wo die Fruchtkörper ohne Algen in der Nadelstreu wuchsen. Wie bei meiner Aufsammlung (Peter K. war da übrigens auch mit dabei) ist es ein Winterfund.

Also ist entweder die Aussage auf lichenicolous.net zu eng gefasst und es ist ein fakultativer Algenfresser, oder die Kleinarten in dem Aggregat um Gamundia striatula s.l. unterscheiden sich in ihrer Trophie.

Falls also jemand zufällig über eine Gamundia stolpert: bitte unbedingt schauen, was im Einzugsbereich des Myzels an potentiellem Substrat vorhanden ist, insbesondere in Richtung Flechten und Algen - und vielleicht versuchen, so eng wie möglich zu bestimmen, um eine mögliche Korrelation der "Kleinart"(?) und der Lebensweise zu überprüfen. Sooo selten ist Gamundia striatula s.l. auch nicht - nur wer sucht im Winter nach trichterlings- bzw. nebalingsartigen Pilzen?

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: blacky am 11. Februar 2018, 17:57
Christoph große Klasse 👍Danke.
LG.
Thomas
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Beorn am 11. Februar 2018, 22:17
Hallo, Christoph!

Wenn nur nicht die Krusten am Holz so ablenken würden...
Aber stimmt ja, den wollte ich doch in den Binnendünen um Monnem rum auch mal finden. Hatte ich bisher noch nicht, kommt hier aber sicherlich auch vor.

Was die Ökologie betrifft, da fällt mir ein Fund ein aus dem NSG Itzehoe / Kremperheide vom November 2016. Die waren uns auch deshalb aufgefallen, weil sie wie Arrhenia peltigerina direkt auf Hundsflechten (Peltigera spec.) wuchsen:
(http://forum.pilze-bayern.de/index.php?action=dlattach;topic=1668.0;attach=17445;image)

Im Mainzer Sand hatte ich zu wenig auf den Untergrund geachtet, beim nächsten Fund (hoffentlich mal hier in der Umgebung) achte ich da genauer drauf.


LG; Pablo.
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Christoph am 11. Februar 2018, 23:46
Servus Pablo,

cooles Foto! Danke für's Zeigen! Und interessant ist, dass bei dir die Stiele so poliert glatt und opaque sind - und die Lamellen so weiß. Die bayerischen Funde (der gezeigte und Peters aus Guglöd / BayerWald) haben mehr Grauanteil in den Lamellen und der Stiel zeigt eine Längsfaserung. Ich meine mich zu erinnern, dass ich deshalb auch auf G. pseudoclusilis statt auf G. striatula kam, muss da aber wieder nachlesen, ist zu lange her. Man muss in "kryptischer französischer Literatur" suchen, will man da was differenzieren.

Drum meine ich ja, dass man mal schauen muss, welche Fruchtkörperausprägung auf welchem Substrat gefunden wird.

ZitatIm Mainzer Sand hatte ich zu wenig auf den Untergrund geachtet, beim nächsten Fund (hoffentlich mal hier in der Umgebung) achte ich da genauer drauf.

Ziel erreicht *hihi*.  ;D Ist die Mykologie nicht toll? Überall entdeckt man Neues. Ich finde das richtig spannend. Auch, aber nicht nur bei Überzügen auf Holz (ich bin immer noch von dem Cerocorticium rickii ganz begeistert).

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Christoph am 12. Februar 2018, 08:30
P.S.: Ich habe nochmal nachrecherchiert - damals ging es um die Ausprägung der Ixocutis. Antonin V (2004): Notes on the genus Fayodia s.l. (Tricholomataceae) — II. Type studies of European species described in the genera Fayodia and Gamundia. Persoonia 18(3): 341-364 hat die Typen beider Taxa studiert und kam ebenfalls zum Schluss, dass sie Synonym seien.
Da die ornamentierten Sporen und die Cystiden die Gattung klar definieren, habe ich mir damals offenbar keine Gedanken zur Stieloberfläche gemacht. Graue Lamellen kann G. striatula gemäß der publizierten Beschreibungen bekommen. Jedenfalls passen die glatten Stiele besser zur Originalbeschreibung (beider Namen). Insofern kann es gut sein, dass das, was ich hier als Fotos zeige, eine andere Gamundia ist.

