Der Dacrymyces-Thread - alles rund um Gallerttränen

Begonnen von Christoph, 10. Januar 2018, 16:16

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Christoph

Servus beinand,

ich möchte noch einen Artikel empfehlen:

Takashi Shirouzu, Dai Hirose, Franz Oberwinkler, Norihiro Shimomura, Nitaro Maekawa & Seiji Tokumasu (2013): Combined molecular and morphological data for improving phylogenetic hypothesis in Dacrymycetes, Mycologia, 105:5, 1110-1125, DOI: 10.3852/12-147

Hier ein paar wenige Teilaspekte dieses Papers:

"Ditiola" radicata bildet zusammen mit Dacrymyces capitatus und Dacrymyces lacrymalis einen eigenen Clade, wobei Dacrymyces capitatus die Schwesterart ist. Und Ditiola peziziformis hat nichts mit "Ditiola" radicata zu tun. Der weiße Farbton an der Außenseite ist folglich kein Kriterium für Monophylie.

Dacrymyces stillatus und Dacrymyces minor sind demzufolge interessanterweise Geschwisterarten, die aber innerhalb der Gallertränen s.l. entfernt von der anatomisch auch ähnlichen Dacrymyces-capitatus-Gruppe stehen. Das "bestätigt" zumindest meine Probleme, zwischen beiden sauber trennen zu können (abgesehen von der Nebenfruchtform).

Dacrymyces punctiformis gehört wiederum nicht zu Dacrymyces, sondern in eine andere Familie, und zwar den Cerinomycetaceae.

Dacrymyces unisporus fällt aus den Dacrymycetales raus und erhält eine eigene Ordnung. Alles fließt... das System ist noch alles andere als stabil.

Der Stammbaum basiert auf einer Multigenanalyse: D1D2, 18S, ITS und rpb2.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Beorn

Hallo!

Um ein Haar... Das sind ja wirkliche Pfifferlingsdoppelgänger, Rudi!  :o
So man denn bedenkt, daß man ja alles mit allem verwechseln kann.

Jedenfalls habe ich den bisher mit solchen Leisten noch nicht gesehen.

Gut nochmal drauf einzugehen, wie sich da die Unterschiede herausarbeiten lassen, denn von "Ditiola" kenne ich ja nur die häufige peziziformis (s.u.). Und was nachher in welche Gattung kommt, daß muss vorerst ja nicht unser Problem sein.


LG, Pablo.

Rudi

Hallo Christoph und Pablo,

Hier hab ich auch eine fränkische Guepiniopsis buccina (vom letzten Jahr), ein Pfifferlingsbecher...
der war recht zäh- kaugummiartig

LG Rudi
Medicus curat, natura sanat (Während der Arzt kuriert, heilt die Natur-auch ihn)

Christoph

Servus Pablo,

die Gattungskonzepte sind im Moment eh unklar. Man muss da entweder alles in eine große Gattung schmeißen oder aber einige kleine Gattungen definieren. Dann wird Dacrymyces s.str. recht klein und sehr übersichtlich. Letzten Endes ist das ja allgemein Trend...

Genau wie du selbst anmerkst, spricht bei dem fränkischen Pilz die Form und die weiße Außenseite gegen Guepiniopsis. Ditiola passt da besser - statt becherartig konkav ist der Fruchtkörper konvex-kopfig. Es war auch auffällig, dass das Köpfchen bereits begann, hohl zu werden. Die Hyphen lösen sich dort im Fleisch auf und bilden dann nur noch eine Gelmasse. Schneidet man den Fruchtkörper auf, fließt die Gelmasse aus und es bleibt ein Hohlraum. Ich hab das nur blöderweise nicht fotografiert.

Liebe Grüße,
Christoph

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Beorn

Hallo, Christoph!

Kann man da eine Guepiniopsis ausschließen?
Sofern man denn die beiden Gattungen (Ditiola / Guepiniopsis) überhaupt sauber trennen kann...

So eine gewisse Ähnlichkeit haben die mit Guepiniopsis bucccina (und die anderen Arten der Gattung kenne ich nicht), wenn auch wohl etwas weniger "behaart" an der Außenseite für so junge Fruchtkörper (ist aber schwer zu erkennen) und der Hauptpunkt dürfte dann die Form sein, weil Guepiniopsis buccina (andere Arten der Gattung auch?) schon jung apikal eingedrückt sind? Also mit Vertiefung, wie auf dem folgenden Bild?


