Flechte-Pilz-Frage

Begonnen von UmUlmHerum, 17. Februar 2018, 00:47

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Christoph

Servus Rika,

wunderbar, dann hat sich das geklärt  :). Auf Pleurosticta acetabulum gibt es aber auch parasitische Pilze - es lohnt sich, absterbende / geschädigte Bereiche des Thallus mit dem Bino genauer anzuschauen. Jetzt dürfte aber eh alles eingefroren und unter Schnee sein. Hier bei mir ist noch alles weiß.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

UmUlmHerum

Guten Abend Christoph (und alle anderen)!

Dank´ Dir für Deine aufklärende Antwort!
Die schwarzen Punkte auf den abgestorbenen Teilen der Flechte halte ich auch für Pycnidien – ob die tot wirklich anders aussehen als lebendig?

Jetzt habe ich erst einmal die privaten Rückmeldungen abgewartet: Der Vereinskollege hat gleich mal Pleurosticta acetabulum bestätigt, das geht ohne Chemie. Und ebenfalls erklärt, dass die schwarzen Punkte zur Flechte gehören. Ein weiterer Bekannter, der sich auch schon viel mit Flechten beschäftigt hat, schrieb mir gestern eine Zusammenfassung, damit sogar ich als Nicht-Biologin und Flechten-Laiin kapiere, was diese Pycnidien sind und tun und lassen. Da es anderen vielleicht ähnlich geht (nach der Lektüre des Abschnitts über Pycnidien bei DÖRFELTs "Wörterbuch der Mycologie" wusste ich nur wenig mehr als zuvor...), möchte ich Euch seine Mail ebenfalls zu lesen geben. Ich darf ihn hier zitieren mit dem Hinweis, dass er die Infos dazu aus einem GEO-Artikel vom April 2006 hat. 

Michael Bayer schrieb:
ZitatHi Rika!
Hatte heute mal Muße, mich mit Deiner Frage zu dieser Flechte auseinenderzusetzen.

Diese schwarzen Punkte sind Pyknidien, das stimmt! Aus speziellen Zellen können sich hier "männliche" Geschlechtsorgane bilden.
An den Wänden der Pyknidien wachsen Konidiophoren, die an ihren Enden Pykno-Sporen abschnüren.
Diese Pykno-Sporen können 1. entweder keimen und neue Pilzhyphen bilden (also asexuell) oder
2. als "Spermien" eine "weibliche" Trychogyne (s. weiter unten) bestäuben und sexuell einen neuen Pilz erzeugen.

Aus Zellfäden oder Hyphen im Pilzgeflecht können sich "weibliche" Geschlechtsorgane bilden, so genannte Ascogonen. Sie sind in den Flechtenkörper versenkt und besitzen "Empfängnishyphen", die Trichogyne, die ins Freie ragen.
Landen hierauf die Pykno-Sporen (s. oben), entstehen schlauchartige Hyphen (Asci) mit einem "männlichen" und einem "weiblichen" Kern. Diese verschmelzen zur Zygote, den Keim für einen neuen Pilz.

Fazit: Über die Pyknidien vermehrt sich egoistisch nur der Pilz, nicht die Flechte als ganzes!

Erst wenn die Pykno-Sporen auf eine Alge treffen, ensteht eine neue Flechte, wobei ein und der selbe Pilz durch verschiedene Algenarten unterschiedliche Flechtenarten ausbildet.

Auch über die Apothecien werden über die Asci nur Pilzsporen abgegeben. Diese reifen in den Zygoten mit 4 Kernen, teilen sich dann und bilden reif 8 Asco-Sporen.
Diese Asco- Sporen gehen dann "auf die Reise". Sie können allerdings nur dann keimen, wenn sie mit ihren Hyphen eine Alge umschlingen können. Hieraus entsteht also direkt eine neue Flechte (die Art auch hier abhängig von der betreffenden Alge).

Damit es ganz kompliziert wird: Als Symbionten sind in der Regel Grünalgen die Partner, aber auch Blaualgen (heute als Cyanobakterien bezeichnet) oder sogar beides. Lezteres vor allem bei Flechten in stickstoffarmen kalten Regionen. Der Stickstoff ist dort wegen verlangsamter biochemischer Prozesse rar, aber für die Eiweißbildung unerlässlich. Pilz und Grünalge können diesen Stoff alleine nicht aufnehmen. Beispiel: die Flechte Peltigera aphtosa, die viele Hundert Jahre alt werden kann.

Das sind - sehr kurz beschrieben - zwei von sieben verschiedenen Vermehrungsstrategien der Pilze / Flechten

Viele Grüße – Rika

Christoph

#5
Zitat von: UmUlmHerum am 17. Februar 2018, 15:29
In Deinem franz. Link werden die schwarzen Punkte auf dem Thallus ja sogar als Artmerkmal beschrieben – es sollen Pycnidien sein, die bei verwandten Flechtenarten wohl fehlen.

Servus Rika,

stimmt, und sie bilden das auch schön ab - das kommt davon, wenn man nachts aktiv ist *hihi*. Es wird dort aber so beschrieben, dass sie aussehen wie Pycnidien (aber eben keine sind, sondern zur Pleurosticta selbst gehören). Pycnidie ist der Begriff für den "Fruchtkörper" eines Coelomyzeten.