LG
Christoph
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Peter am 12. Februar 2018, 17:40
Hallo Zusammen,

fünf von zwölf Fundmeldungen aus Bayern haben einen eindeutigen Bezug zu Picea abies in den DB-Angaben zur Ökologie. Einmal wird auf Holzhäcksel, zweimal in der Nadelstreu und zweimal auf Borke angegeben.

Die Sammler/Bestimmer waren allesamt erfahrene Feldmykologen wie Heinz Engel, Helmut Besl, Lothar Krieglsteiner und Josef Simmel.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ökologie wäre tatsächlich ein direkter Vergleich der Kollektionen bei Picea mit denen auf Rohboden mit oder ohne Moos/Algen interessant.

BG, Peter

Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Rudi am 12. Februar 2018, 19:17
Ich zeig euch mal Bilder von meinen Gamundia-Funden, alle von der selben Stelle (ca 10m-Umkreis), etwa 2 Km außerhalb Bayerns in Nord-BW, unter Picea abies aus den Jahren 2011 bis 2016
Letztes Jahr hab ich nichts gefunden...
An/zwischen Nadeln und kleinen Zweigstücken

LG Rudi
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Hias am 13. Februar 2018, 08:43
Servus zusammen,

ich kann einen Fund von 2012 aus dem Zillertal beisteuern; die Pilze wuchsen direkt auf Hundsflechte:
(http://www.interhias.de/schwammerlseiten/bestimmungen/2017/tricholomataceae/fotos/foto-001.JPG)
(http://www.interhias.de/schwammerlseiten/bestimmungen/2017/tricholomataceae/fotos/foto-002.JPG)
(http://www.interhias.de/schwammerlseiten/bestimmungen/2017/tricholomataceae/fotos/foto-003.JPG)
(http://www.interhias.de/schwammerlseiten/bestimmungen/2017/tricholomataceae/fotos/foto-004.JPG)

Hier ein Link zur Doku (http://www.interhias.de/schwammerlseiten/bestimmungen/2017/tricholomataceae/tricholomataceae.html#ank1).

Beste Grüße
Hias
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Christoph am 14. Februar 2018, 20:27
Zitat von: Peter am 12. Februar 2018, 17:40
fünf von zwölf Fundmeldungen aus Bayern haben einen eindeutigen Bezug zu Picea abies in den DB-Angaben zur Ökologie. Einmal wird auf Holzhäcksel, zweimal in der Nadelstreu und zweimal auf Borke angegeben.

Servus Peter,

danke für die Infos! (auch an alle anderen: Danke für die Fotos und Informationen rund um Gamundia striatula s.l.).

ZitatDie Sammler/Bestimmer waren allesamt erfahrene Feldmykologen wie Heinz Engel, Helmut Besl, Lothar Krieglsteiner und Josef Simmel.

Die Art/Gattung ist ja ohnehin leicht bestimmbar (im aktuellen Konzept). Meist finden aber nur erfahrene Feldmykologen so etwas, da die meisten wohl denken würden, dass es "nur" ein Trichterling ist und ihn gar nicht erst mikroskopieren / mitnehmen.

ZitatAufgrund der sehr unterschiedlichen Ökologie wäre tatsächlich ein direkter Vergleich der Kollektionen bei Picea mit denen auf Rohboden mit oder ohne Moos/Algen interessant.

Eben! Ich war ja so überrascht, dass ich Gamundia als unter Lichenologen bekannte Gattung fand. Und schaut man ins Web, findet man dort auch viele Fotos an/auf Flechten, v.a. an Peltigera.

Wenn eindeutige Funde aus der Nadelstreu und von Flechten vorliegen, dann wäre es sicher sinnvoll, die mal vergleichend zu sequenzieren. Und wenn es Funde aus dem Böhmerwald gibt, vielleicht gibt es ja die Mittel aus dem Interreg-Projekt, um den Status der Nadelstreuaufsammlungen (z. B. aus Guglöd) im Vergleich zu anderem Material (z.B. vom Hias von Peltigera) über Sequenzierung zu prüfen?! Oder vielleicht können/wollen die Wiener das machen (über das Projekt)?