LG; Pablo.

Christoph

Servus beinand,

Boris Zurinsky hat in Erlangen-Tennenlohe an einer toten Kiefer Unmengen eines dacrymycetoiden Pilzes gefunden. Auffallend ist der sehr deutlich ausgeprägte und teils außen weißliche Stiel. Leider waren die Fruchtkörper trotz Nachreifung im Kühlschrank ohne Sporen (die Basidien begannen gerade, sich zu gabeln).



Anhand des Substrats und der Makroskopie müsste es sich um Ditiola radicata hanedeln. Es war auch auffällig, dass sich die Hyphen im Hut bereits auflösten, sodass der Hut quasi hohl war und nur von einer gallertigen Flüssigkeit gefüllt war.

Boris wird den Stamm weiter beobachten und hoffentlich reife Fruchtkörper ernten. So ist die Bestimmung natürlich wackelig, zumal ich die Art (wenn sie es denn ist) vorher selbst noch nie gesehen habe und nur aus der Literatur kenne...

Liebe Grüße,
Christoph

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Christoph

Servus beinand,

heute war ich kurz in Rothschwaig, um zu schauen, wie es dort im Moment ausschaut. Und es sieht da sehr zapfig-kalt aus mit viel Schnee. Stellenweise war der Schnee weggetaut und da sind dann nasse Ästchen und weiteres Holzsubstrat freiliegend. Und siehe da, bei der Stippvisite fand ich eine Dacrymyces an Laubholz (vermutlich Eiche, noch nicht geprüft):


Das Foto habe ich in meinem Arbeitszimmer auf einem Tisch geknipst - hatte in Rothschwaig keine Kamera dabei

Obwohl ein Fruchtkörper deutlich reif aussah, habe ich aber keine Sporen gefunden. Interessanterweise war das gesamte Hymenium kollabiert und kaputt, während gerade junge Probasidien beginnen, ein neues Hymenium zu bilden und in die Schicht der kollabierten Basidien hineinzuwachsen. Manche waren bereits gegabelt, sodass es kein Parasit ist, der am Werk ist (ich hatte ehrlich gesagt im Gelände mit der Lupe in der Hand auf Parasiten in dem glasigen Fruchtkörper gehofft).

Die Gallerträne hatte (mal wieder) keine Schnallen, Dikaryophysen waren nicht erkennbar, es gab auch keine Nebenfruchtform und die Hyphen im Fruchtkörperinneren waren sehr dickwand8ig. Insgesamt also eine ganz typische Dacrymyces spec.  :D

Jedenfalls sind starke Wechselfröste offensichtlich nicht der Gallertränen Freund. Ich werde noch ein bisserl auf wärmere Zeiten warten müssen. Der Winter kam sehr spät, dafür bleibt er dann länger (oder so ähnlich)...

Liebe Grüße,
Christoph
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(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Beorn

Hallo, Christoph!

Nein, leider habe ich von dem Fund nichts aufgehoben. So was würde ich ganz gerne mal wieder finden, aber in letzter Zeit zeigten sich mir nur einigermaßen typische D. stillatus.
Diese hier kam mir jedenfalls sonderbar vor, und im Nachhinein ärgert mich das schon, nur diese Bilder zu haben. Den Fruchtkörperrand hatte ich nicht mikroskopiert, auch sonstige auffällige Objekte (Athrosporen zB) hatte ich weder notiert noch abgebildet. Schade, ich fürchte, solange ich das nicht im Gebiet wiederfinden kann, wird es wohl nicht einzuordnen sein.

Die Septen der Sporen fand ich schon deutlich dünner als sonst bei D. stillatus gesehen, aber wenn da die Septen auch mal ziemlich dünn sein können und die Fruchtkörper auch in die Richtung variieren können, dann kann das schon gut sein.


LG, Pablo.