Nachtrag: Es stimmt aber, dass Lichenologen auch entsprechende Strukturen, die die Flechte selbst bildet, durchaus als Pycnidien bezeichnen. Ich habe an Physcia spec. heute auch solche schwarzen Punkte angesehen - die Konidien waren farblos-hyalin und 4-5 x 0,75-1,25(-1,5) µm groß... und sie gehören zur Physcia selbst, da sie wie ein Coelomyzet selbst asexuelle Sporen (neben ihrern Apothecien) bildet.

Es fällt dennoch auf, dass der Thallus abstirbt bzw. teils abgestorben ist. Ich denke, dass es sich schon lohnen würde, zu prüfen, ob dort nicht auch "andere" schwarze Pünktchen zu sehen sind - oder es sind doch nur die alten Pycnidien, die das überlebt haben?!

ZitatWenn der Schnee wieder weg ist, kann ich Material holen (und dabei nach den Austern schauen oder umgekehrt) und dann versuchen, die schwarzen Punkte in Scheibchen zu schneiden ;D  Naja, Schlauchpilze wären interessanter gewesen...

Wer weiß, was du alles auf den absterbenden Bereichen findest ;-).

Liebe Grüße,
Christoph
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UmUlmHerum

Servus Christoph,

vielen Dank für Deine Recherchen!

Mit Deinem Flechtennamen (Pleurosticta/Parmelia acetabulum) wirst Du aller Wahrscheinlichkeit nach richtig liegen. Habe vorhin mit einem Flechtenkenner bei uns im Verein telefoniert – er wird sich diesen Thread bei Gelegenheit anschauen und hat gemeint, diese Art sollte vom Foto weg bestimmbar sein. Ich bekomme Bescheid – Du brauchst also Deinen Lichenologen nicht zu belästigen.

In Deinem franz. Link werden die schwarzen Punkte auf dem Thallus ja sogar als Artmerkmal beschrieben – es sollen Pycnidien sein, die bei verwandten Flechtenarten wohl fehlen. Wenn die Pycnidien ± zur Flechte gehören, dann ist es vielleicht gar kein Parasit, sondern was Symbiotisches? Mal schauen, ob mein Kollege noch was Erhellendes dazu findet.

Wenn der Schnee wieder weg ist, kann ich Material holen (und dabei nach den Austern schauen oder umgekehrt) und dann versuchen, die schwarzen Punkte in Scheibchen zu schneiden ;D  Naja, Schlauchpilze wären interessanter gewesen...

Herzliche Grüße – Rika

Christoph

Nochmal ich  ;D

die Flechte müsste Pleurosticta acetabulum (ehemals Parmelia acetabulum) sein. Vergleiche z.B. hier: http://www.lichensmaritimes.org/index.php?task=fiche&lichen=468&lang=en

Bin schon gespannt, ob die schwarzen Punkte Ascomata oder Pycnidien sind. Der Parasit scheint die Flchte jedenfalls zu schädigen, wenn ich das richtig sehe.

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

Servus Rika,

die Flechte könnte eine Parmelia sein - ich bin aber nicht gut in der Flechtenbestimmung, weshalb ich mich auf Xanthoria und Physcia stürze - da kann ich die Gattungen gut erkennen (mir fehlen die weißen Linien der Parmelia sulcata und es sind sehr viele Apothecien). Für Lecanora ist mit der Thallus zu großblättrig, aber das heißt nicht viel, da ich wie gesagt Flechten nicht gut kenne. Vielleicht hilft dieser Schlüssel: http://www.record-lrc.co.uk/Downloads/A%20Key%20to%20Common%20Lichens%20on%20Trees%20in%20England[07052011].pdf

Ich werde morgen mal schauen, ob ich die Flechten halbwegs rausbekomme. Sonst frage ich bei Gelegenheit bei einem Lichenologen nach.

Es freut mich sehr, dass ich dazu anregen konnte, auch auf solche Pilze zu achten  ;)

Liebe Grüße,
Christoph

Die schwarzen Punkte sehen auf alle Fälle interessant aus. Das kann aber alles Mögliche sein. Das ist das Spannende an diesen Arten - es ist wie Überraschungseier Kaufen.
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UmUlmHerum

#1
Hallo miteinander!

Angeregt durch Christophs Beiträge über Pilze auf Flechten, habe ich mir die Fotos von meinem Flechtenfund vom 10.02.18 genauer angeschaut und dabei schwarze Punkte auf den "Blättern" entdeckt. Schaut interessant aus – aber ich muss mich gleich outen: von Flechten habe ich so gut wie keine Ahnung und von so kleinen Mini-Pilzen noch viel weniger. Probieren wir es trotzdem?!

Diese (sehr grüne) Flechte sitzt auf einem großen Ast, der bei einem der letzten Stürme aus vielleicht 8m Höhe heruntergebrochen ist. Der noch stehende Baum ist schon lange abgestorben, entweder Buche oder Ahorn (bitte nicht lachen – ich hatte den Baum samt Restrinde in einem Naturkundeforum eingestellt, aber niemand konnte mir sagen, was das ist), Austern wachsen auch dran. 

Die Apothezien können riesengroß werden, Ø knapp 1cm.

Kann mir jemand diese Flechte benennen?
Für was haltet Ihr diese kleinen schwarzen Punkte (besonders gut sichtbar auf dem letzten Foto im oberen Bereich)?
Lohnt es sich, noch mal hinzugehen und zu mikroskopieren?

Merci & viele Grüße – Rika













Hier noch eine Vergrößerung aus dem vorherigen Foto – schwarze "Punkte":