Das sind nur Anregungen... Ich fände es spannend (und ich freue mich über die Resonanz hier).

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Gernot am 14. Februar 2018, 21:56
Servus in die Runde,

danke für diesen sehr interessanten Erfahrungsaustausch. Über die Ökologie von Gamundia striatula s. l. habe ich mir bislang zugegebenermaßen noch keine großen Gedanken gemacht, was sicher auch daran liegt, dass mir aus der Gattung seit einigen Jahren keine neuen Kollektionen mehr untergekommen sind. Einen älteren Fund auf Peltigera kann ich dennoch beisteuern (Lesachtal bei Kals am Großglockner).

Schöne Grüße
Gernot
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: blacky am 16. Februar 2018, 15:13
Hallo zusammen,
ein Artikel über die Gattung Gamundia ist übrigens im neuesten Heft vom Tintling erschienen: Der TINTLING 1 (2018) Seite 36, 12. Februar 2018.
Viele Grüße.
Thomas
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Peter am 16. Februar 2018, 16:34
ZitatUnd wenn es Funde aus dem Böhmerwald gibt, vielleicht gibt es ja die Mittel aus dem Interreg-Projekt, um den Status der Nadelstreuaufsammlungen (z. B. aus Guglöd) im Vergleich zu anderem Material (z.B. vom Hias von Peltigera) über Sequenzierung zu prüfen?!

Na denn Christoph,

das lässt sich einfädeln.

Beorn, Gernot & Hias,

wenn ihr schonend getrocknetes Material zu euren gezeigten Aufsammlungen entbehren könnt, dann sendet es doch an mich in Hohenau.

Das können wir dann mit dem Material aus Guglöd und ggf. aus REG vergleichen.

BG, Peter
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Christoph am 16. Februar 2018, 16:47
Servus Peter,

perfekt! Finde ich richtig gut, wenn das klappen sollte (@Hias, @Gernot, @Pablo). Spannende Sache... Und die Möglichkeit, das über das Projekt laufen zu lassen, finde ich sowieso sehr gut.

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Gernot am 16. Februar 2018, 17:07
Von meinem Fund gibt's leider kein Material mehr. :( Hoffentlich können Hias und Pablo aushelfen!

Schöne Grüße
Gernot
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Beorn am 16. Februar 2018, 20:03
Hallo, Peter & Christoph!

Von dem hier gezeigten Itzehoeer Fund habe ich leider auch kein Material behalten.
Da könnte man aber mal bei den Exkursionsteilnehmern von damals anfragen, ob noch jemand was eingelagert hat, oder ob jemand nochmal was von dort an Peltigera einsammeln könnte.

Von Arrhenia peltigerina hätte ich Material, aber das ist ja nun eine ganz andere Baustelle.
Sollte ich mal wieder sowas finden (egal mit welchem ökologischen Hintergrund) wird es einen Beleg geben.


LG, Pablo.
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Christoph am 16. Februar 2018, 23:26
Servus ihr beiden,

das ist aber jammerschade...  :'( Dann bleibt nur noch Hias als Hoffnungsträger (er macht ja gerne Belege - zum Glück). Jetzt, wo es diese Möglichkeit gibt...

Liebe Grüße,
Christoph
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Hias am 17. Februar 2018, 10:42
Servus in die Runde,

klar hab ich einen Beleg 8)
Reicht die eine Aufsammlung oder bräuchten wir mehr Material?

Diese Schwammerln scheinen bei uns nicht häufig zu sein, habe ich in Oberbayern noch nie gefunden.

Beste Grüße
Hias
Titel: Re: Zur Ökologie von Gamundia striatula s.l. / Gamundia pseudoclusilis
Beitrag von: Peter am 17. Februar 2018, 11:52
ZitatReicht die eine Aufsammlung oder bräuchten wir mehr Material?

Servus Hias,

je mehr, je besser, aber der Vergleich von deiner Aufsammlung mit denen auf Fichtenstreu kann auch schon was bringen.

BG, Peter