Christoph

#11
Servus Pablo,

du hast im Fruchtkörper nirgends Reste von Arthrosporen gefunden? Die Septen sehen für mich gar nicht sooo dünn aus. Wobei ja die dünn septierten auch mal etwas dickere Septen haben können.
Wie sehen denn die Hyphenende am sterilen Fruchtkörperrand aus? Ich würde wetten, dass sie relativ kurz septiert sind. Ich habe hier aus der Dissertation von Gabriele Göttel die Abbildung eingefügt:


Abb. 25d (S. 98) aus Göttel (1983) - sterile Oberfläche von Dacr. stillatus

Dacrymyces stillatus wird gerne so gewunden, wenn alt. Das Zusammenfließen passiert nicht immer so deutlich. Wobei ich aber ja nicht sagen kann, wie dick die Septen wirklich waren. Die sind bei Dacr. stillatus ja teils sehr dick - sie müssen es aber nicht sein. Es gibt immer wieder mal Kollektionen mit nur leicht verdickten Septen. Die Sporenmaße passen ja gut zu Dacr. stillatus. Für Dacr. lacrymalis sind sie mir zu groß (was meine Interpretation der Art angeht, die MacNabb folgt).

Auf alle Fälle eine interessante Kollektion. Hast du davon einen Beleg gemacht? Falls ja, kann ich mir den gerne mal live ansehen und nachmikroskopieren.

Liebe Grüße,
Christoph
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Beorn

#10
Servus!

Einen habe ich noch aus meinem Archiv ausgegraben, in Ermangelung von interessanten Frischfunden.
Die Fruchtkörper fanden sich am 07.02.2016 in einer kleinen Fichtenschonung (umgeben von Kiefern-Mischwald) in der nördlichen Oberrheinebene nahe Walldorf.
Substrat sind noch berindete, aber liegende und teils schon im Moos des Bodens eingewachsene Fichtenzweige. Die Fruchtkörper sind recht groß mit an die 10mm Durchmesser, dabei relativ stark gewunden und gefaltet.





Leider nicht wirklich toll dokumentiert, ein paar Details hätte ich mir im Nachhinein gerne noch näher angesehen, aber leider habe ich kein Exsikat angelegt, heißt also zuwarten und nochmal finden.
abgelegt hatte ich die als "Dacrymyces lacrymalis", wobei es das eventuell aber nicht wirklich trifft. Daß es sich mit der Gruppe aber noch recht vage verhält, was die Abgrenzung einzelner Arten betrifft, wurde ja schon angedeutet.


LG; Pablo.

Christoph

#9
Servus beinand,

ich habe lange gesucht, aber dann doch noch Sporen der Tulasnella gefunden. Es sind zwar nur wenige gewesen, aber die Form und Größe passen zu Tulasnella thelephorea.

Ich komme auf 6,5-8,5 x 3,75-4,75 µm (jeweils auf ein Viertel Mikrometer gerundet).

Roberts (1994): Globose and ellipsoid-spored Tulasnella species from Devon and Surrey, with a key to the genus in Europe. Mycol. Res. 98 (12): 1431-1452 zeigt, dass die Sporenmaße ziemlich variieren können, hat aber bei seinen eigenen Aufsammlungen meist kleinere Maße als beim Lectotypus.
Dieser hat Sporen von 6-9 x 4-6 µm, seine eigenen Kollektionen schwanken von (3,5-)5-6,5 x (3-)3,5-4 µm als Extrem und (6-)6,5-8,5(-9,5) x (3,5)4-5,5(-6,5) µm.
Da passen meine Maße ganz gut mit rein, finde ich.

Tulasnella thelephorea kommt zwar meist in "normalen" Corticioiden vor, Roberts (1994) gibt aber explizit an, dass sie auch in Dacrymyces (stillatus) vorkommt.

Es gibt zwar eine ganze Reihe von Tulasnella-Arten mit Schnallen, aber die wenigsten von ihnen wachsen im Hymenium von Gallertpilzen. Die Ökologie und die Sporenform passen sehr gut auf T. thelephorea.

Roberts (1994) gibt etwas schmalere Epibasidien an (die dafür bei ihm sehr lang auswachsen können), aber hier war die Tulasnella auch noch sehr jung. Die "Knubbel", die am dicksten waren, waren noch nicht ausgewachsen.

Bei Pilze-Deutschland (http://www.pilze-deutschland.de/organismen/tulasnella-thelephorea-juel-juel-1914) sind viele Funde in Nordbayern, Thüringen und Sachsen eingetragen. Man findet sie immer wieder,  wenn man Cortis anschaut. Wie häufig sie aber in Dacrymyces vorkommt, weiß ich allerdings nicht  ;)

Liebe Grüße,
Christoph
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Christoph

#8
Servus Pablo,

ja, sieht sehr gut aus als Dacrymyces enatus:)

Liebe Grüße,
Christoph

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Liebe Dacrymyces-Freunde,

in dem Artenkomplex rund um Dycrymyces stillatus ist die Bestimmung teils sehr schwierig, wie ich finde. Hier ist immer noch viel zu tun.

Ich habe heute beim Gassigehen eine Gallertträne an einem Grauerlenast (Alnus incana, finalfaul - zwar noch berindet, aber das Holz ist so weich, dass man es mit zwei Fingern ohne Kraftaufwand plattdrücken kann) gefunden, die ich gleich mal vorstellen möchte. Sie tendiert zwar zum Zusammenfließen, aber erst sehr alt. Sie ist jeweils an einem Punkt am Substrat angewachsen, aber nicht gestielt.


Dacrymyces cf. minor - Fruchtkörper bereits etwas angetrocknet


Dacrymyces cf. minor - Fruchtkörper wieder aufgequollen


Dacrymyces cf. minor - Fruchtkörper wieder aufgequollen; der große Fruchtkörper knapp rechts der Mitte ist von Tulasnella cf. thelephorea befallen

Die Hyphen haben keine Schnallen. Die Tramahyphen haben einen Durchmesser von ca. 2,5-4 µm, die Septen erscheinen etwas eingeschnürt – es handelt sich also um Primärsepten, die sich gebildet haben, bevor die Zellen der Hyphen sich ein bisserl aufgebläht haben. Die Hyphen sind glatt, ohne Inkrustationen oder anderweitige Auflagerungen, etwas dickwandig bis dünnwandig erscheinend, aber auch dann offensichtlich steif, wenig biegsam.

Die Haare an der sterilen Unterseite der Fruchtkörper sind auch nur etwas dickwandig, deren Endzellen meist keulenförmig (wie Basidiolen von ,,normalen" Basidiomyzeten) – jung sind sie auch banal zylindrisch, später aber eben keulenförmig.

Die Sporen sind reif dreifach septiert (je eine Spore, die bereits Konidien auskeimte, war vierfach respektive zweifach septiert). Die Septen waren meist verdickt, aber nur bis ca. 0,5 µm, gut sichtbar als dickes Septum, aber nicht so extrem, wie ich es von Dacrymyces stillatus s.str. kenne. Manchmal drücken große Vakuolen das Zellplasma so an die Septen, dass diese dadurch sehr dick erscheinen. Da muss man aufpassen... Die Sporenmaße wiederum ergaben (10-)11,5-13,2-14,5(-15,25) x (4,25-)4,75-5,1-5,75 µm; Q = (2,0-)2,2-2,60-3,0

Die Basidien sind ganz normal gabelig ausgeprägt; ich habe auch keinerlei Sekundärsepten gesehen. Die Epibasidien werden ziemlich lang (mindestens bis 50 µm), was aber auch normal ist.

Dikaryophysen fehlen bzw. ich habe keine gesehen.

Arthrokonidien: nicht gesehen (keine Anamorphe)

Hier meine Mikroskop-Notizen (Maße mal 0,95, mein Messokular ist nicht 1 : 1 kalibriert)







Zusammengefasst:
Sporen reif dreifach septiert (nur selten sogar bis 4-fach), Septen etwas verdickt (dicker, als ich sie von Dacrymyces capitatus kenne, aber weniger massiv, als bei typischer Dacrymyces stillatus.
Keine Schnallen, keine Dikaryophysen.

In den alten Fruchtkörpern steckt übrigens eine Tulasnella, die dort sehr massiv wird. Sie hat auffällige Schnallen und die Basidien entwickeln sich in Büscheln. Leider habe ich keine Sporen derselben gefunden – sie ist noch etwas zu jung. Nach Roberts & Piatek (2004): Heterobasidiomyecets of the families Oliveoniaceae and Tulasnellaceae from Poland. Polish Botanical Journal 49(1): 45–54 müsste es Tulasnella thelephorea sein, da es nur wenige Arten mit Schnallen gibt. Mir wäre es aber lieber, wenn sich das durch passende Sporenmaße bestätigen ließe. (P.S.: ich habe später Sporen gefunden - es passt - auch in Einklang mit Roberts (1994) - siehe nächster Beitrag in diesem Thread)

Zurück zur hier vorgestellten Kollektion. An Dacrymyces stillatus s.str. glaube ich nicht.

Im Vergleich – ich kenne Dacrymyces stillatus s.str. deutlich breitsporiger. Kollektion CH01/2013 von einem liegenden Fichtenast (als Beispiel): (10,5-)14,25-15-17 x 5,75-6,5-7,5 µm; Q = 1,8-2,26-2,8; die Sporensepten sind bis 2 µm dick. Bei dieser Kollektion hatte ich auch Dikaryophysen gefunden – sie entsprechen denen auf der Abb. 20b auf S. 93 in der Doktorarbeit von Göttel (1983):


Abb. 20b aus Göttel (1983: 93) - sorry für die schlechte Scan-Qualität

Göttel (1983) nennt diese Strukturen allerdings nicht Dikaryophysen.

Jedenfalls ist das für mich Dacrymyces stillatus s.str. - im Gegensatz zu meiner heutigen Kollektion.

Was bleibt als Alternativen?

Dacrymyces capitatus hätte größere Sporen und die kenne ich nur dünnwandig.

Dacrymyces minor würde hinsichtlich der verdickten Sporenwände passen. Was die Sporenmaße angeht, widersprechen sich die Literaturstellen etwas bis sehr deutlich (was in der Gruppe immer wieder auffällt):

Kennedy (1958) gibt an: 8-15 x 3-4(-6) µm

McNabb (1973) gibt an: 8-14(-15,5) x 3,5-5(-6) µm

Reid (1978) gibt an: 10,2-13,75(-16) x 4-4,5(-5) µm – er gibt auch das bilden eines vierten (bis fünten) Septums bei überreifen Sporen an

Göttlein (1983) gibt an: 13-15 x 5-7 µm

Shirouzu et al. (2009) geben an: 12,5-18 x 5-9,5 µm (kein Tippfehler!)

Dacrymyces minor wird also entweder als schmalsporige Art interpretiert (Kennedy, McNabb, Reid) oder als ziemlich bis deutlich breitsporig (Göttlein, Shirouzu et al.). Die japanische Interpretation dürfte allerdings wohl kaum das Gleiche sein. Dacrymyces minor wurden von Peck aus den USA beschrieben und Kennedy hat den Typus von Peck studiert (bzw. hat die Art lectotypisiert). Insofern ist eine schmalsporige Interpretation das, was dem Originalkonzept entspricht.

Bleibt Dacrymyces lacrymalis als Möglichkeit. Abgesehen davon, dass hier die Fruchtkörper größer, dreidimensionaler und schon bald (und nicht erst ganz alt, wenn sie von Parasiten befallen werden) gyrös werden, passt hier auch die Verdickung der Sporensepten nicht – wobei ich hier kaum Eigenerfahrung habe. Die Interpretation von Dacrymyces lacrymalis fällt mir schwer.

Ich würde meine Dacrymyces daher erstmal als Dacrymyces cf. minor bezeichnen.

Viel zu oft habe ich nach der ersten Sichtung (Sporen dreifach septiert, keine Schnallen), die aufgesammelte Gallertträne wieder ,,entsorgt". Jetzt werde ich das ganz sicher nicht mehr tun.

Liebe Grüße,
Christoph
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Beorn

#7
Hallo, Gernot & Christoph!

Eine Dacrymyces "cf" enatus hatte ich auch mal gefunden, wenn ich mir deine wunderbare Dokumentation so angucke, Gernot, kann ich das "cf" bei meiner wohl sogar streichen.
Die Darstellung meines Fundes ist bei weitem nicht so gelungen, aber ich stelle ihn trotzdem hier mal dazu.




Gefunden am 30.12.2015 in Norditalien; an den Hängen über dem Westufer des Lago Maggiore auf ca. 400-500 mNN; nähe Sant. Agatha / Cannobio; in einem Einschnitt (relativ bodenfeucht), ehemals bebautes (terrassiertes), längst aber von der Natur zurückerobertes Gelände, mit Baumbestand vorwiegend aus Esskastanien, Birken, Ahorn; Grundgestein Granit (sauer) an einem feucht liegenden, recht stark zersetzten Laubholz - Aststück.

Also auch wieder ein wenig anders, als die von Gernot beschriebenen Habitate.

Interessant übrigens auch in dem Zusammenhang mit der Ökologie von "Ditiola" peziziformis: Es gibt in der (klimatisch submetiterran geprägten) Oberrheinebene einige Vorkommen von Phlebia centrifuga. Alle Kollektionen dieser Art von mir und einigen Pilzkollegen sind neueren Datums, vorwiegend an Laubholz, aber einzelne Aufsammlungen auch an Kiefer. Morphologisch sind die nicht von Phlebia centrifuga aus "typischen" Habitaten zu unterscheiden. Da wären vielleicht noch ein paar Sequenzen interessant, auch wenn die vermutlich auch nichts anderes ergeben werden.

Das wäre also ein Fall aus einem ganz anderen Gebiet, der sich analog zu den Ditiola peziziformis - Kollektoinen verhält.


LG, Pablo.

Christoph

#6
Servus Gernot,

das ist ja eine Bilderbuchkollektion. Die Fruchtkörperfarbe, das Zusammenfließen, an Laubholz... Danke für das schöne Portrait! Ich finde, D. enatus hat einen recht hohen Wiedererkennungswert - und dank der schönen Dikaryophysen (neben den anderen Merkmalen) ist die Art ja auch anatomisch gut erkennbar.

Und ja, die Zeit vergeht - ich erinnere mich an die Tremella-obscura-Anfrage. Es gibt ja mehrere, an Dacrymyces parasitierende Tremellen wie z. B. Tremella giraffa, Tr. penetrans, Tr. occultifuroidea und Tr. obscura. Ich denke aber immer noch, dass du damals Tremella obscura s.str. hattest.

Das ist auch etwas, was ich eigentlich gerne an Gallerttränen habe - man findet immer wieder mal andere, interessante Pilze, so auch Occultifer internus.

Lieber Pablo,

da ich weniger im warmen Lagen, sondern eher in höheren Lagen unterwegs bin, kenne ich Ditiola peziziformis selber nur von Tanne. Mich wundert es auch, wenn eine Art eine so zweigeteilte Verbreitung / Ökologie aufweist. Das allein reicht aber natürlich nicht für eine Trennung. Aber es kann natürlich gut sein, dass man Differentialmerkmale findet, wenn man danach sucht.

Witzig ist, dass Ditiola pezizizformis im Stammbaum von Shirouzu et al. (2012): Taxonomic study of the Japanese Dacrymycetes. Persoonia 23: 16–34 zusammen mit Dacrymyces variisporus (wächst ja auch an Tanne) clustert. Allerdings ist das nicht statistisch unterstützt. Die Gattungsgrenzen und -zuordnungen passen jedenfalls ohnehin noch nicht, wenn man die phylogenetischen Bäume betrachtet. Da ist die Publikation von Shirouzu et al. (2012) wirklich sehr spannend.

Liebe Grüße euch beiden  :),
Christoph
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Gernot

#5
Servus,

ich muss zugeben, die gallertigen Tränen schaue ich mir viel zu selten an... Meistens schmeiße ich sie frustriert weg, weil ich sie im eingetrockneten Zustand auf den ersten Blick für Orbilien halte. :-X Eine interessante, von Christoph in der Diskussion bei D. macnabbii bereits erwähnte Art kann ich aber dennoch zeigen: Dacrymyces enatus. Ich hab diesen äußerlich für Dacrymyces eher untypischen Pilz bisher zweimal gefunden, einmal (abgebildete Kollektion) auf der Unterseite eines liegenden, entrindeten Astes von Alnus incana in einem Erlenbruch am Rande eines kleinen Moorbereiches, und einmal in einem natürlichen Fichten-Tannen-Buchenwald auf einem entrindeten Fagus-Ast. Letztere Aufsammlung war von Tremella obscura befallen – diese hab ich schon einmal in diesem Forum gezeigt (kaum zu glauben, dass das schon neun Jahre her ist...).

Mikroskopisch ist D. enatus anhand der Schnallen, der erst spät einfach septierten Sporen und vor allem der verzweigten Dikaryophysen charakterisiert (siehe Mikrofotos).


Dacrymyces enatus















Schöne Grüße
Gernot